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Kein Abschiebestopp für IranVon Menschlichkeit keine Spur

Kommentar von Daniela Sepehri

Trotz täglicher Hinrichtungen beschließt die In­nen­mi­nis­te­r*in­nen­kon­fe­renz keinen Abschiebestopp nach Iran. Die Debatte in Deutschland ist realitätsfern.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) beim Abschluss der IMK: die Konferenz endet ohne Hoffnung auf einen Abschiebestopp für Iran Foto: Soeren Stache/dpa

A bschieben, abschieben, abschieben – das scheint das Motto der In­nen­mi­nis­te­r*in­nen­kon­fe­renz (IMK) zu sein. Die IMK hat erneut bewiesen, dass Menschlichkeit keinen Platz auf ihrer Tagesordnung hat. Abschiebestopp nach Iran? Fehlanzeige. Obwohl dort täglich Hinrichtungen stattfinden, Frauen ausgepeitscht und Minderheiten verfolgt werden.

Die Länder leisten sich einen Gipfel der Schamlosigkeit und schicken weiterhin Menschen in die Fänge eines Regimes, das keinen Halt vor Mord und Folter macht – vor allem Bayern ist ganz vorne mit dabei. Von Abschiebung nach Iran bedroht sind konvertierte Christen, Frauen, Kurden, Homosexuelle. Menschen, die dort Verfolgung befürchten müssen.

Jede Abschiebung verlangt die Kooperation mit den iranischen Behörden – mit jenem Regime, das den deutschen Staatsbürger Jamshid Sharmahd ermordet hat. Der Slogan „Frau Leben Freiheit“ bleibt in der deutschen Asyldebatte nichts als eine hohle Phrase.

Über einen Abschiebestopp für Je­si­d*in­nen nach Irak wurde ebenso wenig debattiert, obwohl die Gewalt gegen sie erneut eskaliert. Stattdessen spricht die IMK ernsthaft über Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. Nach Afghanistan, wo Frauen aus dem öffentlichen Leben gedrängt wurden und wo nun auch alle medizinischen Institute geschlossen werden sollen, was den dort lebenden Frauen den Zugang zu Bildung verwehrt. Und nach Syrien, wo derzeit Kriegshandlungen vollzogen werden.

An den Fakten vorbei

Dies ist das Ergebnis einer immer faktenfreier werdenden Asyl- und Migrationsdebatte in Deutschland. Rechtes Framing prägt sie, und die sogenannte politische Mitte folgt. Geflüchtete und Mi­gran­t*in­nen werden zu Sündenböcken deklariert.

Die IMK hat sich auf ein Neues als Abschottungskonferenz entlarvt. Ihr fehlt nicht nur der Mut, sondern auch der moralische Kompass, menschenrechtliche Prinzipien zu verteidigen. Es ist Zeit, dass die politische Mitte aufhört, sich von rechter Panikmache treiben zu lassen – und anfängt, Verantwortung zu übernehmen. Alles andere ist eine unmenschliche Kapitulation.

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27 Kommentare

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  • Wenn man zum rationalen Diskurs zurückfinden möchte sollte man nicht Lösungen für von Rechten erfundene Probleme nachjagen. Jeder der das macht trägt zur Verrohung der Gesellschaft bei.

  • Die deutsche Bürokratie zeichnete sich schon immer durch perfide durchkalkuklierte Menschenfeindlichkeit aus. Kosten-Nutzen-Rechnung mit dem gewissen Hassextra.

  • Daß in diesem unserem Lande die Fremdenfeinde schon sei Jahrzehnten die Oberhand haben ist seit Jahren hinlänglich bekannt und dokumentiert. Und "Fremde" sind hier in Deutschland nicht nur Ausländer und Flüchtlinge. Fremd ist "der Jude", "der Moslem" gerne auch als "Islamist" bezeichnet, der Norddeutsche in Bayern und eben jeder der den Hetzern nicht gefällt. Fremd war auch nach dem Krieg jeder innerdeutsche Flüchtling.

  • Das liegt einfahc daran, dass die Union nicht auf ihre Verfassungstreue geprüft wird, und Putins Sporachrohre nicht als Staatsfeinde verfolgt werden.

