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Kampf gegen die AfDMit allen demokratischen Mitteln

Michaela Dudley
Gastkommentar von Michaela Dudley

Die AfD gehört verboten. Doch die Politik zögert. Wir müssen uns über die dringenden Probleme verständigen, statt Antworten Extremisten zu überlassen.

Nur mit Vielfalt kann der AfD die Stirn geboten werden Foto: Stefan Sauer/dpa

S olange Nazis zur demokratischen Wahl zugelassen werden, werden Nazis auch demokratisch gewählt. Das Toleranzparadoxon, das dem österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper (1902 – 1994) zugeschrieben wird, macht deutlich, dass die uneingeschränkte Toleranz in die Intoleranz mündet. Karl Popper musste es wissen. Er verlor sage und schreibe sechzehn Familienmitglieder im Holocaust.

Nach den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen herrscht Schockstarre. Die Ampel-Parteien haben deutlich Federn, vielmehr Wäh­le­r:in­nen gelassen, und nicht mal die naivsten Milchmädchenrechnungen können die mathematische Realität ändern. Die AfD im Thüringer Landtag verfügt nunmehr über die Sperrminorität.

Allerdings verfügt die Bundesrepublik über ein grundgesetzliches Gegengift: Art. 21, Abs. 2 GG.: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“

Die Tatsache, dass die AfD offiziell vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sollte eigentlich eine Steilvorlage sein. Björn Höcke, wegen Verbreitung von SA-Parolen mehrfach verurteilt, darf sogar öffentlich als „Nazi“ bezeichnet werden. Doch Beschimpfungen alleine schaffen keine Abhilfe.

Michaela Dudley

geboren 1961 im Schatten der Freiheitsstatue, Berlinerin mit afroamerikanischen Wurzeln, Kolumnistin, Kabarettistin, Keynote-Rednerin und Juristin (Juris Dr., US). Ihr Buch „Race Relations: Essays über Rassismus“, erschienen 2022 im GrünerSinn-Verlag, reüssiert als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus und liefert Hintergründe zu den bis heute anhaltenden Diskriminie­rungen.

German Angst vorm AfD-Verbot

Ein Verbot hätte zur Folge, dass die AfD ihre bestehenden Strukturen aufgeben müsste und somit ihre organisatorische Basis einbüßen würde. Aber die demokratischen Parteien reagieren zögerlich. Warum?

Die Antwort: German Angst. Denn der Gang nach Karlsruhe könnte nach hinten losgehen. Und ohnehin würde ein Verbotsverfahren dazu führen, die völkisch nationalistische Partei in ihrer Märtyrerrolle umso mehr zu legitimieren. Letzteres ist wiederum längst geschehen. „Fast schon verboten gut“, so prangt die Schrift auf einem AfD-Wahlplakat, das Höcke mit Sonnenbrille und der frechen Aura eines von Tiktok bestätigten Rockstars abbildet. Die Demokratie wird verhöhnt.

Wir müssen uns über bestehende Probleme verständigen

Weil ein Verbotsverfahren sich aber, selbst wenn es käme, in die Länge ziehen würde, müssen mittelfristige Ziele im Kampf gegen den Rechtsextremismus verfolgt werden. Also wieder auf die Barrikaden gehen?

Jein. Demos gegen rechts verkümmern oft zu Events und überbieten sich eher im Wettstreit über Teilnehmerzahlen als um inhaltliche Ansätze. Auch die Betroffenheitsvideos, die von BIPoC-Influencer:innen gepostet werden, sind wenig hilfreich. Sogleich fordern sie die weiße Dominanzgesellschaft dazu auf, über den „biodeutschen“ Rassismus zu reflektieren. Sorry, aber so reichen sie die heiße „Kartoffel“ einfach nur weiter. Die Antipathien, die es innerhalb migrantischer Gemeinschaften gibt, wie Antisemitismus, Misogynie und Queerfeindlichkeit, müssen endlich wahrgenommen und bekämpft werden.

