Kita-Streik und Betreuungsnotfälle: Wenn ich König von Deutschland wär
Kita-Streik am Frauentag? Super-Idee. Aber wie wäre es denn dann auch mit einer Freistellung von Vätern, Opas und Onkeln zur Kinderbetreuung?
N un ruft also Ver.di ausgerechnet am Frauentag zum Warnstreik im Sozial- und Erziehungsdienst auf. Mit dem Argument, damit auch gegen die notorische Unterbewertung von so „typisch weiblichen“ Tätigkeiten kämpfen zu wollen.
Das ist natürlich einerseits ganz hübsch, weil man ja sehen kann, dass Arbeitgebervertreter sofort Schnappatmung kriegen, wenn ein Tarifkonflikt mit gesellschaftspolitischen Anliegen aufgeladen wird – wie zuletzt beim Klimastreik.
Andererseits wissen wir natürlich auch ganz genau, wer so eine geschlossene Kita dann organisatorisch auszubaden hat, nicht wahr? Wer da nun wieder seufzend den Terminkalender zückt, Urlaubstage vergeudet, Termine verschiebt oder am Telefon hängt, um bei der Oma, der Tante, der Nachbarin und der befreundeten Co-Mutti um Betreuungshilfe zu betteln?
Wenn ich Königin von Deutschland wäre, würde ich sofort ein Gesetz erlassen, dass Arbeitgeber zwingt, in solchen Betreuungsnotfällen die Väter, Opas und Onkel freizustellen. Frauen dürften sich nur freinehmen, wenn sie glaubhaft versichern, dass es in ihrer Umgebung wirklich keinen Mann gibt, der sich kümmern kann.
No regretting motherhood, aber ich wäre doch lieber Vater
Ja, ja, ich weiß schon, als Alleinerziehende würde ich mir damit selbst ins Knie schießen, aber es geht doch um etwas viel Größeres. 80 Prozent des Gender-Pay-Gaps sind nichts anderes als die ökonomische Strafe fürs Muttersein.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich verbringe gern Zeit mit meinen Kindern, no regretting motherhood here, aber manchmal denke ich, dass ich noch viel lieber ihr Vater geworden wäre.
Bei den allermeisten ist das doch immer noch so: Als Vater kannst du dein familiäres Engagement quasi frei skalieren, von 0 bis 100 Prozent, ist alles drin, wird alles beklatscht. Als Mutter hast du 100 Prozent an der Backe und kannst dann versuchen, mühselig irgendwas davon wegzuverhandeln oder wegzuorganisieren.
Ich würde deshalb auch ein Jahr Elternzeit für jedes Elternteil zum Standard erheben, maximal zwei Monate dürften gemeinsam genommen werden. Wer anders leben möchte, kann das ja immer noch tun, muss dann halt bloß ein paar Nachteile hinnehmen.
Junge Eltern können das nicht auch noch ausfechten
Ja, ja, natürlich kenne ich ein paar von diesen neuen Vätern, die sich echt und ernsthaft und hingebungsvoll um ihre Kinder kümmern. Ich weiß aber auch, wie viele von denen in ihren Firmen schief angeschaut und bei der nächsten Beförderung übergangen werden.
Genauso wie viele „Teilzeit-Muttis“ von dem Gefühl geplagt werden, eigentlich 150 Prozent arbeiten zu müssen, um zu rechtfertigen, dass ihre 75-Prozent-Stelle dauernd die Schichtpläne stört.
Es ist einfach zu viel verlangt, wenn junge Eltern in der anstrengendsten und aufwühlendsten Phase ihres Lebens auch noch permanent gegen die Beharrungskräfte von Arbeitsorganisationen (und Sozialversicherungsapparaten) anrennen müssen, die weiter stumpf an einem Familienmodell von vorgestern orientiert sind.
Organisationen bewegen sich nicht, solange es auch irgendwie so geht. Eine Umstellung kostet Zeit, Geld und Nerven. Das tun Unternehmen nur, wenn sie der hohe Anteil an weiblichen Beschäftigten oder der akute Fachkräftemangel dazu zwingt – oder eben die Gesetzgeberin.
Aber wenn das familienbedingte Ausfallrisiko besser verteilt wäre, entfiele eines der wesentlichen Argumente, mit dem Frauen schlechter bezahlt und weniger befördert werden.
Aber gut, ich bin natürlich nicht die Königin von Deutschland. Ich habe mich ja um die Kinder gekümmert. Außerdem finde ich Monarchie in Wirklichkeit natürlich scheiße. Ist ja auch nichts anderes als legalisierte Clankriminalität. Und Rio Reiser hat wirklich viel bessere Songs geschrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid