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Koalition will Geflüchtete aufnehmen„Besonders schutzbedürftig“

Die Spitzen der Koalition in Berlin haben sich endlich geeinigt: Bis zu 1.500 Minderjährige aus griechischen Lagern sollen aufgenommen werden.

Lesbos, 28. Februar: Kinder aus Afghanistan kommen am Strand von Skala Sikamias an Foto: Costas Baltas/reuters

Berlin dpa/epd | Angesichts der Not der Flüchtlinge in Griechenland wollen Union und SPD besonders schutzbedürftige Kinder in Deutschland aufnehmen. Das entschieden sie im Koalitionsausschuss in der Nacht auf Montag. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer geht davon aus, dass sich neben Deutschland noch weitere Länder einer entsprechenden europaweiten „Koalition der Willigen“ anschließen werden. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich noch weitere Länder beteiligen. Darunter sei augenscheinlich auch Frankreich. Daher sei sie sehr zuversichtlich, dass die „Koalition der Willigen“ aus mehr als zwei Länder bestehen werde, sagte sie im Deutschlandfunk.

Die Spitzen von Union und SPD setzen nach den Worten von Kramp-Karrenbauer auf eine „Koalition der Willigen“, um gemeinsam mit weiteren europäischen Ländern besonders hilfsbedürftige Flüchtlingskinder von griechischen Inseln aufzunehmen. Es gehe dabei um 1.000 bis 1.500 Kinder und Jugendliche, sagte Kramp-Karrenbauer am Montag im Deutschlandfunk nach entsprechenden Beratungen im Koalitionsausschuss in der Nacht in Berlin.

Griechenland soll bei der „schwierigen humanitären Lage von etwa 1.000 bis 1.500 Kindern auf den griechischen Inseln“ unterstützt werden. Es handelt sich laut dem Koalitionsbeschluss um Kinder, die schwer erkrankt oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre seien. Auf europäischer Ebene werde derzeit verhandelt, um die Übernahme dieser Kinder zu organisieren.

Nach den Worten der CDU-Vorsitzenden ist es Aufgabe der EU-Innenminister, über das Verfahren zur Aufnahme zu verhandeln. „In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen“, teilte die Koalition mit. Angesichts der anhaltenden Kämpfe im syrischen Idlib hieß es, dringend benötigte humanitäre Hilfe müsse vor Ort gebracht werden – Deutschland habe aktuell 125 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt.

Saskia Esken begrüßt Hilfen für Geflüchtete

SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich auf Twitter „froh“, dass Deutschland sich nun an einer EU-Koalition der Willigen angemessen beteiligen werde. Sie räumte im „Morgenmagazin“ des ZDF ein, dass weiterhin auch die Versorgung in den griechischen Lagern unterstützt werden müsse. Gleichwohl sei sie froh über die Entscheidung im Koalitionsausschuss sowie die entsprechende Bereitschaft mehrerer EU-Mitgliedsländer.

Esken sagte zudem, dass möglicherweise auch die Mittel für die Türkei aufgestockt werden müssten. Auch dort sei die Zahl der Flüchtlinge gestiegen, die von der Türkei gut untergebracht und versorgt würden, sagte sie vor einem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Abend in Brüssel.

Angesichts der Lage der Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze forderte Diakoniepräsident Ulrich Lilie, auch von dort unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sofort aufzunehmen. Griechenland müsse entlastet werden, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung (Montag).

„So weit wie irgend möglich muss die Aufnahme europäisch koordiniert sein, aber wir können jetzt nicht warten, bis auch der letzte Mitgliedstaat die Brisanz der Lage erkannt hat“, sagte der Präsident der Diakonie Deutschland. „Unsere Werte sind mit den derzeitigen Zuständen in Griechenland, ob auf den Inseln oder an der Grenze, nicht in Einklang zu bringen“, fügte Lilie hinzu.

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5 Kommentare

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  • Ein beschämender Minimalkonsens. Ich wünsche mir eine menschliche und kindgerechte Lösung. Der Beschluss legt den Fokus auf die Aufnahme unbegleiteter Kinder. Er klingt jedoch so, als sollten schwer erkrankte Kinder, die Eltern haben, also begleitet sind, ohne ihre Eltern aufgenommen werden. Was ist daran kindgerecht? Stellen Sie sich mal vor, Sie säßen mit Ihrem 4- oder 8-jährigen schwerkranken Kind in einem Lager und man würde Ihnen sagen: "Ihr Kind können wir mitnehmen, aber Sie müssen leider hierbleiben." Für Sie als Eltern wäre das sicher schlimm, aber für Ihr Kind wäre es noch viel schlimmer. Ich erinnere mich noch, wie schlimm es für mich war, als ich als 8-jährige gegen meinen Willen von meiner Familie getrennt wurde. Die meisten Erwachsenen können sich nicht mehr an ihre Kindheit erinnern, aber ich finde es wichtig, das zu können, denn wer politische Entscheidungen fällt, die Kinder betreffen, sollte sich in die Kinder hineinversetzen können. Denken Sie an die mexikanischen Kinder, die Trump von ihren Eltern trennen und in Lager internieren lässt. Das ist eine Politik von Erwachsenen für Erwachsene, die komplett an Kindern und ihren Bedürfnissen vorbeigeht. Und der Beschluss der Koalition tut das zum Teil auch.



    Kinder erleben Trennungen von ihren Eltern immer als Gewalt. Unglaublich, dass den Abgeordneten das nicht klar ist. Das stundenlange Ringen um den Beschluss zeigt deutlich, wie empathielos unsere Abgeordneten Politik machen, ganz unabhängig davon, welcher Partei sie angehören. Und dann auch auf dem Rücken notleidender Kinder Sympathiepunkte sammeln, so nach dem Motto "Hey, wir sind nicht herzlos, wir tun doch was, zumindest für die Kinder!" Einfach nur traurig und beschämend.

  • Ich verstehe weiterhin nicht, in bisher keinem Beitrag, den ich gelesen habe wurde das aufgegriffen, was mit den Eltern der Kinder ist, die nicht unbegleitet sind.



    Werden die auch aufgenommen, oder werden sie von ihren Eltern getrennt? Warum diese unzulängliche Berichterstattung? Weil Erwachsene zu retten nicht diskursfähig ist, oder was?

  • Jetzt braucht die EU schon eine "Koalition der Willigen", um Kinder aus der Not, Hunger, Krankheit und Schutz vor Vergewaltigungen zu retten! Es sind ja nicht die eigenen Kinder, die unter diesem europäischen Humanismus und seinen "Werte" leiden müssen.

    Die Begründung ist noch widerlicher als die geringer Zahl der Kinder, denen geholfen werden soll.

    • @Drabiniok Dieter:

      Das stimmt, ich hätte erwartet, dass das Griechenland allein hinbekommt.

  • Gute Entscheidung! War längst überfällig.