Wir müssen handeln, nicht hadern. Im Alltag brauchen wir mehr Dialog. Gerne hitzig, aber historisch fundiert und nicht hysterisch. Das Ziel ist nicht die vollständige Übereinstimmung, sondern die gemeinsame Wahrnehmung dringender Probleme. Die Suche nach deren Lösung darf nicht den Ex­tre­mis­t:in­nen überlassen werden.

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37 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. 

  • Ich bin sehr für ein Verbot der AfD, habe aber kein Vertrauen ins Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter haben offensichtlich ein Problem mit der wehrhaften Demokratie - nach innen wie nach außen.

    • @Kurt Kraus:

      Ich bin mir da nicht so sicher. Zumindest das Urteil zur NPD bietet ja genug Anhaltspunkte, um einen Verbotsantrag für die AfD erfolgversprechend zu untermauern.

      Andererseits hat das BVerfG auch geurteilt, dass Ausländer im Ausland durch das GG geschützt sind - russische Agenten könnten sich in Russland am Telefon über einen Mordanschlag in Deutschland unterhalten, aber der BND darf sie nicht einfach abhören. Absolut weltfremde und Deutschland schädigende Urteile sind diesem BVerfG also offenkundig nicht fremd.

  • Man darf nicht vergessen, warum die NPD nicht verboten wurde: weil das BVerfG die Partei für zu klein hielt und ihr keine realistische Machtoption einräumte.

    Genau das ist bei der AfD anders. Gerade WEIL die AfD so erfolgreich ist, kann ein Verbotsverfahren Erfolg haben.

    Und wenn dann in Sachsen oder Thüringen tausende von Rechtsextremisten auf die Straße gehen und gewalttätig werden, dann ist das halt so. Dann muss der Staat eben auch Gewalt anwenden.

    Demokratie ist etwas, was sehr wohl auch mit Gewalt verteidigt werden darf.

  • Dass ich das noch erleben darf, Ihnen zuzustimmen, Frau Dudley … 😉



    Aber es ist ja richtig: das Verbotsverfahren ist JETZT auf die Schiene zu setzen, alles andere wäre Politikversagen. Gerade weil ein solches Prozedere nicht von heute auf morgen entschieden wird. Diese lähmende Angst, ein AfD-Verbot könne juristisch fehlschlagen, ist doch spätestens nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen obsolet geworden.



    Was soll denn NOCH alles passieren, damit sich in dieser Sache endlich was bewegt?

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Abdurchdiemitte:

      Eben. Es gibt Sachen, ne? ;-)

      Danke vielmals für die diesbezügliche Zustimmung.

  • "Die Tatsache, dass die AfD offiziell vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sollte eigentlich eine Steilvorlage sein."

    --> Sorry, aber das reicht bei weitem nicht. "Nur" rechtsextrem zu sein verbietet die Verfassung gerade nicht. Im Gegenteil. Das ist sogar ausdrücklich von der Meinungsfreiheit geschützt (genauso, wie ein Kalifat zu fordern).

    Notwendig ist eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der fdGO. Letzteres nachzuweisen ist das Problem, denn bisher hat sich die AfD - jedenfalls der Führungskader der Gesamtpartei - an alle demokratischen Gepflogenheiten gehalten.

    Frau Weidel und Herr Chrupalla geben sich sogar regelrecht staatstragend. Bleibt Höcke. Welche Parteifunktion hat denn in der Bundespartei? Er wäre - wenn überhaupt - ein Grund den thüringischen Landesverband zu verbieten. Kann man machen, aber bei der Bundespartei wird die Luft sehr schnell sehr dünn.

  • "Die AfD im Thüringer Landtag verfügt nunmehr über die Sperrminorität."

    Ich mag Ihre leidenschaftlichen und moralischen Texte sehr, Frau Dudley, aber können wir bitte die Alarmismusschraube etwas zurückdrehen? "DIE Sperrminorität" gibt es nicht in unseren Parlamenten. Die AfD hat über ein Drittel der Sittze im Thüringer Landtag, und das heißt, dass man ohne sie keine Entscheidungen über Dinge treffen kann, die eine ZWEI-Drittel-Mehrheit benötigen - nicht weniger, aber auch nicht mehr.

