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Kinderrechte unter Großer KoalitionKinder sind systemrelevant

Kinderrechte werden nun doch nicht im Grundgesetz verankert. Doch wer sie nicht ernst nimmt, sollte bei Corona-Folgen keine Betroffenheit heucheln.

Bei Kindern haben Essstörungen und Depressionen im Coronajahr stark zugenommen Foto: imago

Wenn die zurückliegenden anderthalb Jahre eines deutlich gezeigt haben, dann dies: Manche Gruppen sind verletzlicher als andere und deshalb besonders schützenswert. Dass dazu allen voran Minderjährige gehören, dürfte niemand bezweifeln. Die Beweislage ist auf jeden Fall so er- wie bedrückend. Um nur einige Coronafolgen zu nennen: Vier von fünf Jugendlichen fühlen sich durch die Pandemie psychisch belastet (Deutscher Kinder- und Jugendhilfe-Monitor 2021).

Bei Kindern ab sechs Jahren haben Essstörungen, Depressionen und Burn-out im Coronajahr 2020 um bis zu 60 Prozent zugenommen (Krankenversicherung KKH). Die Hälfte aller Kinder aus finanziell schwachen Familien leidet unter Einsamkeit (Deutsches Jugendinstitut). Von Übergewicht, verlernter sozialer Kompetenz, Wissenslücken oder der ohnehin erschreckend hohen Kinderarmut in Deutschland – jedes fünfte Kind ist betroffen – ganz zu schweigen.

Wann, wenn nicht jetzt, muss sich der Staat um das Kindeswohl kümmern? Er muss sich zur Priorität machen, die verheerenden Pandemiefolgen zu mindern und Minderjährige künftig besser zu schützen. Er muss sie bei jeder Entscheidung mitdenken. Davon ist momentan wenig zu sehen. Umso unverständlicher ist es, dass die Bundesregierung der Schutzbedürftigkeit der Gruppe nicht endlich Rechnung trägt und die Kinderrechte – wie eigentlich versprochen – im Grundgesetz verankert.

Verheerendes Signal

Am Montagabend gab Justizministerin Lambrecht bekannt, dass die Verhandlungen dazu gescheitert seien. Es bleibt also dabei: Deutschland ist nicht bereit, die Kinderrechte mit der Aufnahme in das Grundgesetz aufzuwerten – nicht mal symbolisch.

Zu mehr war die Union ohnehin nicht bereit. Anstatt Kinderrechte vorrangig zu berücksichtigen, wozu die UN-Kinderrechtskonvention streng genommen verpflichtet, hätten es CDU und CSU bei einer angemessenen Berücksichtigung bewenden lassen wollen.

Der Rest ist Kalkül. Dass die Kinderrechte light mit FDP und Grünen, deren Stimmen für die Grundgesetzänderung gebraucht wurden, nicht zu machen war, konnte sich die Union denken. So lässt man Koalitionsversprechen platzen. Die Politik sendet ein verheerendes Signal aus: Kinder sind nicht systemrelevant. Haben gerade echt wichtigeres zu tun. Wahrscheinlich trifft es sogar zu. Dann wäre es ein Armutszeugnis.

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17 Kommentare

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  • "Kinder sind systemrelevant" "und deshalb besonders schützenswert."



    Bei solchen Beschreibungen frage ich mich jedesmal wer denn die systemirrelevanten Gruppen sind; die, die überflüssig und potentiell verzichtbar sein sollen? Vielleicht die Renter*innen? Und wer sind die, die nicht sonderlich schützenswert sind? Vielleicht die Arbeitslosen? Offenbar, auch nicht, denn immerhin sieht sich Gesundheitsminister Spahn mit Rücktrittsforderungen konfrontiert weil er unter Anderem an diese FFP2-Masken verteilen lassen wollte die nicht nach CE-Norm, sondern nur nach KN95-Standard zertifiziert und zudem von TÜV und Dekra getestet worden waren verteilen lassen wollte, während die Corona-Verordnungen idR lediglich das Tragen medizinischer Masken oder gar nur selbstgenähter Community-Masken erforderten.



    Vielleicht sollte man einfach besser grundsätzlich darauf verzichten bestimmte Gruppen als systemrelevant zu kategorisieren, weil das zwangsläufig impliziert, dass andere es nicht sind.

  • Eltern werden Eltern wenn Kinder ein Gewinn sind.



    Ein Gewinn an Lebensfreude



    Ein Gewinn an Lebensqualität



    Ein Gewinn an Emotionen.

    Warum gibt es denn dann immer weniger Kinder ?

    Weil Dem massive Nachteile am Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche und nicht zuletzt auch in der Geldbörse gegenüberstehen.

