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Kapitänsbinde des VfL WolfsburgIch bin ja tolerant, aber …

Der VfL Wolfsburg führt eine regenbogenfarbene Kapitänsbinde für alle Teams ab der U10 ein. Profi-Spieler Josip Brekalo übt daran Kritik.

Joshua Guilavogui trägt die Regenbogenbinde beim Spiel gegen Schalke 04 Foto: imago/Camera

Berlin taz | In dieser Saison tragen ab der U10 die Kapitäne aller Fußballmannschaften des VfL Wolfsburg eine regenbogenfarbene Binde. Zuvor trug schon die Kapitänin des Wolfsburger Frauenteams, Nilla Fischer, seit etwa eineinhalb Jahren das zur Toleranz aufrufende Accessoire. Ausgerechnet aus dem Profi-Team der Männer kommt nun Kritik.

Geschäftsführer Jörg Schmadtke erklärte dazu: „Wir stehen als Verein für eine tolerante Gesellschaft.“ Daher wolle man über die gesamte Saison und in allen Teams ein „deutliches Zeichen setzen und so zeigen, dass wir für Vielfalt stehen“.

Unter anderem hatte Deutschlands reichweitenstärkstes LGBTI-Onlinemedium queer.de darüber berichtet und auch in sozialen Netzwerken äußerten sich zahlreiche User positiv zu Wolfsburgs Entschluss.

Und auch innerhalb der Mannschaft stößt die Neuerung auf Zuspruch. Kapitän Joshua Guilavogui erklärte vor dem Spiel gegen den FC Schalke, es solle gezeigt werden, „dass bei uns im Stadion und im Verein alle willkommen sind.“ Es sei egal, welche Hautfarbe, welches Geschlecht und welchen Glauben man habe oder wen man liebe. „Fußball ist für alle da.“ Dafür stehe der Regenbogen und das Team stehe dahinter.

Josip Brekalo gegen Regenbogen-Binde

Doch Letzteres stimmt anscheinend nicht gänzlich. Der 20-Jährige Spieler Josip Brekalo fiel dadurch auf, dass er zwei Kommentare auf Instagram likte, die sich eindeutig abfällig gegenüber der Einführung der Regenbogen-Binde äußerten. In einem stand: „Bah Alter sieht echt Scheisse aus. Der arme Joshua.“ Der andere bestand aus drei sich übergebenden Smileys. Als er auf einer Pressekonferenz darauf angesprochen wurde, zeigte Brekalo den Journalisten ein defektes Handy und behauptete, es würde von alleine Beiträge liken.

Trotzdem muss ich aber auch sagen, dass ich nicht vollständig hinter dieser Aktion stehen kann

Josip Brekalo, VfL Wolfsburg

Unabhängig davon, dass es zweifelhaft ist, dass sein Handy zufälligerweise in einem so kurzen Zeitraum zwei inhaltlich so ähnliche Beiträge liket, ist es viel interessanter, was Brekalo anschließend sagt. Obwohl er beteuert, alle Menschen und Lebensweisen zu respektieren, spricht er sich gegen die Regenbogen-Binden aus. „Trotzdem muss ich aber auch sagen, dass ich nicht vollständig hinter dieser Aktion stehen kann, denn es widerspricht meiner christlichen Überzeugung. Ich bin sehr religiös erzogen worden. Wenn jemand eine andere Art zu leben bevorzugt, dann ist das okay für mich, weil das seine Sache ist. Aber ein spezielles Symbol für die Einstellung anderer Leute muss und möchte ich nicht tragen.“

Was Brekalo dabei vergisst: Die Regenbogenflagge ist zwar seit einigen Jahrzehnten ein Symbol, das von der LGBT-Community verwendet wird. Doch es ist auch ein Symbol, dass alle Menschen gleichermaßen miteinbezieht, da es für die Toleranz gegenüber allen Menschen steht. Auch Nilla Fischer äußerte Anfang Juni, der Regenbogen stehe „für den Stolz, die Person zu sein, die du bist, und dafür deine Mitmenschen respektvoll zu behandeln.“ Insofern ist es paradox: Einerseits äußert Brekalo, er toleriere andere Arten zu leben, andererseits spricht er sich gegen das Symbol aus, das eben diese Toleranz zelebriert wie kein zweites.

Heikel ist zudem, dass er seine Haltung öffentlich äußerte und damit indirekt seinen Arbeitgeber kritisierte. Doch zum Glück für den aufstrebenden Spieler geht Geschäftsführer Schmadtke locker damit um. „Wir tolerieren die Aussagen des Spielers, auch wenn wir als Klub anderer Auffassung sind.“

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8 Kommentare

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  • Meines Erachtens sind solch symbolische Gesten fruchtlos. Sie führen bestenfalls dazu, dass diskriminierende Haltungen hinter einer politisch korrekten Form versteckt werden.

  • Tja, so ist das halt mit Symbolen: Der eine versteht sie so, der andere so (vgl. Kopftuch).

    Jetzt kommt also Herr Rimkus und weiß den armen fehlgeleiteten Brekalo zu belehren, dass er sich gar furchtbar versündigt, wenn er nicht die Regenbogenbinde richtig interpretiert und dann auch pflichschuldigst für gut befindet. WÜRDE Brekalo jetzt seine Schuld eingestehen, käme er bestimmt einem Queeren Rosenkranz (5 Gesätze mit je einem Freddie Unser und zehn Ave Madonna, gefolgt von 1-3 ABBA-Songs) davon. So aber muss er durch die schmähliche Erwähnung in Deutschlands Sportzeitung Nr. 1, der tageszeitung, Läuterung erfahren.