    Es ist also nicht so, als hätte Björn Höcke jetzt die Hände an der Gurgel des Parlamentarismus. Das Parlament bleibt im Wesentlichen arbeitsfähig. Probematisch werden Verfassungsänderungen und die Besetzung des Landesverfassungsgerichtshofs. DEN Kopf muss man sich machen, aber das war's dann auch.

    Im Übrigen: Das Bundesverfassungsgericht hat - bewusst oder unbewusst - das Parteiverbotsverfahren effektiv unbrauchbar gemacht. Mit den Hürden und der Verfahrensdauer kommt man damit einer AfD nicht mehr in einer Weise bei, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Verbot führt oder, selbst wenn, Ihre Politik aus dem Spektrum entfernen könnte. Da muss sich die Demkratie schon selbst rausziehen.

    • @Normalo:

      1. Für genau das was sie beschreiben ist Sperrminorität ist der passende und inhaltlich zutreffende Begriff. Die Autorin hat hier keinen Fehler gemacht.

      2. Rechtsextreme Strukturen müssen mit allen gesellschaftlichen und staatlichen Mitteln bekämpft werden. Natürlich setzt es ein enormes Zeichen, wenn man diese menschenverachtende Partei verbietet.

    • @Normalo:

      Bei mir in der Gemeinde warens 43,2% AfD und 15,5 Sahra. Wäre hier wohl Traumkoalition; Bernd, äh, Björn klärt des mit den Ausländern und Sahra kümmert sich um die Wirtschaft.



      Weiß ned, wo der Punkt so liegt wo Demokratie heillos den Weltfremden (s.o.) überlassen wird; so als jemand, der des alles vor der Haustür und den Fenstern hat, gruselts mich schon.

      • @Hugo:

        Grund zum Gruseln gibt es fraglos genug - vor allem wenn man mitten in den Hochburgen der Demokratieversager wohnt. Ich selbst wohne innerstädtisch mit reichlich Migrationsanteil um mich rum, hab's also deutlich entspannter - abgesehen von den allwöchentlichen Schimpfduellen zwischen der Pro-Palästina-Demo und der pro-israelischen Gegendemo können hier Alle ganz gut miteinander.

        Aber zu Ihrer brenzligen Situation: Dankenswerterweise lebt Sahra weit inbrünstiger den Kapitalismus, als sie das (für Andere) jemals gutheißen würde, und hat daher die Lektion "Halte Deinen Hauptmarkt im Auge und wahre stets Deinen Markenkern!" komplett verinnerlicht. Das senkt das Risiko einer (kurzfristigen) Verwirklichung Ihrer Horrorvision beträchtlich...

        • @Normalo:

          "Das senkt das Risiko einer !(kurzfristigen)! Verwirklichung Ihrer Horrorvision beträchtlich..."



          Ach, der Herr lässt sich eine argumentative Hintertür?



          Im Ernst; das indirekte Gestalten sollte mensch ned unterschätzen; da wird halt die Kohle für Demokratiefördertage für Schulklassen zusammengestrichen, geförderte Stellen für Initiativen dito, etc. pp..

  • 21.09.24, 14:00 Uhr Potsdam Luisenplatz Kundgebung gegen AfD.

  • "Extrem rechts mit Ansage"



    Porträt des brandenburgischen Spitzenkandidaten der Antidemokraten fD



    www.tagesschau.de/...nburg-afd-100.html

  • Der letzte Absatz sagt ja, worauf es nun erst recht ankommt.

