Katja Kipping über Rot-Rot-Grün im Bund: „Der Nato-Austritt ist keine Haltelinie“
Wolle die SPD mehr Gerechtigkeit, dann gehe das nur mit der Linkspartei, meint deren Chefin Katja Kipping. Die Debatte um Rot-Rot-Grün hält an.
taz: Stehen Sie als Kellnerin bereit, Frau Kipping?
Katja Kipping: Wer eine Gerechtigkeitswende will, sollte auf solche Über- und Unterordnungsrituale verzichten. Solche Rituale klingen eher nach SM-Studio als nach einem gemeinsamen Kurswechsel. Wer eine wirkliche Richtungsänderung will, der sollte zuerst schauen, wo ist das Gemeinsame. Um danach zu beraten, wie wir mit dem Trennenden umgehen.
Sie fordern von der SPD ein klares Bekenntnis für Rot-Rot-Grün?
Ich fordere keine Bekenntnisse. Ich werbe, wie gesagt, für eine Gerechtigkeitswende. Diese lässt sich nur in einem Mitte-links-Bündnis verwirklichen. Dafür gilt es, die Fantasien zu mobilisieren, wohin die Reise gehen könnte in diesem Land. Zum Beispiel, dass alle Kinder einen guten Start ins Leben haben und kein Kind in Armut aufwachsen muss. Dann kann es auch gelingen, noch mehr Menschen für ein solches Bündnis zu begeistern.
Die SPD geht aber in Deckung. Wie gehen Sie als Linkspartei damit um?
Wir haben am Wochenende die bestmögliche Antwort gegeben: Wir haben im Parteivorstand einen Wahlprogrammentwurf verabschiedet, der zeigt, so geht sozial gerecht – konkret und verlässlich.
Den präsentieren Sie am Montag. Welche Punkte sind ein Muss in einer möglichen rot-rot-grünen Koalition?
Ich diskutiere jetzt noch nicht die Verhandlungstaktik für mögliche Sondierungen. Klar ist aber, was mit uns nicht geht: Es wird keine Privatisierungen öffentlicher Güter mehr geben, keine Kürzungen im Sozialbereich und keine Kampfeinsätze der Bundeswehr. Zudem streiten wir für unsere zentralen Reformprojekte: Wir wollen Rüstungsexporte und Mietspekulationen stoppen, Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ergänzen, den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen, eine Kindergrundsicherung einführen sowie eine solidarische Bürgerversicherung, damit Gesundheit keine Frage des Geldbeutels ist.
Sind all diese Projekte mit der SPD umsetzbar?
Das müssen Sie die SPD fragen, die zurzeit hin und her schwankt. Die SPD wird sich entscheiden müssen: Will sie nur einen Kanzlerwechsel oder einen Politikwechsel. Wenn die SPD wirklich mehr soziale Gerechtigkeit will, dann geht das nur mit einer starken Linken.
Die 39-Jährige ist seit 2012 neben Bernd Riexinger Vorsitzende der Linkspartei.
In der SPD heißt es, auch die Linkspartei müsse mal Farbe bekennen: Wie halten Sie es mit der EU, wie mit der Nato?
Ich bin überzeugte Europäerin. Gerade deshalb halte ich es mit dem Motto der Bewegung „Demokratie in Europa“, DiEM25: Die EU wird sozialer und demokratischer, oder sie wird scheitern. Die jetzige EU hat die soziale Krise in Südeuropa verschärft, der Umgang mit Flüchtlingen ist eine moralische Bankrotterklärung. Was die Nato anbelangt, so ist unsere Kritik an dieser berechtigt: Der Krieg gegen den Terror hat die Zahl gewaltbereiter Fundamentalisten eben nicht sinken lassen, sondern sie ist explodiert. Wir streiten weiterhin für einen Austritt aus der Nato. Aber das ist für uns keine rote Haltelinie.
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