Kolumnist Richard Nimmerrichter ist tot: Die Stimme der Hausbesorger
Der österreichische Journalist Richard Nimmerrichter ist tot. Als hetzender „Staberl“ wurde er mit seiner Kolumne der Kronen Zeitung berühmt.
Der Großmeister der publizistischen Hetze in Österreich ist tot. Richard Nimmerrichter rühmte sich einst, stets das Ohr an der Stimme des Volkes zu haben. Er verbrachte Stunden in schmierigen Lokalen und im Umkreis von Stammtischen, wo die Menschen ihren Ressentiments Luft machten: gegen „die da oben“, gegen Ausländer, gegen die Juden.
Seit 1964 schrieb er in der Kronen Zeitung eine tägliche Kolumne unter dem Pseudonym „Staberl“, einer Figur aus dem Wiener Volkstheater. In Anspielung auf die oft dumpfe politische Gedankenwelt der Wiener Hausbesorger bekam Nimmerrichter auch den Namen „His housemaster’s voice“ verpasst.
Armin Thurnher, Herausgeber der kritischen Wochenzeitung Falter, der sich bemühte, ihm nicht ins Grab nachzuspucken, beschreibt Staberl als „eine Art publizistischen Kettenhund, der sich später gebärdete, als wäre er Jörg Haiders Pressesprecher“.
Nimmerrichter war stolz auf seine Provokationen. In einem Interview mit der Jungen Freiheit im Jahr 2000 wetterte er gegen den österreichischen Sozialstaat: „Das soziale Netz ist derart geknüpft, daß es jedem asozialen Haderlumpen möglich ist, ohne Arbeit zu leben.“
Verklagt wegen übler Nachrede
Nach vier Jahren in der Wehrmacht und zwei Jahren in sowjetischer Gefangenschaft fand „Staberl“ seine Berufung in der Kronen Zeitung, der im Verhältnis zur Einwohnerzahl größten Tageszeitung der Welt. Entsprechend groß war sein Einfluss, auch wenn er den Holocaust verharmloste: „Nur verhältnismäßig wenige der jüdischen Opfer sind vergast worden.“
Elfriede Jelinek wob aus Staberl-Zitaten ihr Stück Stecken, Stab und Stangl, in dem sie die Kolumnen indirekt für das rechtsextreme Attentat auf Angehörige einer Roma-Siedlung im Jahr 1995 verantwortlich machte.
Dutzende Male wurde Nimmerrichter wegen übler Nachrede verklagt. Seine 58 Verurteilungen trug er wie Orden. Erst mit 80 Jahren ging er in Pension. Nimmerrichter starb am Sonntag, kurz nach seinem 101. Geburtstag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“