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KindergrundsicherungPragmatismus ist angesagt

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Es war gut gemeint: Kinder aus armen Familien soll das Bürgergeld-Stigma erspart bleiben. Doch die Kindergrundsicherung erzeugt nun mehr Bürokratie.

Droht ein Bürokratiemonster zu werden: Kindergrundsicherung Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

A uch in der Politik spielt „Branding“, die Markenbildung, eine große Rolle. Nur kann man damit auch zu hohe Erwartungen wecken. Das war bei der Kindergrundsicherung der Fall. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem Behörden und Betroffene unzufrieden sind. Anstatt aber mit Häme auf Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zu zeigen, ist jetzt Pragmatismus angesagt.

Mit dem generalistischen Begriff der Kindergrundsicherung wollte man die Stigmatisierung von Kindern in bedürftigen Familien abbauen. Kinder sind immer unschuldig an ihrer Situation. Gegen eine „Kindergrundsicherung“ kann also niemand etwas haben, so das Kalkül der Grünen.

Die Kinder in Familien, die Bürgergeld (früher Hartz IV) bekommen, werden mit dem neuen Gesetz verwaltungstechnisch quasi aus dem Bürgergeld heraus gelöst. Ihre Sozialleistung wird als „Zusatzbetrag“ Teil der Kindergrundsicherung und soll künftig von den neu zu gründenden Familienservicestellen ausgezahlt werden. Dabei aber besteht die Gefahr, dass es zu Parallelstrukturen kommt.

Denn die Grundsicherung für diese Kinder bleibt trotzdem verbunden mit der Einkommenssituation der restlichen Familie, die weiterhin Bürgergeld vom Jobcenter bezieht. Jeder Mehrbedarf, der Anteil der Kosten der Unterkunft und Heizung, muss unter Umständen dann in zwei Behörden berechnet werden. Auch die Schülerfahrkarte und das Geld für den Schulausflug gibt es oftmals vom Jobcenter.

Ein Mehr an Bürokratie ist Mist. Der Protest aus den Behörden muss daher ernst genommen werden. Wenn schon, dann müssen die Familienservicestellen zum Beispiel auch Mehrbedarfe und andere Leistungen des Jobcenters für die Kinder mit auszahlen können. Parallelstrukturen müssen vermieden werden, und das ist nur ein Beispiel für notwendige Modifikationen des Gesetzentwurfs. Nicht parteipolitischer Starrsinn, sondern ein Gesetz im Sinne der Betroffenen muss das Ziel sein. Sonst entwickelt sich die Kindergrundsicherung noch zu einem neuen Desaster der Ampel-Koalition.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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18 Kommentare

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  • Barbarra Dribbusch sagt m. M. n. das Richtige. Es braucht Pragmatismus bei der Kindergrundsicherung. Herrgottnochmal, es waren doch die drei Fortschritts-Regierungsparteien, die VEREINBART hatten, dass die gebraucht wird und gemacht wird aus sehr guten Gründen.



    Das folgende elende politische Gerangel, dass dann folgte, haben wir ja gesehen. Nu is´aber doch beschlossen, oder?

    Ja. Und was nu´?

    Pragmatisch drangehen, machen was möglich ist und NICHT wieder grundsätzliche Einwände GEGEN die Kindergrundsiherung OBSTRUKTIONSPOLITISCH als Einwände gegen solche u. solche administrativen Hürden hernehmen, damit man nur ja die eigenen parteipolitischen Vorbehalte durchkriegt. Weil dann: Kindergrundsicherung kaputt!

    Sowas nenne ich mal Nihilismus. Siehe:



    taz.de/Politologe-...lerInnen/!5957092/

    Dafür braucht es offenbar und LEIDER LEIDER nicht erst eine AfD. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre.

    Bin politisch kein Durchblicker. Weil aber "traurig" wg. Kindergrundsicherung, sag ich mal so.

    Wie sieht es aus? Gegenwärtig lassen die administrativen Strukturen hier der der sozialen Daseinsvorsorge ihrer enormen Komplexität wegen eben keine Implementation eines geschlossen operierenden administrativen Apparats innerhalb dieser Strukturen hinreichend zu. Geht eben nicht.

    Doch bevor DA wirkliche Bürokratiereformen ansetzen (kollossal schwierig) MUSS NOCH LANGE NICHT ALLES VERLOREN SEIN.

    Da ist was zu machen, sagt B. Dribbusch ganz richtig.

    Und was passiert?

    Man entzieht sich einerseits der Verantwortung, in dem man über Entbürokratisierung redet u. redet, so dass jeder weiß: Die kommt sowieso nicht.

