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Einsatz fossiler BrennstoffeKreuzfahrt bleibt Klimasünde

Die schwimmenden Hotels sind trotz Bestrebungen der Branche für die Umwelt weiterhin nicht zu empfehlen. Das zeigt das Nabu-Ranking 2024.

O Captain! My Captain! Foto: Bodo Marks/dpa

Berlin taz | Auch 2024 bleibt die Kreuzfahrtbranche Klimasünder. Die Reedereien bemühten sich zwar, aber auch in diesem Jahr werde keine Kreuzfahrt angeboten, die die Umwelt nicht belastet. Der Einsatz fossiler Brennstoffe sei dafür Hauptursache, stellt der Naturschutzbund Deutschland im Kreuzfahrtranking 2024 am Dienstag in Hamburg fest. Dieses Jahr hatte er bei insgesamt 12 Reedereien Einblick in ihre Klimaambitionen.

Spitzenreiter des Rankings sind wie die letzten beiden Jahre die Norweger: Die Anbieter Hurtigruten und Havila gehen laut Nabu mit bereits umgesetzten Maßnahmen zur Emissionsminderung den vielversprechendsten Weg. Beide Anbieter reduzierten ihren Kraftstoffbedarf durch Maßnahmen wie technische Umbauten und langsameres Fahren effizient.

Anbieter wie Mein Schiff (TUI) und Aida liegen im Mittelfeld. Beide gelten als Innovationstreiber bezüglich alternativer Antriebsformen: Die Mein-Schiff-Flotte von TUI Cruises soll mit grünem Methanol laufen, einer klimaneutralen Treibstoffalternative, die laut Fraunhofer-Institut als Schlüssel gilt, um Industrien aus der Abhängigkeit von Erdöl zu befreien.

Dem Nabu-Schifffahrtsexperten Sönke Diesener geht die Transformation der Branche dennoch „viel zu langsam!“. Weiterhin leiden Klima und Umwelt unter dem Einsatz dreckiger, fossiler Kraftstoffe. Aktuell streben acht der zwölf Reedereien an, erst 2050 klimaneutral zu fahren. Das sei „weder akzeptabel noch vermittelbar – insbesondere für eine Freizeitaktivität“ meint Diesener. Eigentlich hat die Bundesregierung Treibhausgasneutralität bis 2045 im Klimaschutzgesetz verankert. Es sei an der Zeit, „dass die Reedereien endlich das Steuer herumreißen“, meint Daniel Rieger vom Nabu.

Das Gesamtsystem Schiff muss neu gedacht werden

Zentral für die Klimaneutralität der Branche sei außerdem der Rückgriff auf grünen Landstrom. Reedereien können so während der Hafenliegezeiten komplett auf die Nutzung der eigenen Motoren und die Stromproduktion an Bord durch Schiffsdiesel oder sogar Schweröl verzichten. Schweröl darf innerhalb der EU während der Hafenliegezeiten zwar nur verwendet werden, wenn der Schwefelanteil der Emissionen mittels eines Schwefelwäschers innerhalb der Schiffsschornsteine auf 0.1 Prozent Schwefelgehalt reduziert wird. Außerhalb der EU wird das aber weniger reguliert. Und fahren tun die meisten Kreuzfahrtschiffe weiter mit dem zutiefst schädlichen Brennstoff. Die größte Herausforderung der Branche bleibt also weiterhin die Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen.

Nach Ansicht von Helge Grammerstorf, Chef einer Beratungsagentur der Kreuzfahrtbranche, reiche die Umstellung auf alternative Kraftstoffe und die Ausstattung mit Landstromanschlüssen allein nicht aus. Anbieter stießen selbst bei hohen Investitionen in die Klimaneutralität noch an die „Grenzen der Machbarkeit“: Viele Optionen seien nicht serienreif, die Verfügbarkeit von E-Fuels begrenzt. Auch Übergangstechnologien wie der Betrieb mit verflüssigtem Erdgas (LNG) böten laut Nabu keine Lösung: „Eine LNG-Kreuzfahrt ist mitunter klimaschädlicher als eine Kreuzfahrt mit Diesel.“

Bei einer „Lebenserwartung“ von mehr als 30 Jahren sei davon auszugehen, dass auch im Jahr 2050 noch viele Schiffe im Verkehr sein werden, die die herkömmliche Technik verwenden meint Helge Grammerstorf. „Erfolgreich werden diejenigen Betreiber sein, die das Konzept des Gesamtsystems Schiff ganzheitlich und von Grund auf neu denken.“

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10 Kommentare

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  • "Kreuzfahrt bleibt Klimasünde"



    Wie gut, dass man beichten und sogar Ablass zahlen kann. Die Absolution wird durch Likes in der Timeline und von Social-Media Gruppen erteilt.