    Wenn man Hetzer, Hater, und die gedungenen Lügner im Auftrag von Putins faschistischem Terrorstaats schützt statt sie mit aller Macht des wehrhaft-demokratischen Rechtsstaats zu jagen, braucht man sich über politischen Realitätsverlust nicht zu wundern.

  • Vielleicht sollte man es machen wie mit Tabak. Dort wird der potentielle Käufer beim Kauf mit Bildern konfrontiert, was das Rauchen anrichten kann.



    Man könnte bei den anstehenden Wahlplakaten für die entsprechenden Abschiebe-Fetischisten Fotos von gefolterten und enthaupteten Menschen dazu kleben, damit die Leute sehen, was sie da wählen. Natürlich verpflichtend wie beim Tabak.



    Hätte natürlich den Nachteil, dass Wahlwerbung dann nicht mehr jugendfrei ist, aber die dürfen ja eh nicht wählen.

    • @Jalella:

      Die Bilder haben nicht zu einem Rückgang beim Rauchen geführt, um mal bei diesem Beispiel zu bleiben. Kurze Schockreaktion, anschließende Gewöhnung. An das Sterben anderer Menschen - Im Krieg, durch Hunger, Folter in Gefängnissen oder auf dem Mittelmeer - haben sich die meisten Menschen auch schon gewöhnt. Sind schließlich "nur" die anderen.

  • Es ist wichtig , dass die TAZ als Massenmedium das Thema beobachtet und berichtet. "Menschlichkeit" ist ein unscharfer Wunsch- und Fluchtbegriff. Unterschiedliche Menschen verstehen darunter unterschiedliches.



    Iranische Behörden haben einen deutschen Staatsbürger ermordet. Tage später haben sie verlautbart, der deutsche Staatsbürger sei vor der Ermordung / Hinrichtung in der Haft gestorben.



    Die Abschiebediskusion und -praxis ist ein "Unbeholfenheitsphänomen". Man kann mit Menschen, die hier sind, sich selbst eingeschlossen, nichts anfangen.

    Es nützt der Diskussion daher (fast) nichts, dass eine berühmte deutsche Universitätsklinik langjährig von einem Iraner geleitet wurde, dass früher und heute ganze Landstriche ärztlich ohne Geflüchtete nicht mehr ausreichend versorgt wären, dass der DAAD ausführliche Dossiers zu den Fluchtländern führt....

    Die meisten Innenminister sind aus ihrem Regierungsbezirk, Bundesland, Orts-/ Landesverband ihrer Partei gedanklich nie herausgekommen. Wie sollen sie Lösungen für Weltphänomene finden ?

    z.B.



    static.daad-akadem.../bh_syrien_neu.pdf

  • In meinen Augen ist das ganze Abschiebe-Tamtam dieser C*-Parteien nichts anderes, als rechte Schmierparolen hingesprüht auf die ohnehin schon stark einsturzgefährdete Brandmauer.

  • Differenzierung heißt die Lösung. Die im Lande lassen, die Schutz brauchen. Und die schnell ausschaffen, die keinen Schutz brauchen. So haben wir dann auch Platz für weitere Menschen, die verfolgt sind. Denn Ressourcen sind nicht unendlich vorhanden.



    Leider funktioniert das überhaupt nicht.



    Der Staat ist ein schwerfälliges, bürokratisches Wesen, getrieben von Interessengruppen.

    Schade. Besonders für die, die wirklich Schutz brauchen.

  • Alles richtig.



    Aber mit diesem politischen Personal im Innenministerium, Kanzleramt, Oppositionsbank, Bayern und und und? Wohl kaum.

  • Für mich ist es keine „migrationspolitische“ Debatte (seit wann ist Flucht vor Krieg Folter und Mord, Migration?) sondern, auch wenn das keiner hören will, es ist eine rein rassistisch Debatte, die einer christlich weißen Überlegenheitsideologie entspringt, die Europa, Menschen gegenüber, die es nicht zu seinem Kulturkreis zählt, nie verloren hat und sich immer noch zivilisatorisch, moralisch und kulturell überlegen fühlt. Denn anders ist einfach der Fakt nicht zu erklären, dass wenn angeblich zu viele Asylanten und/Migranten das Problem sein sollen, warum dann die 300.000 aus arabischen Ländern ein so viel gewichtigeres und untragbareres Problem sein sollen als die anderthalb Millionen Ukrainer, die auch noch privilegiert Bürgergeld beziehen und von denen niemand als eine wirtschaftliche Belastung spricht. Man würde moralisch sofort verurteilt werden, und es würde sich empört werden, wenn jemand über ukrainische Geflüchtete auch nur ansatzweise so entwürdigend sprechen würde in Politik oder Talkshows wie über Syrer, Afghanen Iraner Palästinenser. Es wäre moralisch verkommen, über Abschiebung in die Ukraine zu debattieren, obwohl im Großteil des Landes, keine Kriegshandlungen sind!