    Wenn ich mir schon anschaue wie schäbig Kinder von sozial Benachteiligten ausgegrenzt werden, wie schnell man selbst als Gutverdiener in finanzielle Bedrängnis gerät wenn man Kinder hat und dass Kinder zu haben das Armutsrisiko Nummer eins ist,



    dann frage ich mich wirklich ob Symbolpolitik der richtige Weg ist oder ob man uns nur einmal mehr Sand in die Augen streuen will.

    • @Bolzkopf:

      Umgekehrt wird auch ein Schuh draus. In den USA gibt es so gut wie keinen Mutterschutz und kein Kindergeld. Trotzdem werden mehr Kinder zur Welt gebracht.

      • @Suryo:

        Tja, ich kenne die amerkianische Gesellschaft zu wenig aber mir scheint, dass Kinder zu haben dort zumindest noch gesellschaftlich honoriert wird.



        Kurz gesagt: Wer Kinder hat, gilt etwas.

        • @Bolzkopf:

          Ich denke, dass es gerade daran liegt, dass man sich nicht darum kümmert, ob irgendwer die private Lebensführung honoriert.

  • Das Grundgesetz ist aber doch nicht nur eine Sammlung von Symbolen.

    Kinder sind Menschen, und Menschenrechte werden von der Verfassung ausreichend geschützt. Ich verstehe nicht, was eine explizite Erwähnung für rechtliche (!) Vorteile hätte.

  • Das Problem ist, dass Elternrechte im GG sozusagen über Kinderrechte gehen. Wenn also Kinder von ihren Eltern misshandelt werden, haben sie wenig eigene Rechte, um ernst genommen zu werden.

    • @Gamesz:

      Wo haben Sie den diesen hanebüchenen Unsinn her?

    • @Gamesz:

      § 1631 BGB (2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. - Es ist also mitnichten so, dass Kinder rechtelos sind, wie sie suggerieren.

  • Finde ich auch etwas unnötig, dass auf einmal Kinder Extra-Rechte im Grundgesetz bekommen sollen?

    Kann man die nicht in normale Gesetze schreiben, Artikel 6 GG gibt doch bereits die wichtigsten Richtungen vor? Was soll das mit der "Sichtbarmachung", sind die anderen Gesetze abseits des GG etwa in der Politik und vor Gericht unsichtbar, oder fürchten alle Parteien ohne klaren Anlass dass die Rechte der Kinder von zukünftigen Regierungen oder von Gerichten eingeschränkt werden könnten?

    Statt dass sich die Politik mal um die drängenden Probleme mit Corona, Wirtschaft und Wohlstand, Klima und co kümmert, wieder mal nur Symbolpolitik die viele Ressourcen in allen Fraktionen bindet und am Ende scheitert?! Das ganze taugt ja nicht mal wirklich als Wahlkampfthema, da Kinder nicht wahlberechtigt sind! Ich verstehs irgendwie nicht...

    • @hderk:

      Alles auf den Punkt gebracht. Man könnte noch auf Art. 1 Abs. 1 GG verweisen. Es steht schon alles drin.

      Das ist natürlich bloße Symbolpolitik.

  • Vielleicht sollte man erst mal klären was Kinder überhaupt sind, und dann ist klar, dass alle Rechte der Welt auf ihrer Seite sind (und damit ist keine anti-autoritäre Erziehung gemeint.)

    Dazu ein Auszug des wunderschönen Gedichts des Sufi-Mystikers Kahlil Gibran:

    "Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

    Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.

    Sie kommen durch euch, aber nicht von euch.

    Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.

    Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken.



    Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

    Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen.



    Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.

    Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. "

    ----------



    Ein Gedicht, dass alle Eltern kennen sollten.

    Die CDU scheint weniger auf die Natur der Kinder als auf die Macht der Eltern geschaut zu haben.

    Vielleicht wird es beim nächsten Mal besser. Hoffentlich bald.

    • @shantivanille:

      Genauso ist es! Kindern gehört nicht die Zukunft, die sind die Zukunft. Getreu der indianischen Weisheit: "Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt - sondern von unseren Kindern geliehen."

  • Soweit es um echte Verbesserungen geht, wäre eine GG-Änderung zwecklos. Und unnötig - was soll denn an sachlicher Rechtslage verändert werden?



    Das geht auch so. Gibts einen Vorschlag?



    Verzicht auf leere Symbolpolitik wäre doch eher ein Gewinn an Klarheit...

  • Kinderrechte sind bereits im Grundgesetz verankert. Es braucht darüber hinaus keine zusätzlichen Rechte. Das Grundgesetz ist auch zu wchtig um für irgendeine Symbolpolitik einer Partei herhalten zu müssen. Gut, dass dieser Spuk ein Ende hat.

  • Überflüssig wie ein Kropf - einschließlich des Beitrages eines Ahnungslosen.



    Sorry - Vertane Zeit - mit Verlaub •

    kurz - Gut gemeint - wenn überhaupt -



    Ist halt das Gegenteil von - GUT - •

  • Kinderrechte sind bereits im GG. Kein Grundrecht schließt Kinder aus, also gelten alle auch für Kinder.