    Dem stehen aber die liebgewonnenen alten Gewohnheiten gegenüber. Diverse Vertreter von CDU, CSU, SPD und FDP verhalten sich gerne so, als wenn die Zukunft nur mit ihnen allein gestaltet werden kann. Wenn dann doch mal einer sich wagt, auf einen Kompromiss zuzusteueren, wird er von der Gegenseite gerne als Verlierer dargestellt, anstatt mal auf ihn zuzugehen. Das bedeutet ja nichts weiter, als dass wir uns viel zu schwer tun, mal eigenen Fehler einzugestehen und den Mum aufbringen, das auch mal so zu kommunizieren. Hochglanzfolie sollte nicht mehr das Maß der Dinge sein. Das wissen zwar viele, tun sich aber schwer damit, den Stein ins Rollen zu bringen, weil sie den großen Aufschrei befürchten. Dabei vergessen sie aber, genau hinzusehen, wer dann laut schreit.

  • Ich habe die bittere Ahnung, dass ein Versuch, die AfD zu verbieten erst dann gestartet wird, wenn es schon zu spät ist.

    Das Verbot einer Partei, die jetzt schon über 30 Prozent im Osten hat, kann jetzt schon heikel sein.

    Zu hoffen wäre, dass die autoritären Charaktere, die AfD wählen, vor der Obrigkeit kuschen, wenn ein Verbot erlassen wird.

    Die richtigen Nazis werden auf die Straße gehen und ich könnte mir vorstellen, dass es zu Unruhen kommen könnte. Was die ohnehin schon gegebene Gefahr für Migranten, LGBTQ und erkennbare Linke massiv erhöhen würde.

    Im Prinzip bin ich für ein Verbot, trotz der Risiken. Gäbe es auf der linken Seite eine Partei mit solchen Wahlergebnissen, die die Demokratie abschaffen oder zumindest deutlich einschränken wollte, sie wäre schon längst verboten.

    Das wurde bei der AfD verpennt. Alles wurde verpennt und alles hat ihr genutzt.

  • Es ist hoffentlich klar, was die Wähler im Osten entschieden haben: Sie wollen keine linke Politik. 60 % AFD/CDU und die Hälfte der CDU-Wähler hat die nur gewählt, damit die AFD nicht noch mehr Stimmen bekommt.

    Die AFD verbieten ist die Lösung?

    Vielleicht mal Politik machen, die die Wähler glaubwürdig und sinnvoll finden? Das wäre die richtige Maßnahme. Die berühmten Radwege in Lima sind den Wählern zu weit weg. Das VW-Werk in Zwickau ist nahe.

    • @EIN MANN:

      Die Wähler im Osten wollen keine linke Politik? Würde ich so nicht behaupten.



      Die Wahlerfolge der AfD gründen sich ja auf Aufregerthemen (vor allem Miogrationspolitik), für die es schon lange realistische Lösungsansätze gibt.



      Ja, da ist dann auch linke Politik dabei.

  • Das Toleranz-Paradoxon wird Popper nicht zugeschrieben (das würde bedeuten, dass die Urheberschaft nicht sicher geklärt ist), es stammt von ihm (Offene Gesellschaft, Bd. 1). Aber um mich nicht an solchen sprachlichen Feinheiten abzuarbeiten: der Rekurs auf das TP (ohnehin eine Banalität, die von Poppers Anhängern als großes philosophisches Lehrstück vermarktet wird) im heutigen politischen Diskurs ist höchst problematisch: es ist ja nicht so, dass Deutschland grenzenlos tolerant wäre (interessant übrigens, dass hier wieder ein rechtes Ideologem Eingang in linkes bzw. liberales Denken gefunden hat): es gibt Gesetze, die sowohl politische Aktivitäten als auch Meinungsäußerungen beschränken und der deutsche Staat macht davon auch Gebrauch – oft genug allzu großzügig. Ein demokratischer Staat darf sich gegen seine Feinde wehren. Er bleibt dabei aber an Gesetze gebunden, wenn er sich nicht selbst in Frage stellen will. Wer also verfassungsrechtliche Bedenken als „German Angst“ abtut, bewegt sich gefährlich nahe am Konzept der Staatsnotwehr. Extremismus ist wie der Teufel: er kann viele Gestalten annehmen.