    Wer will schon, dass sich etwas verändert? Wird doch alles grün, nachhaltig und klimaneutral. Also bitte: Weiter so!



    Verbietet einfach die Physik; streicht das Fach endlich aus allen Lehrplänen und ersetzt es durch Wirtschaftsreligion.

  • Mich würde der qualitative Vergleich im CO2 Verbrauch zu anderen Urlaubsformen in der Gesamtbilanz interessieren. Also inklusive Unterkunft und weiteren Faktoren.

    Weiterhin würde mich dann der quantitative Vergleich interessieren.

    Ich vermute, dass die ganz ollen Kreuzfahrtschiffe immer noch schlecht abschneiden, dass aber die vielen besseren Kreufahrtschiffe eine mehr oder weniger ähnliche Klimabelastung darstellen wie andere Urlaubs- und Reiseformen.

    Debattiert werden müssen m.E. Urlaubsreisen an sich. Die Fokusierung auf eine Sparte mit geringem Anteil wird auch nur wenig für das Klima erreichen.

  • Die Versorgung mit Landstrom scheint eine machbare Option.



    Alles Andere ist science fiction.



    Es ist aber passend zur Urlaubszeit, dass ein solcher Artikel erscheint, als kleine Erinnerung an Diejenigen, die sich morgens grün waschen und anschließend kurz mal in den Urlaub fliegen, oder oops! ganz zufällig auf einem schwimmenden Hochhaus landen.

    • @Philippo1000:

      "oder oops! ganz zufällig auf einem schwimmenden Hochhaus landen."

      Wären Millionen an schwimmende Kleinfamilienhäusern besser?

      Wer energetisch gut handhabbare Kreuzfahrtschiffe abschaffen will muss wissen, was stattdessen kommt.

  • Es gibt durchaus Nadelstiche, um die Branche zu schnellerem Handeln zu bewegen: Das wären zuerst die Liegegebühren, die an den Ausstoß gekoppelt werden können - je nach Verhalten, z.B. bei der Weichgerung Landstrom zu beziehen.

    Ein weiterer Schritt: Stadtnahe Anleger für Kreuzfahrtschiffe schließen. Das wären sogar zwei Fliegen mit einer Klappe, denn es wäre auch ein Mittel gegen den Overtourism. Meines Wissens praktiziert Amsterdam dies schon.

    Wer jemals in der Nähe eines Anlegers gewohnt hat, weiß um den Geruch dieser Ungetüme.

    • @rakader:

      Das Problem dürfte da sein, dass die meisten Anlegestellen dieser Ungetüme vor dem Zielkonflikt stehen, dass sie eigentlich möglichst attraktiv und praktisch für die Kreuzfahrer rüberkommen wollen, weil sie nunmal zu erheblichen Teilen von denen leben.

      • @Normalo:

        Ich habe so einen Anleger 500 m Luftlinie vor meiner Haustür. Glauben Sie mir, der Zielkonflikt ist mir so was von egal. Zumal ich weiß, dass die Stadt nichts davon hat: gerade mal 2 € bleiben der Stadt pro Passagier - dafür muss sie die Infrastruktur vorhalten.



        Das sind Zahlen unserer Tourismusamtsleiterin und grünen Abgeordneten. Ich muss Ihre Behauptung also zurückweisen: Hier lebt niemand davon - die Reedereien siedeln nicht in der Stadt!

  • Internet bedeutet auch Klimasünde. Durch Kohle/Gastrom produziert das Internet weltweit mehr CO2 wie Flugreisen.

    Das liegt u.a. am Streaming, Gaming, Bitcoinhandel u.m.

    • @Martin Sauer:

      Ja klar, alles Überbordende zerstört unseren Lebensraum, Spazierfahrten, Wegwerfklamotten, Malleflüge, Billigfraß, Junkfood, Elektroschrott, 2-Tonnen+-PKWs, Verpackungsmüll, Werbung generell, Großevents........

  • Ein nicht gerade perfekt gewähltes Beispielbild, zeigt es doch gerade KEIN primäres Kreuzfahrschiff sondern den größten (und effizientesten) Transatlantikliner der Geschichte, der tatsächlich vor allem Passagiere von A nach B bringt und es dabei in Sachen CO2-Bilanz mit dem Flugzeug durchaus aufnehmen können dürfte. ;-)