Kolumne Dumme weiße Männer: Umgekehrter Rassismus und Sexismus

Viele Linke glauben, Rassismus gegen Weiße und Sexismus gegen Männer könne es gar nicht geben. Das ist doch absurd.

Ein Mann hockt an einer Wand mit Hemd über dem Kopf und schreit

Sind weiße Männer die größten Opfer? Foto: Iknim / photocase.de

Immer wieder schreiben dumme weiße Männer unter und über meine Kolumne, sie sei rassistisch und sexistisch. Wenn da steht, die meisten Steuerhinterzieher seien weiße Männer, verstehen sie, dass die meisten weißen Männer Steuerhinterzieher seien. Sexistisch und rassistisch? Dabei habe ich doch schon im Kolumnenauftakt deutlich klargestellt, dass einige meiner besten Freunde weiße Männer sind. Dankenswerterweise findet sich dann meist ein weißer Schlaumeier, der den guten Kampf aufnimmt, seinen Genossen in den Rücken fällt und darauf hinweist, dass es Rassismus gegen Weiße und Sexismus gegen Männer ja gar nicht geben könne. Eine bizarre Theorie, die von vielen Linken geteilt wird.

Denn wenn man wollte, könnte man sehr wohl rassistisch und sexistisch gegen weiße Männer sein. Dafür bräuchte man nur eine Zeitmaschine, wie sie schon der australische Comedian Aamer Rahman nutzte.

Man würde einige Jahrtausende zurückreisen, um die Menschheit dann abzupassen, wenn sie noch klein ist und die Saat für das weltweite Matriarchat säen. Dieses würde sich über die Jahrtausende zu einer komplizierten Damenschaft weiterentwickeln – denn das Matriarchat würde keine gefühlige, feminine Liebhaben-Gesellschaft sein, sondern ein knallhartes Unterdrückungs- und Disziplinierungssystem, mit dem Frauen Männer ihrem Willen unterwerfen und gefügig halten würden. Am Ende wäre es so allgegenwärtig, dass das Feindselige am System weder Opfern noch Privilegierten richtig bewusst wäre.

Im Matriarchat würden Männer die anstrengenden aber unaufregenden, wiederkehrenden Arbeiten übernehmen, während sich Frauen damit brüsten würden, dass sie die wahren Leistungsträgerinnen seien, weil sie die spektakulären Arbeiten erledigen. Ein willkürliches System würde aus Körpereigenschaften ableiten, warum sie Männern überlegen sind. Wer kann schon Gewalt ausüben, argumentierte schon Gloria Steinem, Blut geben, wenn sie nicht monatlich blutet? Wer kann schon stark sein, wenn sie zwei leicht verletzliche Eier hat? Wer sonst als Männer sollte sich um die Kindererziehung kümmern? Die Frauen haben ja schließlich schon die weitaus wichtigere Arbeit des Gebärens übernommen.

Bei jeder Gelegenheit würde das Matriarchat Männern Vorschriften machen, die sie blamieren und erniedrigen würden. Es würde ihnen völlig unpraktische Kleidung vorschreiben, damit alle über ihre mangelnde Geschicklichkeit bei den einfachsten Aufgaben lachen können. Männer würden Stunden damit verbringen, den gesellschaftlichen Vorgaben für gutes Aussehen zu erfüllen. Penishalter wie aus Gerd Brantenbergs „Die Töchter Egalias“ würden sie sexuell zur Schau stellen, doch wenn sie dann am exponierten Schwanz begrapscht würden, würde die Schuld dafür bei ihnen gesucht werden. Jedes Dorf würde ein Göttinnenhaus in der Form einer Vulva haben.

Wenn das Matriarchat fest verankert wäre, würde man in die Vorkolonialzeit weiterreisen. Im späten 15. Jahrhundert würde man eine riesige Koalition der Herrscherinnen Asiens, Afrikas und der Amerikas schaffen und Europa kolonisieren. Die unterlegenen weißen Einheimischen würden dazu gezwungen werden, Cash Crops für weit entfernte Gesellschaften anzubauen. Ganze Landstriche würden sich nur noch mit dem Anbau von Petersilie und Zuckerrüben befassen, selbst in den größten Hungersnöten.

Kartoffelplantagen in China

Die militärische Unterlegenheit der Weißen würde mit ihrer natürlichen körperlichen Schwäche erklärt werden, ihr Unwissen fremder Wissenschaftskonzepte mit ihrem göttinnengegebenen Mangel an Intelligenz. Die Akademikerinnen der zivilisierten Welt würden an dem Beispiel der Weißen studieren, wie genau Menschen sich von Tieren unterscheiden. Weiße Frauen würden in einem transasiatischen Sklavinnenhandel nach Kartoffelplantagen in China verfrachtet werden, weiße Männer würden in den Häusern der Plantagenbesitzerinnen dienen. Regelmäßig würden die Damen des Hauses sich an den Haussklaven vergehen, doch wehe den Männern und Feldsklavinnen, die etwas miteinander anfangen würden.

Im 20. Jahrhundert würden sich die Bedingungen für Männer und Weiße langsam verbessern. Sufragettinnenführer Martin Luther Queen würde mit einer riesigen Bewegung das Wahlrecht für Männer erkämpfen und die weiße Antirassismus-Vordenkerin Simone de Beauvoir würde in ihrem Werk “Weiße Haut, Braune Masken“ die Folgen der Kolonialzeit in Europa aufarbeiten. Erstmals würden in dem mächtigsten Staat der Welt ein (schwarzer) Mann und sogar eine weiße Frau zur Wahl stehen – und dennoch: immer wieder würden die Weltmächte sich Gründe ausdenken, Europa immer wieder zu zerbomben und den dortigen Bewohnerinnen den Zutritt zu den Eliteländern im Rest der Welt erschweren.

In dieser Welt würden selbst die schönsten weißen Männer ihre Körper hassen. Schauspieler wie Brad Pitt Weißer würden in der Jugend kaum Rollen finden, weil weiße Männer von schwarzen und braunen Schauspielern in heller Schminke gespielt würden. Würden sie doch noch eine Rolle abbekommen, wären es kurze Auftritte, in knappem Penishalter, als Geliebter der Superspionin Aishwarya Bond. Donald Trump Kartoffel – benannt nach der Feldfrucht, zu deren Anbau seine Vorfahrinnen gezwungen wurden – wäre der unbekannte alleinerziehende Vater von drei Kindern im Weißenghetto von Shanghai.

Und wenn dann jemand in einer Kolumne spötteln würde, weiße Männer seien dumm und humorlos, weil sie für ihre Rechte kämpften, und drohen würde, sie Affen zu nennen, dann wäre das wohl Rassismus und Sexismus gegen weiße Männer.

Die Texte und Aufführungen, von denen diese Kolumne inspiriert ist, sind im Text verlinkt: „Reverse Racism“ (Aamer Rahman), „Die Töchter Egalias“ (Gerd Brantenberg) und „If Men Could Menstruate“ (Gloria Steinem).

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Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.

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