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Klimaproteste in DeutschlandFridays for Future halbiert

Die Anzahl der Klimaprotestler in Deutschland sinkt. Trotzdem waren Hunderttausende auf den Straßen.

Bei der Abschlusskundgebung von FFF hat das von Greenpeace entwendet „C“ der CdU seinen Auftritt Foto: Christoph Söder/dpa

Berlin/München taz | Hunderttausende haben sich am Freitag in über 500 deutschen Städten an den Demonstrationen für mehr Anstrengungen beim Klimaschutz beteiligt. Insgesamt kamen aber wohl nicht so viele Protestierende wie beim vergangenen Weltklimastreik am 20. September. Fridays for Future (FFF) sprach von 630.000 Protestierenden in ganz Deutschland, im September waren 1,4 Millionen gezählt worden. Damit hat sich die Teilnehmerzahl mehr als halbiert. Anlass der weltweiten Proteste war die ab Montag in Madrid tagende Weltklimakonferenz. Viele Teilnehmer kritisierten das Klimapaket der Bundesregierung.

FFF bewertete die gesunkene Zahl der Teilnehmer nicht. “Am Montag wird Merkel mit leeren Händen zur Weltklimakonferenz nach Madrid fahren“, sagte Sprecherin Annika Rittmann aus Hamburg. Sie wertete die Demonstrationen als „ein klares Zeichen gegen die Arbeit dieser Bundesregierung.“

Freude beim C der CDU

Während die Menschenmasse am Brandenburger Tor darauf wartete, ins Regierungsviertel zu ziehen, hielten 15 Aktivist*innen des BUND das Warten nicht mehr aus und sprangen in die kalte Spree. Teils in Neoprenanzügen, teils nur im Bikini forderten sie aus dem Wasser heraus sofortige Klimagerechtigkeit.

taz klimastreik

Sie streiken: Die Temperaturen steigen. Der Meeresspiegel auch. „Fridays for Future“ ruft am 29.11. zum Klimastreik. Samstag protestiert „Ende Gelände“ gegen den Braunkohleabbau. Und am 2.12. beginnt die UN-Klimakonferenz.

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Am Brandenburger Tor appellierte der Sänger der Band Seeed, Peter Fox, die Bundesregierung solle Verbote für den Klimaschutz beschließen. Es gebe in allen Bereichen des Lebens Regeln, an die man sich halten müssen, sagte er. „Andernfalls begibt man sich auf das Level der Neanderthaler.“

Unter den Demonstrierenden war neben Umweltverbänden und Fridays-Gruppen wie Psychotherapists und Scientist for Future auch das durch Greenpeace aus der CDU-Parteizentrale entwendete C. „Ich freue mich, in so guter Gesellschaft unter so vielen Gleichgesinnten zu sein“, sagte der Mann im C-Kostüm.

In Berlin beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter etwa 60.000 Menschen, die Polizei bezifferte die Zahl der Teilnehmer auf mehrere Zehntausend. Zum Vergleich: Bei der großen Klimademo am 20. September waren nach Angaben von Fridays for future 270.000 Menschen dabei, die Polizei sprach seinerzeit von knapp 100.000.

Die Ortsgruppen von Fridays for Future sind autonom organisiert und einigten sich auf verschiedene Aktionsformen in den unterschiedlichen Städten. In Berlin sollte es bei der Großdemo bleiben, in Köln etwa sollen auch Aktionen zivilen Ungehorsams stattfinden. „Wobei Schulstreik auch eine Form zivilen Ungehorsams ist“, wie ein Sprecher der Berliner Ortsgruppen anmerkte. Katharina Schipkowski, Berlin

„Es ist zwölf“

Rainer Wöhrle steht um 11.50 Uhr mit seinem 13-jährigen Sohn Johannes an der U-Bahn-Station Sendlinger Tor, wie viele Hunderte auch wollen sie zum Königsplatz, dem Auftakt- und Schlusspunkt des Münchner Klimastreiks. „Im Alltag machen wir schon vieles für den Klimaschutz“, sagt der Vater. „Wenn wir mit dem Flugzeug in den Urlaub reisen, bezahlen wir freiwillig einen Klimazuschlag.“ Vieles andere müsse aber von der Politik geregelt werden. Für seine Teilnahme beim letzten Klimastreik am 20. September hat Johannes bezahlen müssen: Der Rektor erteilte ihm wegen Schulschwänzens einen so genannten verschärften Verweis, er musste acht Stunden nachsitzen.

