Kolumne Dumme weiße Männer: Klassisch rassistisch
Anne Will hat vier weiße Männer eingeladen, um zu diskutieren, wie rassistisch Deutschland ist. Das konnte ja nur schiefgehen.
W ie rassistisch ist Deutschland? Am Ende der Talkshowrunde mit Anne Will kann man sagen: So rassistisch, dass zu diesem Thema vier weiße Männer und eine Migrationsforscherin mit Migrationshintergrund diskutieren durften. So rassistisch, dass der weiße AfD-Vize Alexander Gauland ohne Widerspruch ständig von „Farbigen“ sprechen kann. So rassistisch, dass ihm der konservative weiße Politikwissenschaftler Werner „Pegida sind besorgte Bürger“ Patzelt dennoch bescheinigt, kein Rassist zu sein.
So rassistisch, dass selbst der weiße Justizminister Heiko Maas (SPD) bei Menschen, die Muslimen den Grenzübertritt nach Deutschland verbieten wollen, nur von „Menschen mit Ängsten“ spricht. So rassistisch, dass der weiße FAZ-Journalist Eckart Lohse Gauland um Anerkennung dafür anbettelte, dass in Deutschland die Asylgesetze verschärft wurden und ein fragwürdiger Deal mit der Türkei ausgehandelt wurde, der die Zahl der Flüchtlinge verringerte. Vielleicht ist das schon ein Erkenntnisgewinn.
Was ist das eigentlich für ein Diskurs, dessen linkeste Teilnehmer ein FAZ-Journalist und ein Justizminister sind? Was ist das für eine Runde zu Rassismus fast unter Ausschluss von Menschen, die auch von Rassismus betroffen sind? Was ist das für eine Runde, in der die einzigen klugen Gedanken von einer doppelten Quotenteilnehmerin kommen, von Bilgin Ayata, einer Frau mit Migrationshintergrund? Was ist das für eine Sendungsplanung, die einer einzigen Person eine so hohe Verantwortung zuweist?
Dummheit und Rassismus haben nichts miteinander zu tun, aber Alexander Gauland brachte wieder einmal den Beweis, dass Dummheit und Rassismus gemeinsam auftreten können. Er habe ja gar nicht gewusst, dass Boateng ein „Farbiger“ sei, sagt Gauland. Er habe gedacht, er sei Muslim und habe sich deshalb so geäußert. Was man nicht über Schwarze sagen darf, darf man über Muslime sagen? Welch eine Logik. An den Namen der deutschen Fußballmannschaft 1954 könne man klassisches Deutschsein erkennen, so Gauland. Man hätte mal nachfragen können, ob dieses Deutschsein vielleicht damit zu tun hatte, dass noch wenige Jahre zuvor andere Arten des Deutschseins systematisch verfolgt und vernichtet wurden. Das tat aber niemand.
Gauland als Realsatire
Und dennoch konnte man immer wieder herzlich lachen. Gauland behauptet, er habe gedacht, Boateng sei ein Fremder. „In der deutschen Nationalmannschaft?“, entgegnete Maas. Hat Gauland Angela Merkel eine Kanzler-Diktatorin genannt? „Der gute Satz ist mir nicht eingefallen, ich hätte es gerne gesagt, aber das hat Björn Höcke gesagt“, sagt er. „Ich finde den Satz gut mit der Kanzler-Diktatorin. Ich habe es aber nicht gebraucht, es tut mir leid. Journalismus soll genau sein.“ Nur Sekunden später kommt der Videobeweis. „Björn Höcke hat das gesagt, ich fand es gut, und dann habe ich es wiederholt“, schreit Gauland nach dem Einspieler. Realsatire pur.
In dem Video ging es auch um einen anderen Satz: „Heute sind wir tolerant, morgen fremd im eigenen Land.“ Gauland zitiert die NPD-Parole kurz bevor er von der „Kanzler-Diktatorin“ spricht. Immer wieder behauptet er, dass Angela Merkel vorhabe, das deutsche Volk zu „ergänzen und ersetzen“. Ein neurechtes Konzept, dass davon ausgeht, dass Menschengruppen sich nicht vermischen können und auch nicht sollen, sondern dass Einwanderung nur Niedergang bedeuten könne.
Doch seine Mitdiskutierenden schaffen es nicht, das sauber zu entlarven. Die NPD-Parole sei rechtsextrem, weil sie von Rechstextremen verwendet wird, tautologisiert Heiko Maas. Die Einwanderung ersetze die Kinder, die Deutsche „zu zeugen nicht mehr willens sind“, übersetzt Werner Patzelt die Absurdität in eine größere Absurdität.
Falsche Rassismus-Synonyme
Wie hätte eine Runde aussehen können, die ernsthaft über Rassismus diskutieren wollte? Wacker kämpft Bilgin Ayata für eine klügere Diskussion, wirft ein, dass der Rassismusbegriff in Deutschland nicht internationalen Standards entspreche, dass er auch noch regelmäßig durch falsche Synonyme wie „Fremdenfeindlichkeit“ oder „Ausländerfeindlichkeit“ ersetzt werde, dass Einwanderung nicht erst ein Phänomen des vergangenen Jahres gewesen sei, dass die AfD nun das Unsagbare sagbar mache.
Am Ende der Diskussion treibt sie Gauland fast in die Ecke. Für die flüchtlingsfeindliche Stimmung will der AfDler nicht verantwortlich sein. „Aber sind Sie gegen die Angriffe?“, fragt Ayata. „Natürlich bin ich dagegen“, empört sich Gauland. „Aber sagen Sie das auch?“ fragt sie weiter. „Strecken Sie sich … schlagen Sie mal…“ Sie verhaspelt sich, Anne Will ändert das Thema, Gauland bleibt die Antwort schuldig. Hätte die Runde mehr ausgesehen wie die aktuelle DFB-Mannschaft, wäre die Frage vielleicht eher gefallen.
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