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Koalitionen in Schwerin und BerlinKleine linke Renaissance

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Für die Linkspartei ist die Aussicht auf eine zweifache Regierungsbeteiligung ein gutes Zeichen. Eine Lebensversicherung ist es nicht.

Schwesig will lieber mit den Linken Foto: Frank Hormann/dpa

I n Schwerin wollen SPD und Linkspartei zusammen regieren, in Berlin deutet sich die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot an. Nach dem Desaster bei der Bundestagswahl ist das für die Linkspartei ein Hoffnungsschimmer: Sie wird doch noch gebraucht. Was die Inhalte angeht, sind Rot-Rot im Norden und Rot-Grün-Rot in der Hauptstadt ja naheliegend. Die Bundestagswahl hat einen leichten, aber unverkennbaren Schwenk nach links gezeigt. Angesichts explodierender Mieten und drastischer Veränderungen durch Digitales sowie den klimaneutralen Umbau der Industrie stehen soziale Sicherheit und Gerechtigkeit hoch im Kurs. Mitte-Links-Regierungen passen da gut ins Bild.

Auf die Landespolitik übertragen bedeutet das: Rot-Rot will in Schwerin, dass öffentliche Aufträge nur an Firmen gehen, die Tariflöhne zahlen und nachhaltig produzieren. Das klingt kleinteilig. Aber es ist von Belang in einem Bundesland, in dem der Durchschnittsverdienst ein Drittel niedriger ist als in Hessen. Auch dass Rot-Rot auf dem Land keine Krankenhäuser schließen und mehr Rufbusse fahren lassen will, mag nicht als großer Wurf erscheinen. Aber es ist der Versuch, die Kluft zwischen Stadt und Land nicht noch größer werden zu lassen. Was unspektakulär klingt, ist doch eminent politisch und zentral für demokratische Politik.

In Berlin ist es komplizierter. Die SPD-Rechte Franziska Giffey wollte mit Grünen und FDP regieren, am liebsten wohl mit CDU und FDP. Damit ist sie an ihrer eigenen Partei und an den Grünen gescheitert. Jetzt stehen die Signale auf Rot-Grün-Rot. Auch damit kommt inhaltlich zusammen, was zusammen gehört – jedenfalls bei den zentralen Themen Mieten, Wohnungsbau, Verkehr und Finanzen. Die Stadt tickt, wie der Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungskonzernen gezeigt hat, eher links und egalitär. Wie das zu einer Regierung mit der FDP hätte passen sollen, die beim Wohnen auf Markt pur setzt und bei Finanzen auf strikte Schuldenbremse, ist Giffeys Geheimnis.

Also alles gut? Für die Linkspartei ist die Aussicht auf doppelte Regierungsbeteiligung erst mal ein gutes Zeichen: Wir leben noch. Eine Lebensversicherung ist es nicht. In Schwerin ist die Partei nicht mehr als der Sidekick von Manuela Schwesig. Die will Rot-Rot, weil die Linkspartei pflegeleichter ist als die etwas wirre CDU im Norden. In Berlin waren der Linke Klaus Lederer & Co bisher die treibende Kraft in der Regierung. Das wird nicht so bleiben. Die Linkspartei ist nur noch Drittstärkste. Und Giffey scheint ihr das Schwarze unter dem Fingernagel nicht zu gönnen. Zweimal regieren heißt für die Linkspartei nüchtern betrachtet: zweimal die weniger schlechte von zwei schlechten Möglichkeiten zu haben.

Einen Vorteil haben Lederer und GenossInnen immerhin: Sie sind selbstbewusster als früher, als sie sich von Klaus Wowereit und seiner SPD alles gefallen ließen. Falls Giffey den Volksentscheid zum Wohnen auf den Müll befördern will, muss die Linkspartei die Grenze ihrer Selbstachtung markieren.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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26 Kommentare

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  • Nun ja, wenn ich die letzten 4 Jahre rot-rot-grün in Berlin betrachte, dann weiß ich nicht, ob es angebracht ist, die Wiederholung des Fiaskos als Renaissance zu feiern.

