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Koalition will „vegan“ definierenRegierung stellt die V-Frage

Union und SPD fordern eine EU-weite Definition von „vegan“ und „vegetarisch“. Die Fleischindustrie befürchtet verwirrte Verbraucher.

Was vegan und vegetarisch genau bedeutet, ist gesetzlich nicht geregelt Foto: dpa

Berlin taz | Vegetarische Bratwürste, ein veganes Schnitzel – oder doch lieber ein veganer Rollbraten zu Weihnachten? Fleischalternativen aus Soja oder Weizeneiweiß verzeichneten zuletzt ein Umsatzplus von jährlich rund 30 Prozent. Doch was vegan und vegetarisch genau bedeutet, ist gesetzlich noch nicht geregelt. Damit sich das ändert, haben am Freitag Abgeordnete von SPD und Union im Bundestag die Regierung aufgefordert, sich für eine EU-weite Definition von „vegan“ und „vegetarisch“ einzusetzen.

Denn: Nicht überall, wo „vegan“ draufsteht, ist auch ausschließlich Veganes drin. Das Problem sind die sogenannten Verarbeitungshilfsstoffe, die nicht auf der Zutatenliste stehen müssen. Beispielsweise werden Weine und Fruchtsäfte oft mit tierischer Gelatine – also letztlich aus Knochen und Schweineschwarten – geklärt. Veganer und Vegetarier verzichten auf solchen Wein lieber.

Ein Label der European Vegetarian Union, das in Deutschland vom Vegetarierbund (Vebu) umgesetzt wird, bietet VerbraucherInnen momentan Orientierung. Aber: Das Label ist freiwillig. „Wenn Unternehmen ohne das Label den Begriff vegan oder vegetarisch verwenden, ist er nicht gesetzlich geschützt“, sagt Till Strecker vom Vebu.

Diskutiert wurde am Freitag noch ein weiterer Vorschlag der Koalition: „Um Klarheit für die Verbraucher zu schaffen“, so der Antrag, soll die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission eine Leitlinie für vegetarische und vegane Produkte erarbeiten. Über den Inhalt der Leitlinie haben die Koalitionspartner aber unterschiedliche Vorstellungen.

Es geht um die Vurst

Vertreter der Unionsfraktion machen sich Sorgen, dass VerbraucherInnen durch Namen wie „vegane Wurst“ oder „vegetarischer Fleischsalat“ verwirrt werden könnten: „Für mich besteht eine Wurst aus Fleisch“, sagte Alois Rainer, Metzgermeister und CSU-Abgeordneter im Bundestag. Als „Mogelpackung“ bezeichnete die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann vegetarischen Fleischsalat.

Verwirrte VerbraucherInnen befürchten auch der Bauern- und der Fleischerverband: „Wenn ich beispielsweise vegetarischen Schinken kaufe, habe ich eine bestimmte Erwartungshaltung, die nicht erfüllt wird. Darin besteht im Moment die Form der Verbrauchertäuschung“, erklärt Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischerverband.

Man sollte sich nicht nach den Fleischern richten

Elvira Drobinski-Weiß, SPD

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Elvira Drobinski-Weiß hingegen hält es für abwegig, dass Verbraucher davon ausgehen könnten, in einer veganen Wurst sei Fleisch: „Es gibt keine Hinweise aus der Verbraucherforschung, dass diese Begriffe zu Verwirrung führen. Bei der Bezeichnung sollte man sich nicht nach den Fleischern richten, sondern danach, was die Verbraucher wollen“, sagte sie am Freitag. So steht dann auch im Antrag, dass Bezeichnungen für Lebensmittel den „Verbrauchererwartungen“ entsprechen müssen.

Strecker vom Vebu vermutet wirtschaftliche Interessen hinter der Argumentation von Bauern und Fleischern. Das dementiert DFV-Sprecher Jentzsch: „Es gibt keine Konkurrenz“, sagt er und verweist auf die im Vergleich zur Fleischindustrie geringen Umsatzzahlen der Fleischalternativen.

Tatsächlich hatte die deutsche Fleischwarenindustrie nach Angaben ihres Verbandes im Jahr 2015 einen Umsatz von 18,3 Milliarden Euro – mit vegetarischen und veganen Fleischalternativen wurden laut Vebu im selben Jahr 150 Millionen Euro Umsatz gemacht.

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30 Kommentare

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  • 1G
    10391 (Profil gelöscht)

    Hallo Silenz

    " :mit der selben Gewürzmischung wie in Leberwurst, dafür aber gesünder und nachhaltiger "

    Verwechselt du hier Gewürze nicht mit zugesetzten Aromen, die siche nicht soo gesund sind ?