Ob Verweis oder nicht – unter den Demonstranten sind wieder tausende Schüler. Anfangs scheint der Königsplatz bei nasskaltem Wetter nicht sehr voll zu sein, doch gegen 13 Uhr drängen sich die Menschen dicht an dicht. Eine Hiphop-Band singt „Es ist zwölf, es ist nicht mehr fünf vor zwölf“, eine Gruppe Girlies trägt ein großes Plakat: „Fuck each other, not the world“. Die TU-Professorin Miranda Schreurs, die einen Lehrstuhl für Umwelt und Klimapolitik innehat, meint in ihrer Ansprache: „Seit 30 Jahren arbeite ich an diesem Thema, und ich habe noch nie eine solche große Bewegung gesehen.“

Auch die Leute vom „Verein zum Schutz der Bergwelt“ sind da, es werden Unterschriften gesammelt, um den Würmtaler Wald zu retten, die Demonstranten werden zu einer großen La Ola animiert – ein Mal alle gleichzeitig in die Knie und gemeinsam aufstehen.

Erst beim Marsch durch die Stadt erkennt man, wie viele Menschen nun doch gekommen sind. Der Zug ist zwei Kilometer lang, viele Straßen werden dafür gesperrt. Die Polizei spricht von 17.000 Demonstranten, die München-Gruppe von „Fridays for Future“ meldet gegen 14 Uhr: „Wir sind 33.000 Teilnehmer*innen.“ Patrick Guyton, München

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22 Kommentare

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  • War doch absehbar, daß das so kommen würde:



    Die Teilnehmer stellen nur Forderungen auf, ohne konrete Lösungsvorschläge zu machen. Und die technische Machbarkeit bleibt völlig außen vor.



    adurch mangelt es der Sache an Substanz und schlägt in puren Populismus um.



    Da sich diese Erkenntnis immer mehr durchsetzt, hat FFF immer weniger Rückhalt in der Bevölkerung.



    Hinzu kommt der Umstand, daß im Sommer viele daran teilgenommen haben, weil es gerade mal chick war, dorthin zu gehen. Diese Zeiten sind jetzt auch vorbei.



    Wenn das so weiter geht, wird das alles über kurz oder lang sowieso einschlafen.

  • Fridays stehen nicht vor dem Kollaps, erleben eine Ermüdungsphase. Den Rush der wöchentlichen Demo sollte man modifizieren, einmal pro Monat reicht. Außerdem sinnvoll, sich nicht als Zentrum der Umweltbewegung zu verstehen, sondern sich mit anderen NGO zu vernetzen, zu koordinieren. Fridays als Bewegung bleibt, weil das Bewußtsein angesprungen ist.

    • @Picard:

      Und selbst wenn weniger Menschen an FFF teilnehmen, heißt es ja nicht, dass sie gänzlich mit Aktivismus aufhören sondern sich (vorübergehend?) an einer Protestform nicht mehr beteiligen. Es gibt ja noch andere Möglichkeiten des Protests. Und diese werden ja seit einer Weile bereits auch wahrgenommen, wie bspw. bei Ende Gelände, Hambi, Extinction Rebellion.

    • @Picard:

      Es wird weiter jeden Freitag gestreikt. Der Bedarf ist da und die Notwendigkeit auch.

      Die Bewegung heißt "Fridays for Future". Sie heißt nicht "Monthly for Future". ;-)

      FFF vernetzt sich gerade ganz wunderbar. Und ja: genau das ist der Schlüssel!

    • @Picard:

      Das selbe hätte man von den Montagsdemos etc. pp. auch behaupten können - die Wahrheit ist, dass jede Bewegung einen Hype-Cycle hat, Dauererregung lässt sich schlicht nicht endlos und ohne konkretes Ziel aufrecht erhalten (und auch mit schlecht über die Zeit).

