Nachrichtenmagazin „profil“: Investigativer Neustart

Anna Thalhammer wird Chefredakteurin des Wiener Magazins „profil“. Die Enthüllungsjournalistin soll das Blatt zu alter Stärke führen.

Portrait

Vom Sport zum Boulevard zur Chefredakteurin von „profil“ Foto: Hans Punz/apa/picture alliance

WIEN taz | Jahrzehntelang war das profil Österreichs führendes Nachrichtenmagazin. Bis die Wiener Wochenzeitung Falter, zuletzt mit verstärkten Fokus auf Investigatives und Qualitätsreportagen, an ihr vorbeizog.

Der Raiffeisen-Konzern, dem das profil gehört, will sein Magazin nun wieder zur Nummer 1 machen und sich rückbesinnen auf den Markenkern „Aufdeckung“. Richten soll das die 37-jährige Anna Thalhammer, gemeinsam mit einem jungen Team. Thalhammer, derzeit Leiterin der Innenpolitik der konservativen Tageszeitung Die Presse und Investigativjournalistin des Jahres 2021, hat einen ungewöhnlich bunten publizistischen Werdegang hinter sich.

Aufgewachsen ist sie im oberösterreichischen Kurort Bad Ischl, nach der Schule ging sie erst nach Salzburg, dann nach Wien und bekam irgendwann eine Ansage des Vaters, die sie schlussendlich zum Journalismus brachte. Ihr Studium der Germanistik und Judaistik habe sie selbst finanzieren müssen, erzählt sie, der Vater war der Meinung, sie solle nun gefälligst arbeiten gehen.

Also heuerte sie bei der Tageszeitung Kurier an. Sie begann im Lektorat der Zeitung, dann ging sie in den Sport. „Sie wollten dort immer unbedingt eine Frau.“ Sport habe sie damals so wenig interessiert wie heute, doch unter der Anleitung von erfahrenen Kollegen, die Dopingskandale aufdeckten, wurde ihre Liebe zum Investigativen geweckt.

Folgenreiche Recherchen zu Dirty Campaigning und MeToo-Vorwürfen

Nach Ende ihres Studiums bekam sie ein Angebot der Zeitschrift biber. Das Magazin ist ausgerichtet auf Menschen mit Migrationsgeschichte – Anna Thalhammer, die einzige gebürtige Österreicherin in der Redaktion, wurde Chefin vom Dienst. Heute erinnert sie sich an eine „komplett nette Truppe“, die aber ständig gestritten habe. Aus ihren Jahren dort nimmt sie spannende Einblicke mit, aber irgendwann passte es nicht mehr. „Wenn man die ganze Zeit über die Welt von anderen Menschen schreibt, zu der man nicht dazugehört, dann ist das irgendwann einfach genug.“

Vom Boulevard zum Traditionsblatt

Sie nahm ein Angebot der Wiener Gratiszeitung Heute an – zwei Jahre lang Boulevard. „Die Effizienz ist schon krass gewesen“, sagt sie. „Man lernt einfach, viele Sachen gleichzeitig und auch schnell zu machen.“ Eine Meldung in 500 Anschlägen auf den Punkt bringen, zum Beispiel. Für die Online-Versionen ihrer Texte nahm sie sich allerdings Zeit, verlängerte die knappen Meldungen zu ausführlichen Berichten, zu „coolen Geschichten“, in der Hoffnung, „dass irgendeiner mal merkt, dass ich auch mehr kann“.

Eine Redakteurin der bürgerlichen Traditionszeitung Die Presse merkte es. Warb sie an. Thalhammer ging dort in das Ressort Chronik und wurde Chefreporterin.

Dort war sie an den Enthüllungen von Dirty-Campaigning-Methoden um den SPÖ-Berater Tal Silberstein beteiligt und deckte MeToo-Vorwürfe gegen den ehemaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz auf. Bekannt über ihre Leserschaft hinaus wurde Anna Thalhammer, als sie im Rahmen des Ibiza-Skandals ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft geriet. Die warf ihr üble Nachrede und Beleidigung einer Behörde vor und zeigte sie an.

Thalhammer hatte in einem Artikel Ermittlungen gegen Personen, die nur als Zeugen geführt wurden, kritisiert. Die Anzeige wurde schnell zurückgezogen. Ihr Fall machte damals auch international Wirbel: „Da ist schon ein bisserl eine rote Linie überschritten worden, wenn man jetzt anfängt, Journalisten strafrechtlich zu verfolgen, wenn sie was schreiben, was einem nicht passt.“

Zu ihren Plänen als Chefredakteurin bei profil will sich Anna Thalhammer noch nicht äußern. Antreten wird sie die Stelle erst am 1. März. Es heißt, in der Redaktion solle ein Generationenwechsel stattfinden. Verbunden sei das mit einer Trennung von drei altgedienten Redakteuren. Der neue Geschäftsführer Richard Grasl hat sich bei seinen Vorgängerstationen ORF und Kurier den Ruf erworben, besonders ÖVP-nah zu sein. Die Neue muss mit dieser politischen Hypothek zurechtkommen und gleichzeitig die Vorgaben Sparkurs und investigativer Neu­anfang erfüllen. Keine leichte Aufgabe.

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