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Koalition uneins über Asyl-BeschlüsseCDU kritisiert „Hü und Hott“ der SPD

Die Äußerungen von Sigmar Gabriel zum Familiennachzug für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sorgen für Unmut. Die Union keift zurück.

Sind nicht glücklich mit der SPD – und lassen die Welt daran teilhaben: Julia Klöckner und Thomas Strobl Foto: dpa

Berlin dpa | Trotz neuer Irritationen in der SPD über das gerade erst auf den Weg gebrachte Asylpaket II bestehen Unionspolitiker darauf, den Familiennachzug für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auszusetzen. „Wir wollen nicht, dass es das neue Geschäftsmodell der Schlepper wird, Teenager zu schleusen, die dann ihre Eltern nachholen“, sagte CDU-Vize Thomas Strobl der Bild am Sonntag. Daher sei in der Koalition vereinbart worden, den Familiennachzug für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte komplett auszusetzen.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der Zeitung, das Vorhaben sei in der Koalition „ohne Wenn und Aber“ beschlossen worden. Den Koalitionspartner kritisierte er scharf: „Da ist jeder Karnevalsverein besser organisiert als die SPD.“

Nur wenige Tage nach dem Beschluss zum Asylpaket II im Kabinett hatten am Samstag Äußerungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel für Verwirrung gesorgt. Das ARD-Hauptstadtstudio zitierte den Vizekanzler mit den Worten, die Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sei nicht mit ihm verabredet gewesen. Vertreter der Union äußerten sich daraufhin „sehr verwundert“. Die Opposition reagierte mit Spott auf die neuen Querelen.

Die Koalitionsspitzen hatten sich erst vergangene Woche auf das Gesetzespaket verständigt. Am Mittwoch hatte das Kabinett die Pläne beschlossen. Darin ist unter anderem vorgesehen, für bestimmte Flüchtlingsgruppen den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen. Gelten soll dies für „subsidiär Geschützte“ – eine derzeit nur kleine Gruppe unter den Flüchtlingen. Es handelt sich um Menschen, die sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch wegen Gefahr für Leib und Leben vorläufig in Deutschland bleiben dürfen.

Klöckner macht Wahlkampf

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte der dpa zu dem neuen Hickhack, für schnelle Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik seien verlässliche Partner nötig. „Die SPD hat das Asylpaket II schon drei Monate lang ausgebremst und ist sich offenbar immer noch nicht sicher, was sie will. Zeitgleich machen Herr Gabriel und Frau Dreyer markige Sprüche und fordern mehr Tempo.“ Klöckner weiter: „Hü und Hott – wir dürfen uns nicht wundern, wenn Populisten daraus Kapital schlagen.“

Die SPD hatte sich noch am Samstag bemüht, die Wogen zu glätten. Aus Parteikreisen hieß es, die Sozialdemokraten stünden weiter zu dem vereinbarten Asylpaket. Es gebe lediglich juristische Unklarheiten, ob die Beschränkung beim Familiennachzug auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelte. Und dies werde innerhalb der Koalition nun schnell und unaufgeregt geklärt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollte das noch am Wochenende passieren.

Koalitionsstreit gibt es auch weiter beim Thema Integration von Flüchtlingen: SPD-Generalsekretärin Katarina Barley warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hier Untätigkeit vor und forderte sie auf, ein Konzept zu präsentieren. „Die CDU hat bis heute kein Integrationskonzept vorgelegt, wir haben das schon vor Monaten getan“, sagte Barley der Welt am Sonntag. „Wir unterstützen Frau Merkel, wenn sie sagt: „Wir schaffen das.“ Aber außer diesem Satz kommt nichts von ihr.“

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7 Kommentare

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  • Da hat der Scheuer ja ausnahmsweise völlig recht. Eine gut organisierte SPD hätte das Karnevalspaket II nie und niemals unterschrieben. Kein Wunder, wenn die Populistin Klöckner jetzt daraus Kapital schlagen will. Schließlich geht es hier doch vor allem um ihre Zukunft. Für eine Rückkehr als Weinkönigin ins Bierzelt dürfte sie mittlerweile wohl doch zu alt sein.