  • In Mecklenburg stand die Linke beim ersten Mal einer link-links Koalition vor allen für eine konserative Landwirtschaftspolitik im Sinne und Interesse der Großargrarbetriebe, den Nach- bzw- Nachnachfolgebetrieben der LPGs. Bitte nicht wieder...

  • Schwerlin Berin -

    Die Linke steht doofer Weise von allen Parteien z.Zt. am meisten selbst im Wege.

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    Und damit vielleicht auch dem letzten Verteidiger der umbenannten SED klar wird, daß die DDR zwar vor 30 Jahren untergegangen ist, die alten Kader aber noch immer in vorderster Linie mitmischen: Frau Schwesigs Ansprechpartner in der umbenannten SED ist Torsten Koplin, von 1981 bis 1984 hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi, von 1987 bis 1988 inoffizieller Mitarbeiter der Stasi, die die Zusammenarbeit mit ihm als "effektiv" bezeichnete.

    • @14390 (Profil gelöscht):

      Ihr Wording geht zu weit. Der Schluss vom Großen auf das Kleine, sowie von dem Kleinen auf das Große. Wer war denn genau die alte SED und wer ist denn heute genau die umbenannte SED?! Dann war wohl auch die CDU mit, oder mit beschäftigten, Nazi-Partnen die umbenannte NSDAP? Das würde mir ebenfalls zu weit gehen.

      • 1G
        14390 (Profil gelöscht)
        @Gerhard Krause:

        Es mag Ihnen persönlich zu weit gehen, aber die heutige DieLinke ist laut eidesstattlicher Versicherung ihres damaligen Schatzmeisters vor dem Berliner Landgericht rechtsidentisch mit der SED. Man hat der SED halt mehrfach einen neuen Namen gegeben, aber die dahinterstehende juristische Person ist die selbe.



        Weswegen auch mit DieLinke eine Partei im Deutschen Bundestag sitzt, in deren Auftrag tatsächlich schon auf Flüchtlinge - auch mit tödlichem Ergebnis! - an der Grenze geschossen wurde.

        • @14390 (Profil gelöscht):

          OK, ich meine jetzt das "umbenennen" zu verstehen: Rechtsnachfolge. Das empfinde ich jedoch als noch schlimmer, als den Begriff eher unbestimmt zu lassen. Warum? Die Rechtsnachfolge, Sie beziehen sich auf ein gerichtliches Verfahren, war dort eine jur. Fragestellung. Es fehlt dabei am parteipolitisch sozialen Inhalt. Die Entscheidungsträger machen den Unterschied zwischen SED und Linke. Andersherum wird es sehr erklärlich: Es bedarf keiner jur. Rechtsnachfolge, um faschistisch zu sein, siehe AfD und/oder Höcke.

  • Eigenartig, manche Reaktionen, wobei die von der CDU-Verliererin mit dem Nesqickfaible aus dem Südwesten noch fehlt. Die Union hat ja nur deshalb noch 24% bekommen, weil zu viele auf die Rote-Socken-Kampagne 2.0 hereingefallen sind. In den Umfragen dümpelt sie um 20% herum. Der Klientel-Kapitalismus (besser Raubtierkapitalismus) (Maskenaffären, Panama-Papiere, Cum-Ex, Immobilienhaie usw.) ist keine Lösung. Um das Überleben einer Partei geht es dabei nicht, sondern der Gesellschaft. Englische Verhältnisse brauchen wir hier nicht.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Sehr richtig.

  • Die Linken sind doch für die SPD nur Mittel zum Zweck, die CDU aus der Landesregierung zu entfernen.



    Das hat den schönen Effekt, daß die Blockademöglichkeit der CDU im Bundesrat geschwächt wird. Die Linke wird die Kröte schlucken, das Stimmrecht im Land MP allein der SPD anzuvertrauen. Dafür gibt es ja auch ein paar Pöstchen.



