Karneval in Coronazeiten: Schunkeln mit Abstand
Gesundheitsminister Spahn hat sich für die Absage des Karnevals ausgesprochen. Warum lässt man die Jecken nicht erst mal ein Hygienekonzept erstellen?
W ie ausgerechnet das alkoholgetränkte Massenspektakel Karneval mit all dem Geschunkel und Geknutsche in Coronazeiten funktionieren soll, ist vielen schleierhaft. Offenbar auch Jens Spahn. Deshalb hat sich der Gesundheitsminister jetzt schon im August für eine Komplettabsage des Karnevals bis einschließlich Aschermittwoch ausgesprochen. Doch das wäre falsch.
Kategorische Ganz-oder-gar-nicht-Aussagen sind nicht das geeignete Mittel, um Verständnis für die wirklich nötigen Coronamaßnahmen zu wecken. Im Gegenteil: Langfristige Totalverbote führen nur zu unnötigem Frust und Widerstand. Davon gibt es ohnehin mehr als genug. Wer möchte, dass sich die Bürger*innen weiter an die Abstands- und Mundschutzregeln halten, muss ihnen auch Perspektiven bieten, wie sie trotzdem ihrer Arbeit und ihren liebsten Hobbys nachgehen können.
Karneval als liebstes Hobby? Tja, was an lauen Witzen mit Tusch und ritualisierten Räuschen nach Terminkalender reizvoll sein soll, mag für viele außerhalb des Rheinlands so unverständlich sein wie für den Autor dieser Zeilen. Aber Geschmacksfragen dürfen bei den Coronaregeln keine Rolle spielen, sonst gefährden sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt noch mehr. Wenn es nun einmal viele Karnevalist*innen im Land gibt, die nicht schon im Sommer die Hoffnung auf Spaß im Februar aufgeben wollen, dann sollten sie die Gelegenheit bekommen, Hygienekonzepte zu entwickeln – wie alle anderen.
Es kann nicht sein, dass inzwischen sogar Bordellbesuche wieder erlaubt werden, aber gleichzeitig jetzt schon Rosenmontagsumzüge unter freiem Himmel pauschal verboten werden. Logisch: Wenn die zweite Coronawelle bis dahin wirklich alles überschwemmt, ist Schluss mit lustig. Und allzu viel Geld sollten Karnevalist*innen nicht in die Vorbereitung investieren. Aber wenn es gut läuft: Lasst sie feiern! Ein strenges Reglement sind Karnevalist*innen gewohnt, die Säle sind ohnehin längst gebucht – und eine Maskenpflicht wäre bei diesem Fest das geringste Problem.
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