Klimaschädlicher Tourismus: Weg mit den Kreuzfahrtschiffen
Amsterdam ist beliebter Anlageort für Ozeanriesen, doch die Stadt will sie künftig verbannen. Sie brächten zu viele Touristen und schadeten dem Klima.
Verantwortlich dafür: die Klima-Aktivist*innen von Extinction Rebellion. Es ist kein Geheimnis, dass Kreuzfahrtschiffe aus ökologischer Sicht eine Zumutung sind. „Untragbar für Klima, Umwelt und Gesundheit“ nannte der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sie, und im kürzlich veröffentlichten Kreuzfahrtranking 2023 heißt es: „Kreuzfahrt und Klimaschutz kommen nicht zusammen.“ In Rostock-Warnemünde hinderten Aktivist*innen in Schlauchbooten und Kajaks im Juni ein Schiff der Aida-Flotte mehrere Stunden lang am Auslaufen.
In Amsterdam aber will die Stadtregierung nun eingreifen, um den Verkehr der Kreuzfahrtschiffe zu regulieren: Eine Mehrheit des Stadtrats nahm letzte Woche einen Antrag der liberalen Partei Democraten66 an, um besagtes Terminal, östlich vom Hauptbahnhof an einem Seitenarm des IJ gelegen, an einen anderen Standort außerhalb des Zentrums zu verlagern.
Fraktionsvorsitzende Ilana Rooderkerk sagte, das Terminal für Kreuzfahrtschiffen passe nicht zu den „nachhaltigen Ambitionen“ Amsterdams und dem Plan, die Zahl der Touristen in der Stadt zu reduzieren. Nicht zum ersten Mal überschneiden sich hier mehrere Diskurse, wenn es in der stark überlaufenen Hauptstadt um das Thema Übertourismus geht.
Tourist*innen „konsumierten“ die Stadt, hätten aber für diese wenig Bedeutung
In diesem Fall geht es um die deutliche Beschränkung der Besucher*innen-Zahlen, was sich die derzeitige linke Stadtregierung und Bürgermeisterin Femke Halsema unmissverständlich auf die Fahnen geschrieben haben, und zugleich um Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Halsema, einst Parteichefin und Fraktionsvorsitzende der Partei GroenLinks im niederländischen Parlament, sagte letztes Jahr in einem Podcast der Zeitung NRC Handelsblad, Kreuzfahrt-Tourist*innen würden einige Stunden lang in der Stadt „losgelassen“, äßen währenddessen bei internationalen Ketten und hätten keine Zeit für Museumsbesuche. Dadurch „konsumierten“ sie die Stadt, hätten aber für diese wenig Bedeutung.
Diskussionen um einen neuen Standort des Terminals gibt es seit 2016. Aktuell spielt noch ein weiterer Aspekt mit: die schnell wachsende Stadt will die nördlich des Flusses IJ gelegenen Teile besser anbinden, weshalb im Rathaus seit Langem über eine zusätzliche Brücke nachgedacht wird.
2021 empfahl eine Stadtplanungskommission, das Terminal zu diesem Zweck in den weit vom Zentrum entfernten Hafen zu verlegen. Ozean-Kreuzfahrtschiffe könnten unter einer Brücke nicht passieren, betonte auch D66-Fraktionsvorsitzende Rooderkerk.
Pläne zu CO₂-Reduzierung der Schiffe sind nun hinfällig
Was die Nachhaltigkeit betrifft, sollten vor Anker liegende Schiffe am aktuellen Standort ab 2025 ans lokale Elektrizitätsnetz angeschlossen werden und damit grünen Strom benutzen, sodass sie während der Liegezeit ihre eigenen Motoren ausstellen können. Laut der Tageszeitung Het Parool würden damit nahezu 75 Prozent der Feinstoffemissionen und 70 Prozent des CO₂ eingespart. Es sind aber noch nicht alle Kreuzfahrtschiffe dafür ausgerüstet. Durch den Umzug sind diese Überlegungen nun hinfällig.
„Amsterdam geht es besser ohne Cruise-Schiffe“, zitieren niederländische Medien Stadtratsmitglied Rooderkerk. Diederik Boomsma, Stadtrat der oppositionellen Christdemokraten, verwies hingegen auf die genannte Nutzung lokaler Elektrizität, um die Verschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe zu senken – eine Option, in die bereits „kräftig investiert“ werde und die ab 2030 für Seekreuzfahrtschiffe innerhalb der EU obligatorisch ist.
Wo das Terminal mitsamt Hotel, Gastronomie und Eventzentrum, an dem dieser Tage viel Betrieb herrscht, künftig angesiedelt werden soll, ist noch unklar. In einem Plädoyer wandten sich Rooderkerk und ihr Fraktionskollege Rob Hofland auch gegen den Hafen als neuen Anlegeplatz der „schwimmenden Wohnblöcke“, da dort ein neues Wohngebiet geplant ist. Klar ist nur: es soll sich um einen Ort „außerhalb der Stadtgrenzen“ handeln.
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