  • Was ist in unserer Wurst nicht alles drin: Glukose, Glukosesirup, Zucker, Farbstoffe, Aromastoffe, Palmöl, all so'n Zeug was da unserer Ansicht nach nicht hineingehört. Da soll sich jemand beschweren wenn statt Fleisch Soja drin ist? Das merken die doch gar nicht! Da kommt der Geschmack sowieso nicht mehr her!

     

    Die sollen erst mal richtige richtige Wurst herstellen bevor sie alternative Wurst umbenennen dürfen.

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Wurst Käs Szenario

  • Ich sehe kein Verwirrungspotenzial. Wenn "vegetarisch" oder "vegan" daraufsteht: Bogen drum, wer partout Fleisch essen möchte.

     

    So mache ich es jedenfalls, wenn mir nach Fleisch ist, und den Mitmenschen, der damit intellektuell überfordert wäre, kann ich mir nur sehr schwer vorstellen.

  • Alkoholfreies Bier ist auch so eine fiese Verbrauchertäuschung

    • @Jens Däumel:

      Fleisch-"Käse" und "Tee"-Wurst!

      (hab ich mich als Kind immer drüber gewundert)

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Jens Däumel:

      So eine fiese - wie bspw. Sandkuchen...

  • Die Industrie täuscht die Konsumenten, indem sie vermeintlich vegane und vegetarische Produkte bei der Herstellung mit Fleisch kontaminiert (Gelatine), aber gleichzeitig will die Industrie die Menschen für so dumm verkaufen, dass sie nicht den Unterschied zwischen veganer und Fleischwurst erkennen? Echt jetzt?

  • Die Milchlobby hat es geschafft, die Begriffe "Sojajoghurt" und "Sojamilch" zu verbieten, was zu der absurden Situation führt, dass sich die Hersteller Bezeichnungen ausdenken (lassen) müssen, die kein Verbraucher verwenden würde. Das schafft Verwirrung!

    • @Ivande Ramos:

      Mit der veganen Wurst ist es wie mit der milchigen Flasche. Der Inhalt wird nicht über die Hülle oder die Form definiert.

    • @Ivande Ramos:

      In der europäischen „Verordnung (EWG) Nr. 1898/87 des Rates über den Schutz der Bezeichnung der Milch und Milcherzeugnisse bei ihrer Vermarktung“ in Artikel 2 steht, dass „die Bezeichnung ‚Milch‘ ausschließlich dem durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug, vorbehalten" ist.

       

      Dieses Verbot kommt aber bei anderen völlig milchfreien Produkten, wie "Kokosmilch", "Mandelmilch" oder "Sonnenmilch" offenbar gar nicht zur Anwendung. Nur bei Soja.

       

      Wahrscheinlich, weil es schlicht absurd ist.

       

      Ey, ihr EU-Bürokraten, fahrt doch bitte mal nach Silzilien und erklärt den dortigen Bewohnern, dass sie ihre seit dem Mittelalter bekannte und unter anderem auch als Heilmittel (bei Durchfallerkrankungen) angewendete "latte di mandorla" ab sofort nicht mehr unter dieser Bezeichnung anbieten dürfen.

       

      Viel Spass und ich hoffe, ihr könnt gut schwimmen...

  • vegan = genmanipulierte Sojascheiße wofür schon millionen ha Regenwald gerodet worden sind,

    aber die Welt retten wollen

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @tomas:

      So viel Soja kann ich gar nicht fressen, dass ich die Kraft aufbringen könnte, dir zu erklären, weshalb deine Argumentation #postfaktisch ist...

    • @tomas:

      Über 80 Prozent dieses Sojas gehen in die Tierhaltung. Bitte erst informieren und dann sprechen.

      • @pinky:

        Über 80% des Abfallprodukts der Sojabohnenverarbeitung geht als Kraftfutter (Eiweiß) in die Tierhaltung...ansonsten müßte man das Zeug halt einfach wegschmeißen. Niemand baut Soja für Tierfutter an, das wäre das Minusgeschäft schlechthin.

    • @tomas:

      Genau! Lieber weiter Tiere quälen!

    • @tomas:

      Vegan = ohne tierische Inhaltsstoffe. Sonst nix.Tierfutter = genmanipulierte Sojascheiße wofür schon millionen ha Regenwald gerodet worden sind,

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    So lange viele "Verbraucher" intellektuell nicht in der Lage sind, Mehrweg- von Einwegflaschen zu unterscheiden, ist doch im Grunde genommen eh alles wurst.

  • Auf Seiten der Fleischer scheinen tatsächlich eher Unsicherheiten über die Definition von "Fleischsalat" und "Wurst" vorzuliegen. Jedenfalls hängen sie sich nur daran auf und sprechen gar nicht über "vegan" oder "vegetarisch".

    Im Übrigen habe ich noch nie ein Produkt gesehen, dass tatsächlich als "vegetarischer Fleischsalat" gekennzeichnet ist. Meist steht da so etwas wie "wie Fleischsalat".