    Und andererseits kapituliert man damit vor diesen Strukturen, weil die ja erst reformiert werden müssten, dann...Dann stellt man sich vor die Leute hin und sagt: Seh ihr, es geht nicht. weil und führt die Leute mit diesem Zirkelschluss hinter die Fichte.

    Warum? Nur eines nicht: Über den eigenen parteipolitischen Schatten springen.

    Folge: ZAPPENDUSTER

  • Da zuwenig Menschen den Kinderzuschlag beantragt haben, wird es eh zu mehr Verwaltungsarbeit führen, wenn alle Kinder jetzt endlich bedacht werden. Auch kann man auf die Digitalisierung hoffen.

  • Könnrn wir nicht politische Fachkräfte anwerben, bitte sofort!



    Aus der Schweiz oder Österreich.



    Dort funktioniert alles, völlig ohne Probleme.

  • Es ist ein Grundsatzproblem der deutschen Politik. Zuviele Verantwortliche sind Generalisten und müssten eigentlich tief in den Details stecken. Zuwenig Fachkompetenz und dann verlassen sich diese Verantwortlichen auch noch auf ein Netzwerk aus Generalisten die mit ins Ministerium wechseln. Die Beamten des Ministeriums könnten solche Gesetzte auch ausarbeiten. Die sind aber aus Sicht der Führung lästig, weil die wegen Detailwissen eben häufig auch Bedenkenträger sind die auf Umsetzungsprobleme hinweisen.

  • Es sollte verboten werden neue Gesetze zu erlassen die zu mehr Verwaltungskosten führen, wenn ein Minister mehr braucht für etwas muss er/sie an anderer Stelle mehr Digitalisieren. In anderen Ländern klappt das auch, wer das was Dänen, Niederländern, Balten, Ukrainer etc. hinkriegen nicht hinkriegt und die Wichtigkeit davon nicht versteht hat nichts auf einem Ministerposten zu suchen.

  • Bei den Grünen muss es doch Leute geben, die unter Schröder schon die Hartz4-Reform mitkreierten. Warum also Paus die wichtige Reform machen lassen anstelle der sozialpolitischen ExpertInnEn in der Partei? Wenn sie nicht freiwilig zurück treten will, sollte der Gesetzgebungsprozess ins Parlament, in die Hände eben sozialpolitikerfahrener u.a. Grüner Abgeordneter gegeben werden. Das sollte der Bundestag sowieso öfter üben: Gesetzentwürfe selber machen in den Ausschüssen oder besser gesetzentwerfenden Unterausschüssen. Schließlich sitzt im Bundestag ein so hoher Anteil Juristen, das das Ergebnis eines Inhouse-Gesetzentwurfs-Prozesses auch verfassungsbezogen niet- und nagelfest ohne reihenweise Blamagen wie bei Paus im Haus auf den Weg käme. Und überdies viel eher regierungskoalitionskompatibel, da ja in den Ausschüssen auch die anderen Parteien sitzen.

    Der Bundestag ist unser Gesetzgeber. Daher muss er IMHO seine Gesetzgebungskompetenz auch in der Gesetzentwurfskompetenz beweisen, sonst ist der eigentliche Gesetzgeber nicht verfassungsprinzipiengemäß die Regierung. Legislative und Exekutive sollten aber nach dem Prinzip der Gewaltenteilung funktionieren, also zumindest für so historische Projekte wie "die letzte FDP-mitgetragene Sozialreform"!

  • Während meinen Erziehungszeiten als Erwerbsloser und Aufstocker, habe ich selbst, und bei vielen Anderen mit gleichen oder ähnlicher Situation erfahren, dass der Grund für Kinderarmut oft nicht die Höhe der Leistung ist. Das Problem ist meistens, dass die Anspruchsberechtigten aufgrund bürokratischer Hürden und Ämterversagen oft gar nicht oder zu spät das bekommen was ihnen zusteht. Die geplante Kindergrundsicherung hat mir Hoffnung gegeben, dass sich dieses ändern könnte, aber leider nun eher enttäuscht.

  • Mal anders beleuchtet: War neulich im Urlaub, nunja Schweiz halt. Am Schalter die Frage wo wir denn hin wollten. Ja hier den Lift hoch. Und dann wieder runter? Nein, vollends über den Gipfel, runter ins andere Tal mit Lift B und dann mit der öffentlichen Bahn zurück zum Camping.



    Ob wir denn dann nicht gleich alle drei Tickets bei ihm kaufen wollten?