    • @Edda:

      "Man würde moralisch sofort verurteilt werden, und es würde sich empört werden, wenn jemand über ukrainische Geflüchtete auch nur ansatzweise so entwürdigend sprechen würde in Politik oder Talkshows wie über Syrer, Afghanen Iraner Palästinenser."

      Leider nicht.

  • Ich stimme dem Artikel voll zu !!



    Es wird nur häufig vergessen, weshalb die Dinge verlaufen, wie sie es tun...



    Die USA bekommt den Präsidenten, den sie verdient, - Weill ein demokratisch überwiegender Teil der Bevölkerung das so will!!



    Desgleichen in Ungarn, den Niederlanden - oder eben Deutschland !



    Mit der CDU wird sich das noch weiter verschlimmern, wissen die Politiker doch, dass Ihre Diäten ansonsten (an)gezählt sind.

    Mit dem Fall des syrischen Regimes kommt noch eine neue Gefahr auf Europa zu:



    Alle, die bislang Assad zu Hilfe kamen und sich nun fürchten müssen dafür zur Verantwortung gezogen zu werden, kennen nun den Weg sich dem zu entziehen.



    Es werden die Henker und Folterer, die wahren Kriminellen ankommen - und JA, hier befürworte ich einen Aufnahmestopp von Syrern! Solche aus Kriegsgebieten können nun anderswo im Land Frieden finden.

    • @Kiu Mars:

      Trump ist Republikaner...

      • @Alex_der_Wunderer:

        Er/Sie meinte wohl, dass Trump demokratisch gewählt worden ist.

        • @Minelle:

          ...wird wohl

  • Verstehe nicht warum Iraner heute bei uns nicht willkommen sind. Der "Schah von Persien" war von der deutschen Regierung gern gesehen und bei unserer Presse total beliebt. Aber der war ja auch nicht religiös und kein Diktator sondern ein SCHAH.

  • "Stattdessen spricht die IMK ernsthaft über Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien."



    Ich habe übers Wochenende mehrere Artikel in der taz gelesen, dass Syrien sich befreit hat, dazu in einer Reportage auf b5 aktuell gehört, dass Christen in Aleppo seit dem Einmarsch der islamistischen Rebellen ihrem Alltag bisher ungestört nachgehen können und dazu hat der Rebellenführer Abu Muhammad Al-Dschaulani ja selbst aufgerufen, keinerlei Vergeltung zu üben.



    Ich bin zwar selbst zutiefst misstrauisch gegenüber Al-Dschaulani, knapp zwei Jahrzehnte Vorzeigekämpfer für Al-Qaida und die Al-Nusra-Front, dazu die wenig schmeichelhaften 10 Millionen Dollar Kopfgeld die auf ihn immer noch ausgesetzt sind - aber wer weiß🤷‍♂️



    Vielleicht ist er ja tatsächlich geläutert.



    Wenn die friedliche Lage in Syrien jedenfalls anhält, was spricht dann noch gegen Abschiebungen von Straftätern und abgelehnten Asylsuchenden dorthin?

    • @Farang:

      Dschaulani glaubt die Scharia sei von großer Güte und schließe angehörige anderer Religionsgemeinschaften nicht aus. Der Übergangsregierungschef hat islamisches Recht aka Scharia studiert. Wenn man von Läuterung spricht würde das beinhalten, dass es eine geläuterte Scharia gäbe.

    • @Farang:

      Das beantworten Sie ja selbst, und genauso sehen es viele emigrierte Syrer:innen. Sie wollen abwarten, wie sich die Lage entwickelt und ob man al Dschaulani trauen kann. Und welche Straftäter und abgelehnten Asylbewerber meinen Sie? Gefordert werden pauschal Rückführungen. Und: Bei den Syrer:innen ist der Anteil der Personen mit Schutzstatus sehr hoch, und bei Flüchtlingen mit Schutzstatus ist wiederum der Anteil der straffälligen Personen besonders niedrig. Möchten Sie einfach ein paar Stereotype in die Debatte werfen?