      Ob FfF bleibt oder nicht ist eher egal, da wird ein Bewegungsnamen den anderen ablösen - wesentlich ist, dass sich die EE-Szene besser vernetzt und ihren Lobbyismus professionalisiert.

      Mir ist wurscht wer auf der Straße gerade hip ist, ich will, dass die Braunkohlemeiler ASAP abgeschaltet werden und das 1000m-Gesetz nicht in Kraft gesetzt, bzw. wieder einkassiert wird. Das müssen nicht Jugendliche leisten, sondern Wähler im wahlberechtigten Alter durchsetzen.



      FfF ist da eher ein Nebeneffekt, Begleitmusik. Jede Generation hat halt ihr Demo Ding. Die Spielregeln geändert hat noch keine.

  • Eine Billion Investitionsvolumen auf EU-Ebene ist ein voller Erfolg, insgesamt brauchen wir Zehn. Altmeier hatte denn auch zum Kohleausstiegsdatum 2038 nachträglich noch ein -spätestens- hinzugefügt, dafür fehlen allerdings noch die Projekte. Lotte hatte Recht als sie herzergreifend dafür plädierte, dass die Parteien endlich aufhören sich zu zanken, wenn mittlerweile selbst von der Leyen von Kreislaufwirtschaftssystem spricht. Die FDP nennt das glaube ich circle irgendwas system. Greta "verschollen" im Funkloch auf dem Atlantik. And Who killed Adorno?

    • @Pele :

      Exakt. 1 Billion. FFF ist mächtig. Extrem mächtig. Ich glaube, vielen bei FFF ist das selbst noch gar nicht klar.

      Wer zu diesem historischen Umbruch beitragen will, kann sich immer bei FFF engagieren und jeden Freitag auf die Demo kommen.

      Ich empfehle Berlin. Da bin ich jedenfalls immer. Jeden Freitag. Es gibts nichts Wichtigeres in unserer heutigen Zeit!

      Und es wird weitergehen. 2019 war der Auftakt. Die Klimabewegung hat 2020 zum Jahr des Protests erklärt. "By 2020 we rise up" lautet das Motto.

      • @Kakaobutter:

        Eine Billion heisst natürlich eine Billiarde, sorry mein Fehler.

  • 0G
    0371 (Profil gelöscht)

    Immerhin sind es doch 680.000 Menschen gewesen, die gegen die Klima-'Politik' der Bundesregierung erneut auf die Straße ging. Und das trotz des starken Drucks durch Klassenarbeiten und Klausuren in der Vorweihnachtszeit (alle Jahre wieder), trotz des winterlichen Wetters und trotz der Resignation bei vielen wegen des Offenbarungseids, den die Regierung "Klimapaket" nennt.

    • @0371 (Profil gelöscht):

      Genau so ist es. Der Titel ist wirklich albern ("halbiert").

      Es war der 2.-erfolgreichste FFF-Klimastreik überhaupt!* Nach dem Mega-Streik vom 20.09. war jedem klar, dass das vorherst (!) nicht zu toppen ist.

      Es war ein Massenprotest. Der 4. in diesem Jahr.

      Und es wird weitergehen. Heute schon in der Lausitz! Der nächste globale Klimastreik wird auch kommen.

      *Mitte März: ca. 300.000



      Mai: ca. 300.000



      20.09.: ca. 1.400.000



      gestern: ca. 680.000

      • @Kakaobutter:

        Dito! Vielleicht kann die TAZ ja mit ein paar Folgeartikeln dazu beitragen, FFF niederzuschreiben - also, dass da zukünftig noch weniger hingehen. Wurde ab Mai eigentlich betont, dass der Protest stagnieren würde? ;)

  • "Fridays for Future halbiert"

    Das war doch klar. Wenn den verwöhnten Wohlstandskids die Novemberkälte die Beine hoch kriecht und ihnen in ein raues Lüftchen um die Ohren weht, es mit ihrem Interesse am freitäglichen Schule schwänzen nicht mehr weit her sein wird.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    "Fridays for Future halbiert"



    danach werden wohl die wenigsten weiterlesen - das hier ist doch die taz, oder?