    Das war dann schon ganz nah dran am Optimum!! Gibt's bei uns glaub nirgends, bei den Ämtern gleich gar nicht. Wirklich schade das alles hier!

  • Frau Paus ist nicht seit gestern in der Politik. Es sollte auch in diesem Ministerium Mitarbeiter geben, die Gesetze und Verordnungen lesen und verstehen können.



    Vielleicht auch solche die Komplexität, die durch den Föderalismus und konkurrierende Zuständigkeit entstehen.

    Was wir jedoch sehen ist das politische Laufen lernen von Kleinkindern, allein es fehlt das Niedliche.

    Die Zahlen stimmen nicht, die Verhandlung, schon mit den Koalitionspartnern ist dilettantisch, die Umsetzung gescheitert.

    Diese Regierung wird nicht mal den eigenen Ansprüchen gerecht.

  • Diese Inkompetent unserer Ministerin ist wirklich unglaublich!



    Dieses Land braucht dringendst weniger Bürokratie, nicht noch ständig mehr aus lauter politischer Korrektheit, um nicht zu „stigmatisieren“.

  • Unfassbar. Warum hat Frau Paus in ihrem Haus nicht vorgesorgt? Es ist ihr Prestigeprojekt. Man hat den Eindruck, sie hat keinerlei Verständnis von der Materie und der Struktur hinter ihrem Prestigeprojekt. Wie kann es dazu kommen? Hoffentlich fällt es nicht auf die Grünen zurück.

  • Wird dann langsam Zeit, sich mal mit der Umsetzbarkeit des Vorhabens zu befassen. Da darf man schon mal nachfragen, wieso das bisher nicht gemacht wurde.

  • Weshalb sollte Häme auf die Bundesministerin Lisa Paus jetzt nicht angebracht sein?

    Erst will sie mit dem Kopf durch die Wand - stellt dabei Zahlen in den Raum - ohne selbst einen Gesetzesentwurf zu liefern. Dann bloeckiert sie gewichtige Gesetzesvorhaben, noch immer ohne einen Gesetzesentwurf zu liefern und dann liefert sie einen Gesetzesentwurf, in dem sich genau die Befürchtungen der Kritiker manifestieren.

    Selbst die taz schreibt den Titel des Gesetzesvorhabens inszwischen also nur noch in Gänsefüsschen.

    Und wenn es die im Beitrag genannte Stigmatisierung geben sollte, dann wird diese durch das Gesetz ganz sicher nicht abgebaut. Schlecht gemacht bleibt schlecht gemacht. Die Kindergrundsicherung ist doch bereits ein Desaster der Ampelkoalition.

    • @DiMa:

      Das ist falsch, zum Zeitpunkt der "Blockade" lag der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung bereits vor.

      • @TheDigit:

        Nein, Frau Paus hat den Gesetzesentwurf erst ein paar Tage nach der Blockade vorgestellt.

        Alles was (seit ca. März 2023) vorlag war ein Positionspapier. Da sie den Gesetzesentwurf nicht liefern konnte (oder wollte), sah sich Herr Bundeskanzler Scholz gezwungen, sie um Vorlage eines Gesetzesentwurfes bis Ende August zu bitten. Dem ist sie dann auch ganz knapp innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen - nur war da die Blockade im Kabinett schon erfolgt.

  • Nun -- das wird die FDP schon zu torpedieren wissen.

    Die immer gegen "Bürokratie" wettern, sie meinen nie diejenige, mit der die Gesellschaft die Armen bestraft. "Sonst könnten ja die Eltern das Kindergeld versaufen".

    Armut soll schon erblich bleiben. Sonst gerät deren Weltbild ins Wanken.

  • Wusste das keiner vorher? Es klang tatsächlich so, als käme alles aus einer Behörde. (Wäre das nicht eine der ersten Überlegungen, wie man das verwaltungstechnisch umsetzt? Kurios und faszinierend. Für solche Konzepte gibt es ja vermutlich Arbeitsgruppen - was machen die da eigentlich?)

    • @Niemals:

      Das habe ich mich auch schon des öfteren gefragt. In den Medien wird immer davon berichtet was die einzelnen Politiker bewerkstelligt haben oder bewerkstelligen wollen. Das kann ja unmöglich jedesmal nur eine one-men- show sein , wofür sind da letztendlich diese unendlich vielen Staatssekretäre , Berater und Sachverständigen tätig , von den anscheinend sehr lukrativen "Think Tanks " ganz zu schweigen. Würde mich wirklich interessieren.