  • Die Debatte in Deutschland ist eine Bankrotterklärung für ehemalige Sozialdemokraten und Grüne: Getrieben von den rückgratlosen Opportunisten der C-Parteien und den alleshassenden Alternativen haben sie immer noch nicht gelernt, dass sie mit fremdenfeindlicher Politik nicht nur ihre ehemaligen Wähler vergraulen, sondern auch dringend benötigte Arbeitsmigranten.

  • Es ist ja kein Zufall, dass 3/4 der Asylanträge aus dem Iran abgelehnt werden. Iranische Staatsangehörige stellen die größte Gruppe dar, die in Deutschland in ihrem Asylantrag als Grund Konversion angeben. In der Praxis handelt es sich dabei gut um 50% aller Anträge.

    Und obwohl Apostasie im Iran eine schwere Straftat darstellt, die auch mit dem Tode bestraft werden kann, wird dieser Grund von deutsche Behörden häufig als nicht valide Argumentation angesehen und asyltaktische Gründe dahinter vermutet.

    Auch die Justiz ist aufgrund dessen dazu übergegangen genauer zu prüfen. Die Vorlage einer Taufurkunde reicht da oftmals nicht mehr aus. Richter halten mittlerweile bei Anhörungen schon regelrechte "Religionsexamen" ab.

    Ebenso zeugt der Umgang mit psychisch Kranken vom Einfallsreichtum der Justiz gegenüber iranischen Staatsangehörigen. Gilt in der Regel, dass eine psychische Erkrankung nach Vorlage entsprechender Atteste zu einem Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG) führt, hebeln Gerichte dieses mit dem Verweis auf ein funktionierendes iranisches Gesundheitssystem oftmals aus.

    Das dahinter politische Motivation steckt, kann als offenes Geheimnis betrachtet werden.

    • @Sam Spade:

      Deutschland hat einen expliziten Bezug auf den Gott von Avram/Abraham/Ibrahim im Grundgesetz.

      Dass in einem solchen Staatswesen Zwangskonversionen von vielen als Kavaliersdelikt angesehen werden, ist nicht verwunderlich.

      Der schwarze "Zukunftskanzler" behauptet in seinem unaufhaltsamen geistigen Verfall ja auch gern mal ganz frech und frei, dass die, die sich christlicher Folklore verweigern, niemals echte Deutsche sein könnten.

    • @Sam Spade:

      "im Prinzip richtig"



      Aber als Ex-amnesty-Aktivist habe ich zahlreiche Iraner zu den Verwaltungsgerichten begleitet und kenne deren Einfallsreichtum.



      So wurden in Kölner Hinterhöfen "Privat-Demonstration" mit netten Texten orgañisiert, alle Sorten von "Journalisten" eingeladen, um an Bildmaterial für die Anhörungen zu kommen. Das ist nur EIN Beispiel.



      Im Iran verteufelt man die USA, während der Antrag auf die Greencard läuft - "Irangeles" über alles.



      Die Sache mit der zweiseitigen Münze gilt weiterhin...

      • @Kiu Mars:

        ich glaube Ihnen kein Wort und wenn man Ihr Profil anschaut, dann mögen Sie ein Aktivist sein, aber im Auftrag einer rechten Splittergruppierung oder so und bestimmt niemals für Amnesty International.

    • @Sam Spade:

      Genau so ist das.



      Schmankerl aus der juristischen Praxis:



      Richterin fragt den Konvertiten, was wir (mit dem Gebrauch des Pronomens hatte sie ihn schon von Anfang an diskriminiert und ausgeschlossen) Ostern feiern würden.



      Antwort: Die Auferstehung.



      Richterin klatscht fröhlich in die Hände, weil sie den "Konvertiten" erwischt hat.



      Nein, man feiert die Kreuzigung meint sie allen Ernstes.



      Auf diesem Niveau dann auch noch.



      Edit: Ostern ist nicht Karfreitag, der in vielen Ländern auch kein Feiertag ist.



      Und ja, man feiert die Auferstehung.

  • Verfassungsbeschwerde, jetzt.