  • Deine, meine, unsere Kinder.

     

    Zumindest ist jetzt klar: Lieber lässt die Union 5.000 Kinder irgendwo im Nirgendwo verschwinden, als dass sie deren ausländischen Eltern erlaubt, sich zu kümmern um den eigenen Nachwuchs. Auch eine Einstellung zur eigenen Rolle und Bedeutung: Man muss sie gar nicht ausfüllen, um sie zu beanspruchen. Sollte mit die Union noch mal erzählen wollen, Familie ginge ihr über alles, werde ich laut und hysterisch lachen, schätze ich. Über alles geht ihr Deutschland. Vermutlich singt sie das sogar, wenn's keiner hört.

     

    Was aber Sigmar Gabriel angeht, so kann man ihm in diesem ganz speziellen Fall vermutlich ausnahmsweise mal nicht "Hüh und Hott" vorwerfen. Er unterscheidet schließlich grundsätzlich zwischen Aufgaben, die andere für ihn erledigen können, und solchen, die er selbst erledigen müsste. Erstere scheinen ihm fast immer lieber zu sein. Die CDU ist nicht so pingelig. Die widerspricht sich notfalls selbst, wenn es der Restriktionszielstellung dient.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Was ist denn bei CDU/CSU anders als bei der sPD? Diese Machterhaltungskoalition gehört aufgelöst und davongejagt. Bei dieser GroKo gibt es keine Sehenden, nur hie und da eine/n Einäugigen...

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Wunderbar! Und wer soll es stattdessen machen? Etwa Sie selber, ein "guter" Diktator, eine unfehlbare Partei,(welcher Couleur auch immer)? Gibt es in diesen schwierigen Zeiten wirklich jemanden, der den Durchblick hat und sämtliche Probleme lösen kann? Wer sind denn die "Sehenden"?

      Auch wenn die GroKo wahrlich nicht das Gelbe vom Ei ist, besser als die derzeit realistischen Alternativen ist sie allemal.

      • 1G
        1714 (Profil gelöscht)
        @Joba:

        Wieso kommen Sie darauf, ich wollte es selber machen? Was soll das? Eine unfehlbare Partei gibt es nicht, doch diese Parteien der GroKo beweisen täglich (!), dass sie es NICHT können. Die sind ausschließlich am eigenen Erfolg orientiert, nicht an dem der Bevölkerung. Es wäre in der Tat gut und richtig, diese veklebte Masse mal richtig durchzuschütteln. Oder wollen Sie, dass der Stillstand, die Uneinsichtigkeit, die Egomanie noch ein paar Jahrzehnte so weitergehen?

        • @1714 (Profil gelöscht):

          Sie reden von "davonjagen" und wenn ich jemanden davonjage, tritt unvermeidlich jemand anderes an die Stelle. Nun kann ich mir alles mögliche wünschen, aber so lange niemand (auch ich selber nicht) in der Lage ist, meinen Wünschen wirklich zu entsprechen, bin ich mit Kraftausdrücken wie davonjagen zurückhaltend. Denn auf gar keinen Fall möchte ich, dass sich wiederholt, was 1933 schon einmal geschehen ist und wofür hinterher niemand verantwortlich sein wollte. Da wurden nämlich Leute, die es, mit Ihren Worten gesagt, nicht konnten, davongejagt und von anderen ersetzt, die ein Trümmerfeld hinterlassen haben. Mein Vorschlag ist, statt Polemik, ernsthaft Lösungsansätze für die vertrackte Lage zu diskutieren. Weil ich selbst kein Patentrezept habe, kann ich es auch nicht von ParteipoitikerInnen, die auch nur Menschen sind, mal ebenso insistierend einfordern und sie bei Unfähigkeit "davonjagen". Demokratie setzt eigene Beteiligung voraus. darauf zielte meine von Ihnen mit Unverständnis abgelehnte Frage, ob Sie es selber besser machen wollen, ab.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Der Scheuer, ausgerechnet: „Da ist jeder Karnevalsverein besser organisiert als die SPD.“

     

    Recht hat er, trifft aber doch auf alle Parteien zu, v. a. der GroKo.