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Klimapolitik nach der BundestagswahlKli­ma­schützerinnen besorgt über Koalition aus CDU und SPD

Bei einer schwarz-roten Koalition drohen Rückschritte, fürchten Ökonomin Claudia Kemfert und Aktivistin Carla Reemtsma. Unvermeidlich sei das nicht.

Die CDU will unter anderem das europaweite Verbrenner-Aus 2035 kippen Foto: Michael Weber/imago

Berlin taz | Die Bundestagswahl besiegelt das Ende der klimafreundlichsten Regierung, die Deutschland bisher hatte. Unter der Ampel wurde beispielsweise der Ausbau der erneuerbaren Energien stark vorangetrieben, sodass Deutschland 2024 sein Klimaziel erreichte. Kaum Fortschritte gab es bei den Emissionen im Gebäude- und Verkehrssektor, die seit Jahren unverändert hoch bleiben.

Was sie sich von einer neuen Regierung – sehr wahrscheinlich aus CDU und SPD – erhofft, sagte Carla Reemtsma, Sprecherin der Klimabewegung Fridays for Future, am Montag der taz. „Die Union muss jetzt Verantwortung übernehmen und beim Klimaschutz Ernst machen, anstatt mit Klimazerstörung zu kokettieren“, so die Aktivistin.

Der Wahlkampf der Union sei ignorant gewesen, die Strategie, AfD-Positionen wie die Ablehnung von Windkraft zu übernehmen, gescheitert.

„Es ist wichtig, dass die nächste Regierung das Klimaziel nicht abschwächt“, sagte Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der taz.

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„Das Tempo des Erneuerbaren-Ausbaus darf nicht abgewürgt, sondern muss beschleunigt werden, das Gebäudeenergiegesetz sollte bleiben und um eine bessere soziale Staffelung der Förderung ergänzt werden.“ Darüber hinaus müsse die E-Mobilität vergünstigt werden.

Von Klimaschutz würde auch die Wirtschaft profitieren, meint die Ökonomin: „Unternehmen wollen Planbarkeit, darauf sollte man sich besinnen.“ Von einem schnellen Ausbau der Erneuerbaren profitiere aufgrund der sinkenden Strompreise auch die Industrie. Überdies würden hohe Strafzahlungen fällig, wenn Deutschland die EU-Klimaziele in den Sektoren Gebäude und Verkehr verfehlt.

Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm angekündigt, das von der Ampel reformierte Gebäudeenergiegesetz abzuschaffen. Was dann mit der Förderung für Wärmepumpen passieren würde, ist unklar.

Auch das europäische Verbrennerverbot ab 2035 will die Union kippen. Vize-Fraktionsvorsitzende Dorothee Bär hatte im Wahlkampf zudem das deutsche Ziel der Klimaneutralität 2045 in Zweifel gezogen.

Carla Reemtsma sieht die kommende Regierung vor drei großen Aufgaben in der Klimapolitik. Sie müsse den Ausbau der Erneuerbaren weiter vorantreiben und einen klaren Plan zum Gas-Ausstieg formulieren – das sei auch sicherheitspolitisch geboten, da die USA kein verlässlicher Partner seien. Aus den Vereinigten Staaten bezieht Deutschland einen Großteil seines Flüssiggases.

Außerdem stellt sich auch für Reemtsma die Frage nach der sozialen Ausgestaltung der Transformation: „Die Regierung darf nicht weiter soziale Spaltung durch Klimaschutz provozieren.“ Stattdessen brauche es eine Garantie für bezahlbares Heizen und Mobilität.

Die dritte Aufgabe ist Reemtsma zufolge, die Finanzierung der Transformation und der Folgen der Erderhitzung zu klären: „Das heißt eine Abkehr von der Schuldenbremse und von fossilen Subventionen, Besteuerung von fossilen Unternehmen und Superreichen.“

Wie stark die Klimapolitik der nächsten Bundesregierung wird, hänge sehr davon ab, „wie sehr die SPD ihre Position beim Klimaschutz durchsetzen kann“, sagte Ökonomin Kemfert.

So sieht das auch Reemtsma: Die SPD habe ein viel klareres Konzept für sozialen Klimaschutz. In Koalitionsverhandlungen müsse sie rote Linien ziehen, um Rückschritte in der Klimapolitik zu verhindern. „Es wäre denkbar ungünstig, wenn sich die CDU durchsetzt“, sagte DIW-Ökonomin Kemfert.

Die klimapolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer, sagte am Montag, die SPD könne nicht als „Steigbügelhalter für eine Koalition herhalten, deren Inhalte schwarz-blau sind“. Wenn CDU-Chef Merz im Wahlkampf Windkraftanlagen als hässlich bezeichne oder die unbegründete Hoffnung auf Atomfusionsreaktoren nähre, sei das eine solche schwarz-blaue Klimapolitik.

Die geringen Stimmanteile für klimarealistische Parteien sagten derweil nichts über die grundsätzliche Einstellung der Bevölkerung zum Klimaschutz aus, meint Aktivistin Reemtsma. „Klimaschutz konnte im Wahlkampf nicht gewählt werden, weil er nur eine ganz geringe Rolle gespielt hat“, sagte sie.

Umfragen zeigten immer wieder, dass den Deutschen Klimaschutz parteiübergreifend wichtig ist: „Sogar unter Uni­ons­wäh­le­r*in­nen will die Hälfte mehr Klimaschutz.“

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