    Ob das aber die Linke als Partei rettet ?



    Regieren in dann vier Bundessländern und Fundamentalopposition paßt nicht zusammen. Die AfD wird´s freuen, die sind als Opposition allemal glaubwürdiger.

    • @Don Geraldo:

      Die "Glubwürdigkeit als Opposiition" der AfD hängt wohl eher von der politischen Position des Betrachters ab. Nonsens zu vertreten, nur weil dieser Nonsens das Gegenteil der Positonen der Regierung ist, ist zumindest für mich jedenfalls keine Oppositio

  • Man darf die Linke bei uns in MV, wie generell im Osten, nicht durch die Bundesbrille (=westdeutsch) sehen. Habituell und aufgrund der Biografien des alteingesessenen Personals könnte die Linke hier theoretisch auch mit der CDU koalieren (das meine ich nicht anklagend). Beide Parteien stehen "in der Mitte der Gesellschaft" und werden hier in erster Linie von Rentnern gewählt. Umsturzversuche und Systemopposition werden von der sehr alten Bevölkerung ohnehin nicht unterstützt. Unter Fr. Oldenburg dominiert zudem das Thema Schulbildung alles andere (sie ist Schulleiterin). Daher ist eine sachorientierte Politik absehbar.

    • 1G
      14390 (Profil gelöscht)
      @Chris McZott:

      Sie meinen ersthaft, daß die CDU einem ehemaligen hauptamtlichen (1981-1984) bzw. inoffiziellen (1987-1988) Mitarbeiter der Stasi wie dem Landesvorsitzenden der umbenannten SED, Thomas Koplin, die Hand für ein Regierungsbündnis reichen würde?

  • Schwesig ist clever.

    Lieber 1 Koalitionspartner mit 9 Sitzen als 2 x 5 von den beiden Lütten die gerade neu im Landtag sind.

  • Hät ich auch gemacht. Bei der CDU in MV weiß man ja nicht mal ob der, mit dem man verhandelt morgen noch da ist, während bei der Linken seit Jahrzehnten die selben leute sitzen und zu allem Ja und amen sagen werden. Linke Inhalte gibt es derweil weiter nur im Programm.

    • @Duckunwech:

      Hm, Sie meinen der Verlierer der Wahlen Nr. 2 mit noch weniger Stimmen, die LP, ist zuverlässiger?

  • Mein Vorkommentator hat es am Beispiel Koplin schon angedeutet: Die Regierungsbeteiligungen sind für einge Teile linker Politik wahrscheinlich hilfreich. Für die Partei selber könnten sie das Ende bedeuten, weil das alte Personal, das die Partei in inneren Konflikten hat erstarren lassen, weiterarbeiten wird und die dringend benötigte Erneuerung der Partei schließlich verhindert wird.

  • Wie kann man denn bitte im Ergebnis der Bundestagswahl "unverkennbaren Schwenk nach links" sehen? Gewonnen hat ein Olaf Scholz, der in etwa so weit links steht wie Angela Merkel. Und er hat nicht mit der SPD sonder trotz der SPD gewonnen. Laschet hat vor allem deshalb verloren, weil er sich permanent selbst sabotiert hat, nicht etwa wegen seiner politischen Ausrichtung. "Links" gewählt haben maximal 20 Prozent, nämlich die Wähler der Grünen und der Linkspartei. Das ist für das linke politische Spektrum kein Schwenk sondern ein Desaster. Und genau deshalb wird die Linkspartei an den benannten Regierungen beteiligt: Sie bringt Stimmen, ohne etwas zu melden zu haben.

    • @Samvim:

      Die Bundesgrünen sind sogar teils rechter als die Bundes SPD. Baerbock ist ausserdem keine linke Grüne

  • Manuela Schwesig zieht es mit ausgezeichneten Altkadern durch.



    de.wikipedia.org/wiki/Torsten_Koplin



    Chapeau!

