Klimaschutz: Ein wenig grüne Hoffnung
In den USA, Australien und Brasilien ist der Klimaschutz plötzlich wieder wichtig. Was aber fehlt, sind schnelle, radikale Maßnahmen.
B rauchen Sie mal eine gute Nachricht vom Klima? Bitte sehr: Das „Inflations-Bekämpfungs-Gesetz“, das der US-Kongress am Freitag nach Redaktionsschluss endgültig beschließen wollte, pumpt nicht nur 370 Milliarden Dollar über die nächsten Jahre in die grüne Infrastruktur der USA, sondern auch Hoffnung in die globalen Klimaverhandlungen. Und auch anderswo scheint die Vernunft zu siegen: Die EU plant ihr ehrgeiziges Klimapaket; Australien stellt sich unter dem neuen Labor-Premier Anthony Albanese endlich der Realität im Treibhaus; in Brasilien könnte eine Abwahl des ökofeindlichen Präsidenten Bolsonaro dem Amazonas-Regenwald eine Atempause verschaffen; in Kolumbien verspricht der neue Präsident Petro einen ökosozialen Kurs und weltweit fallen die Preise von Sonnen- und Windkraft weiter.
Gute Zeichen für den Klimaschutz also. Aber werden sie ausreichen, um das festgefügte fossile System ernsthaft zu erschüttern? Zumindest für die Klimaverhandlungen in drei Monaten in Ägypten haben sich die Aussichten verbessert. Doch in Scharm al-Scheich wird es nicht um neue Regeln gehen, sondern um eine konkrete Umsetzung des Pariser Abkommens: schnelle Schnitte bei den CO2-Emissionen, zuerst in den Industrieländern; finanzielle und technische Hilfen für die Schwellen- und Entwicklungsländer beim Aufbau einer CO2-armen Infrastruktur; Unterstützung bei der Anpassung an den Klimawandel und Schadensersatz für arme Länder, die nichts zur Klimakrise beitragen, aber von ihr am härtesten getroffen werden.
Bei diesen konkreten Schritten wird das Bild schon deutlich trüber. Die ab 2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich haben die Industriestaaten immer noch nicht geliefert; beim Schadensersatz hängen die Gespräche fest; die Emissionsreduktion geht viel zu langsam und zu zaghaft. In der Krise greifen die alten Mechanismen: Hohe Energiepreise gelten als gefährlich, statt sie fürs Energiesparen zu nutzen; fossile Industrien wie Fluggesellschaften werden als systemrelevant subventioniert, statt sie entschlossen umzubauen; soziale Ungleichheiten werden zum Killerargument gegen Klimaschutz, statt sie mit ökosozialer Umverteilung zu kontern; die Lobbyinteressen der Fossilen und der Agrarindustrie bremsen den Umbau, auch und vor allem in den wichtigen Ländern China, Indien, Indonesien, Brasilien oder Südafrika, von den Ölstaaten ganz zu schweigen.
Unter der Oberfläche von positiven grünen Nachrichten rast der globale Verbrennungsmotor also weiter. Ob es gelingt, ihn zu drosseln, hängt an vielen Faktoren gleichzeitig: Machen die G7 endlich Ernst mit dem Umbau ihrer Volkswirtschaften – und ziehen sie die G20 mit? Bekommen China und Indien ihren irren Kohleboom mit teuren Überkapazitäten und politischer Korruption in den Griff? Wie schnell sehen die Länder in Afrika, dass ihre Zukunft nicht in neuen Gasfeldern, sondern in den Erneuerbaren liegt?
Die Bedingungen für eine grüne Revolution waren nie besser, die Zeiten nie drängender. Es gibt inzwischen die Technik, das Wissen, das Bewusstsein und das Kapital für eine kohlenstoffarme, gerechtere Welt. Was fehlt, ist die Abschaltung und Entsorgung des fossilen Systems, das unsere Zukunft verbrennt. Bisher heißt Klimapolitik in fast allen Ländern, vorsichtig kleine Schritte zu machen, die niemandem wehtun. Aber um die billionenschweren Industrien der fossilen Energien zu zügeln, braucht es mehr Mut: Ein allgemeiner CO2-Preis für die G20 wäre ein erster Schritt. Ein völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot fossiler Energien wäre sinnvoll, ein weltweiter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mit Kompensationen für die Produzentenländer ebenso.
Weder reale Klimakatastrophen noch eine Pandemie mit ihren globalen Konsequenzen haben solche radikalen Schritte bewirkt. Klima-Schockreaktionen wie das Abreißen des Golfstroms (wie im Film „The Day after Tomorrow“) sind bereits im Gange, aber bislang in Zeitlupe. Um aber die Erderhitzung in der Nähe von zwei Grad zu halten, sind drastische Maßnahmen auf globaler Ebene nötig. Da sind 370 Milliarden Dollar und ein paar Regierungswechsel Hoffnungszeichen, aber nur ein kleiner Anfang.
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