    [/Satire]

    Wenn man daraus etwas lernen kann, dann dass nicht jedes Symbol überall so aufgefasst wird, wie es vielleicht vom Urheber gemeint ist: Brekalo sieht den Regenbogen wohl als (exklusives) Identfikationssymbol der LGBTI-Community, nicht als Zeichen universeller Toleranz, mithin auch nicht als Zeichen der Toleranz der LGBTI-Community dem Rest der Gesellschaft gegenüber. Und DAS ist gefährlich.



    Da würde ich mal was an sder Rezeption arbeiten - aber bitte nicht im Ton eines besorgten PC-Großinquisitors! Es obliegt dem Verwender eines Symbols, unmissverständlich zu kommunizieren, was er damit darstellen will.

  • Übrigens: Die eigene Haltung öffentlich zu äußern, ist zum Glück (noch) nicht „heikel“ in diesem Land, sondern grundrechtlich garantiert. Auch und gerade dann, wenn damit indirekt der eigene Arbeitgeber kritisiert wird. Denn schließlich: Kein Arbeitgeber ist perfekt. Aber jeder sollte – schon aus Konkurrenzgründen – bereit sein, an der eigenen Perfektion zu arbeiten. Und wenn er von alleine nicht drauf kommt, an welcher Stelle er sich noch verbessern kann, sollte er Leute fragen, die es immerhin zu wissen glauben. Könnte ja sein, es ist was dran...

    • @mowgli:

      Stimmt aber arbeitsrechtlich gesehen könnte das als geschäftsschädigendes Verhalten ausgelegt werden ;)

  • Es ist nur eine persönliche Auffassung, aber ich finde, Dariusch Rimkus begibt sich auf ziemlich dünnes Eis mit seinem Text. Sein Verhalten ist genau so widersprüchlich, wie das von ihm kritisierte Verhalten Josip Brekalos.

    Entweder ist man für Toleranz oder man ist dagegen. Nur dann tolerant zu sein, wenn das Gegenüber die Ansichten teilt, die man selber hat, ist keine Kunst. Es ist nicht einmal tolerant. Es ist vor allem eins: stinknormal – und ein klein wenig feige.

    Wem nützt es denn, wenn Leute ein Symbol zur Schau tragen, hinter dem sie eigentlich nicht stehen? Das suggeriert doch nur ein Kräfteverhältnis, das es so nicht gibt. Es produziert Falke-News. In der Hoffnung, dass es schon genügend Dumme gibt, die sich verar… äh: sich veralbern lassen. Was für ein Menschenbild!

    Ehrlicher wäre es, wenn die, die am Sonntag Toleranz gepredigt haben, am Montag damit klar kämen, dass noch nicht jeder glaubt, denkt oder fühlt wie sie es tun – und die Anderen trotzdem nicht ausgrenzt. Bzw. deswegen. Weil: Nur miteinander kann man sich entwickeln. Wer anders denkt, der sollte sich nicht mit dem Regenbogen schmücken.

    Da ist einer offenbar „stolz“, der zu sein, der er gerade ist. Da zeigt einer Respekt, indem er vertraut, zu seiner Erziehung steht und zugibt, dass die ihn ausbremst in der Gegenwart. Ist das nicht schon ein halber Sieg für die verdammte Toleranz? Lasst doch den Mann sich mal in Ruhe abnabeln! Und freut euch, wenn er nachher sagt: „Es ist für mich nicht nur okay, wenn jemand eine andere Art zu leben hat, es ist auch etwas, was ich unterstützen kann. Mit einem Statement beispielsweise.“

    Ein „spezielles Symbol“, eins, das nicht für meine Einstellung steht, sondern für die Einstellung anderer Leute, ein Kreuz etwa, den Halbmond oder einen roten Stern, möchte auch ich nie wieder tragen. Mit einem Regenbogen hätte ich derzeit (noch) keine Problem. Das könnte sich aber ziemlich schnell ändern, wenn es ab morgen einen Zwang gäb, so was brav herzuzeigen.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      ...wird sich der Mann wirklich jemals "abnabeln"?



      Der Typ ist erwachsen und sollte endlich anfangen, zu denken.



      Was der Mann letztendlich sagt ist, "Ich bin Christ und Schwule etc. sind Schweine".

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  • Die Aussage von Brekalo ist doch nachvollziehbar, was ist für den Autor so schwer zu verstehen? Als gläubiger Christ toleriert und akzeptiert er die Lebensweise seiner Mitmenschen, die sich von seiner unterscheiden. Er lehnt nur das Tragen der Binde ab, weil diese auch (oder aktuell vor allem) Lebensweisen symbolisiert, die er nicht gutheißt, und mit denen er sich auch nicht identifiziert. Tolerieren und akzeptieren ist nicht gleichbedeutend mit gutheißen und sich-damit-identifizieren.



    Seine Einstellung müssen im Gegenzug auch andere tolerieren und akzeptieren, ohne ihn gleich unter Druck zu setzen oder gar was gegen seinen Willen durchsetzen wollen.