    • @Ringelnatz1:

      Richtig. Parteischule und SED. Finde ich (aber) im Vergleich besser, als zB den alten "Unternehmerfonds" für Hitler. Nicht zwingend an Sidekick adressiert: Bevor der unüberlegte Schnellschuss kommt, Sozial=Sozialismus=millionenfach Tote, erinnere ich mal gerne an die anderen Schurkenstaaten mit Toten aus "Mord und Totschlag" - die einer antisozialen kapitalistischen Ordnung frön(t)en. .. Herzliche Grüße

    • @Ringelnatz1:

      Nun hat es die Linke also auch dort nicht geschafft, sich über Nacht tadellos neu zu erfinden, vielleicht sollten sie sich mal bei der Union anschauen, wie das geht. Wäre natürlich auch einfacher, wenn mehr Leute in die Politik gingen, wir sehen ja grad am Beispiel Sarah-Lee Heinrichs, wieviel Spaß das machen muss. Dabei ist er vermutlich so gefährlich wie Kollege Bartsch, der war auch noch SED und ist ja auch aus dem Land. Dann gab's in der DDR zumindest andere Zwänge als etwa für einen jüngeren CDU-Politiker im lange geeinten Deutschland dahingehend, sich eine schwarze Sonne auf den Arm tätowieren zu lassen. Hauptsache Kanzlerkandidat und auch in Sachsen-Anhalt scheint der Verein immer noch unverzichbar, Koalitionspartner sind bekannt?

      Im Vergleich zu Verbänden in Hessen oder Nds. ist die Linke im Nordosten wahrsch. pflegeleichter d.h. auch konservativer noch als die SPD und Schwesig hätte möglw. sogar dann auf sie gesetzt, würden die Grünen eine Rolle spielen. Dafür spricht manches, bis hin zur groben Vorstellung vom Russlandverältnis, das stellt sie ja auch selbst gern heraus. Zwar kein so schönes Motiv aber ich finde Rot/rot trotzdem richtig, spannend und versprechend, nicht zuletzt weil die Grünen (überall) sich das mal gut angucken sollten. Wer so zwischen den Welten wandelt, läuft mal Gefahr heimatlos zu werden, es geht wie man sieht auch ohne sie und hoffentlich mit etwas Erfolg. Schwesig hat immerhin was Giffey fehlt, Kompass. Und Selbstvertrauen, das nicht umsonst manche beeindruckt. Weiß was sie tut, eine Stärke der sog. Landesväter und -mütter ist es nicht zuletzt, sich in die Bevölkerung einzufühlen.

      Die Linke kann sich darauf in der Tat noch nicht viel einbilden, ein Ausscheiden ausgerechnet in Schwerin oder Berlin wäre wohl eher der Knockout gewesen. Dabei ist die Fortsetzung in Berlin auch weil viel sichtbarer natürlich wichtiger, das verdanken sie nun wieder den Grünen. Berliner Grünen wohlgemerkt, auch da dürfen andere gern noch mal hinsehen.

      • @Tanz in den Mai:

        Ich finde einen Kompass hat Frau Giffey(Wie immer erscheint dann diese blonde Frau, deren Augen und Worten ich nicht trau) schon -Macht-!



        Prinzipien- ist das auch was für'n Arzt.



        Trifft auch in etwas abgeschwächter Form für Manuela Schwesig zu.

      • @Tanz in den Mai:

        Ist mir lieber, als, um mit Fips Asmussen zu sprechen, Hitler in Bonn empfangen. Und: es gab und gibt genug Länder mit antisozialistischer Ordnung, in denen der Knüppel locker sitzt. Dafür haben wir uns in Deutschland gestritten, ob der Knüppelschlag eines Polizisten ein Verwaltungsakt ist. Yippi...

    • @Ringelnatz1:

      Ja nun. Polytechnik finde ich schon gut. POLYTECHNIK🤩

      • @Bunkerratte:

        Juti Bunki;-)!

        Icke bin ja sowat von nem alten Polytechniker!



        Icke bin auch Plaste und Elaste!