  • Finde ich eine gute Sache.

    Man muss ja den Verbraucher aufklären. Nicht, dass er sich verwirren lässt wenn "Wurst" draufsteht aber Tofu drin ist.

  • 6G
    65522 (Profil gelöscht)

    Ich schlage zuerst ein neues Forschungsthema vor: "Der Einfluss von Fleisch an der Menschwerdung des Affen" Vieles wäre uns erspart geblieben, und auch dem Planeten.

    Solange nicht ein Produkt mit dem Namen Teewurst und ganz klein darunter (enthält keine tierischen Eiweiße) in den Regalen auf Verbraucher lauert. sollte jedes Lebensmittelgeschäft dem steigenden Bedarf an veganen Lebensmitteln mit eindeutiger Produktbezeichnung Rechnung tragen.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    In dem Landwirtschaftsminister Schmidt ist Wurst und Lobbyismus drin und Abneigung gegen Veganer auch.

    Herr Schmidt ist nun mal der Anwalt der Tierzüchter und Tierschlächter und will mit den Pflanzen/Gemüse- und Salatessern nichts zu tun haben.

    2017 gibt es wieder eine Wahl. Liebe FreundInnen, wählt Tier oder Schmidt.

  • Man sollte natürlich nicht nur gegen vegane Wurst sprachlich vorgehen, sondern auch gegen die Sandbackformen. Letztens hat mich doch ein Dreijähriger glatt dazu gebracht, herzhaft in den vermeintlichen Kuchen reinzubeißen!!!

     

    :-)

     

    Ernsthaft, für mich ist Wurst zuallererst eine Form, zylindrisch rund, meist leicht gebogen. Was drin ist, muß ich eh genau gucken, Leberwurst, Salami, Eintopf in Pelle ... . So lange "vegan" etc. nicht als Lügensternchen unten versteckt ist und oben groß Leber steht, habe ich damit auch kein Problem, ich will ja eh Schwein, Geflügel oder Rind lesen.

     

    Wahrscheinlich ist der größte Bammel, den die Metzger haben, daß auch sie draufschreiben müssen: Rinderleberwurst, 12,5 % Fleischanteil, davon 2,5 % Rind.

  • Tatsächlich ist es völlig bescheuert und DUMM, wenn Lebensmittel einen Namen haben, den sie nicht im Ansatz erfüllen.

    Wer "schmeckt wie Leberwurst" essen möchte, sollte Leberwurst essen, dass nervt mich schon seit vielen Jahren die ich nun vegan bin. vegetarischer Brotaufstrich reicht doch vvöllig, kleingedruckt kann ja dann noch:mit der selben Gewürzmischung wie in Leberwurst, dafür aber gesünder und nachhaltiger ;) stehn

    Ich brauche auch keine "vegane Ente" beim Thai,- frietierter Seitan klingt doch auch gut.

    WEr WERT augf seine Ernährung legt, kauft diese Produkkte auch, wenn sie so heißen, wie sie sind.

    Trotzdem sollten sich die Fleisch- Großindustriellen besser Gedanken machen, wie sie artgerechter und nachhaltiger Masse Produzieren,

    als sich Gedanken über mögliche Umsatzeinbusen zu machen, weil etwas plötzlich kein Massentierhaltungsprodukt sein muss, sondern durch die Verarbeitung von Getreide auf dem ersten Weg (also nicht durch Tiere hindurch!) in den Regalen und Mägen der Menschen landet und TROTZDEM oder gerade deswegen lecker ist!

    FTS, jeden Tag n bisschen!

    • @SilenZ:

      "Wer "schmeckt wie Leberwurst" essen möchte, sollte Leberwurst essen"

       

      Warum? Bzw. warum stört dich das? Ich finde zwar auch, dass man diese Ersatzprodukte nicht unbedingt braucht, und gesund sind sie auch nicht, nur weil vegan. Aber wenn man mal Bock drauf hat?

  • "Vegane Wurst" ist sprachlicher Unsinn, aber auch marketingtechnisch die größte Dummheit, die man machen kann, wird dadurch doch die "echte" Wurst als geschmackliches Optimum festgelegt.

    Der typische Wurstesser probiert´s dann einmal, stellt fest, schmeckt nicht genau so wie die Würste, die er seit seiner Kindheit futtert, und lässt es dann für alle Zeiten sein. Kurzer Hype und dann rückläufige Umsätze.

  • „vegetarischer Fleischsalat“ - das ist irgendwo nur noch lächerlich.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @yohak yohak:

      Ja, es ist sogar sehr lächerlich. Aber ich finde es trotzdem als eine legitime Möglichkeit, die Menschen, die bisher noch gar nichts verstanden haben, zum Nachdenken oder zu einer Veränderung ihres Konsums zu verleiten.