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Halbiert? In München?



      Der Demonstrationsweg musste verlängert werden, sonst hätten wir gar nicht alle draufgepasst.

      Wer zählt wann?



      Wenn nämlich durch die schneidende Kälte und denWind in München mehr Menschen früher gegangen sind oder wie meine Freundin und ich uns zwischendurch in einem Kaffee aufgewärmt haben, waren wir dann nicht da?



      Auf jeden Fall, als wir mit dem Kaffee fertig waren und bei der Gelegenheit noch einen Artikel in der ZEIT (Grafik: die Welt bei 4 Grad plus") angeschaut hatten und wieder rausgingen, da zogen immer noch in dichten Scharen die Menschen vorbei.



      Die Mutter mit dem Baby war da schon heimgegangen, aber auch sie war da und hat mit ihrem Kind für ihr Kind demonstriert.

      • 9G
        90118 (Profil gelöscht)
        @Zeit und Raum:

        das klingt gut!



        in halle war es auch beeindruckend gut - deutlich mehr als vor der großen aktion am 20.09..

      • @Zeit und Raum:

        Wer zählt wann? Die Polizei zählt gar nicht. Die schätzt. Nur die Veranstalter zählen wirklich.

        Dazu gab es mal einen Artikel des ARD-Faktenfinder. Leider existiert er nicht mehr. Hier aber im Archiv: web.archive.org/we...merzahlen-101.html

  • Hilfreicher als Schulstreiks wäre es, Klassenfahrten mit dem Flugzeug in ferne Länder zu boykottieren, wie sie von sogenannten "Klimaschulen" wie dem Gymnasium Süderelbe massenhaft durchgeführt werden:

    www.mopo.de/hambur...xotischer-33490228

    Aber wenn es um eigene Fernreisen geht, endet leider bei vielen die Solidarität.

  • „Wenn wir mit dem Flugzeug in den Urlaub reisen, bezahlen wir freiwillig einen Klimazuschlag“ sagt der Vater.

    So wird das nichts.

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @meerwind7:

      genau.



      ausgerechnet diesen o-ton als beispiel in dem artikel über fff auftauchen zu lassen wirkt wie böser wille der verfasser.

      • @90118 (Profil gelöscht):

        oder es ist exemplarisch für die Vorstellungen in den Köpfen der breiten Masse. Klimazertifikat als Ablasshandel 2.0, alternativ der Verzicht auf die Plastiktüte - ausreichend und persönlich einschränkend genug, sollte doch reichen. Den Rest sollen die anderen machen...

        www.treehugger.com...on-footprints.html

        • @Citoyen Kane:

          Ich denke auch, dass das die "kleinen Fluchten" sind ins Land der glücklichen Menschen mit gutem Gewissen. Auch beim Klimaschutz wird der Konkurrenzgedanke eine große Rolle spielen. Klimaschutz als Symbol für das Gute. Zum Beispiel der Tesla vor der Tür. Und für die ganz Kleinen ein Klimazertifikat für die Benutzung eines nachhaltigen Schnullers.

          • @Rolf B.:

            Absolut. Genau dieser toxische Mix aus Virtue Signaling und Irrationalität erweist dem Einhalten des 1,5 Grad Celsius Ziels einen Bärendienst.

            In protestantischer Tradition wird sich an einem Totem abgearbeitet und das Totemverbot gefordert - wie das der Plastiktüte - und die Alternativen „als Symbol für das Gute“ sind unter dem Strich eine Katastrophe. Der heilige Jutebeutel muss 131 verwendet werden, um eine positive Ökobilanz gegenüber der Plastiktüte - hüstel - gegenüber 130 Plastiktüten - zu erlangen.

            Von den 10t CO2 im Mittel pro Kopf & Jahr müssten wir auf 2t runter, um „klimaneutral“ zu sein. Die Hälfte der 10t CO2 sind „sonstiger Konsum“ abseits von Ernährung, Energie und Transport.

            Entscheidend ist, was in die Tüte kommt und nicht woraus diese hergestellt wurde.

            Aber der Triathlon - Klimastreik, Xmas Shopping & Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt fühlte sich doch so moralisch wärmend an gestern...