    • @O.F.:

      Seltsam, wo Sie doch sonst selbst regelmäßig und nachweisbar den Faschismus Russlands relativieren und westliche Werte als “Hegemonie” abtun.

      • @Suryo:

        Reden Sie kein Zeug! Für solche Behauptungen finden Sie nicht einen Textbeleg. Sie lässt viel eher vermuten, dass bei Ihnen, wenn in der Frage jemand nicht Ihre Sicht vertritt, ein gehöriges Kopfkino einsetzt.



        @O.F. Vielen Dank für Ihren Einsatz hier! Ich schätze Ihre Kommentare sehr und lerne, auch wenn ich mal anderer Ansicht bin, eigentlich jedes Mal etwas dazu.

      • @Suryo:

        Dazu müsste erst einmal geklärt werden, ob es sich bei dem russischen Autoritarismus und Imperialismus Putinschen Zuschnitts überhaupt um ein faschistisches Regime handelt … ich meine, BEVOR sie anderen Foristen Relativierung desselben vorwerfen.



        Ich fürchte nur, wir drehen uns dabei argumentativ im Kreis … die Diskussion haben wir an dieser Stelle nämlich schon einmal geführt.

      • @Suryo:

        Es geht in meinem Argument nicht um Moral (deren Gültigkeit man argumentativ ausweisen musste, statt sie nur zu behaupten), sondern um Verfassungsrecht: ein Staat, der rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht genügt, ist kein Rechtsstaat (mehr). Das gilt ganz unabhängig von der moralphilosophischen Relativismus-Diskussion.

        • @O.F.:

          Sind die Ansprüche an einen Rechtsstaat denn etwa nicht Ausfluss von Moral, also der Kategorie, die Sie bei jeder Diskussion von Russland und China ausgeklammert („differenziert betrachtet“) sehen wollen?

          • @Suryo:

            Das sind gleich mehrere Verwechslungen: erstens gibt es einen Unterschied zwischen der Begründung und der Gültigkeit von rechtlicher und moralischer Konzepte (ob ein Rechtsstaat ein Rechtsstaat ist, entscheidet sich anhand formaler Kriterien – und wenn diese nicht erfüllt werden, ist es eben kein solcher mehr), zwischen lokaler und universaler Gültigkeit rechtlicher und moralischer Vorstellungen (wie schon oft betont: Relativismus ist kein Nihilismus: ich bestreite nicht jede Normativität, sondern deren kultur- und zeitabhängige Geltung), und zuletzt zwischen „ausklammern“ und „differenzieren“ – man muss nicht einmal in relativistischen Bahnen denken, um auf Grautöne und Ambivalenzen zu insistieren, ein gewisser Sinne für Details genügt vollkommen. „Der Andere ist böse“ ist keine Moral, sondern verkappter Nationalismus.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @O.F.:

      Meine Verwendung des Partizips „zugeschrieben“ bedarf keiner Korrektur. Denn die Formulierung stellt die Urheberschaft Poppers keineswegs in Frage, geschweige denn, dass sie sarkastisch gemeint wäre. Ebenjene bewusst gewählte Formulierung mit „zugeschrieben“ ist also nicht lediglich grammatisch bzw. stilistisch richtig, sondern auch inhaltlich äußerst fundiert.

      1. Obwohl Karl Popper das Konzept, das wir heute als das „Toleranz-Paradoxon“ bezeichnen, in seinen Werken, v.a. in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, ausführlich diskutiert, verwendete er den Begriff selbst nicht explizit. Der Begriff „Toleranz-Paradoxon“ wurde erst später von anderen Autor:innen und Philosoph:innen geprägt, um Poppers Gedanken prägnant zusammenzufassen und zu popularisieren.

      2. Außerdem lässt meine Formulierung mit „zugeschrieben“ den Einflusses möglicher Vorläufer:innen zu. Als ich im Jurastudium vor vier Jahrzehnten Popper las, und zwar im internationalen Seminar „Morality and the Law“, befasste ich mich z.B. mit dem geistigen Nexus zwischen Popper und Voltaire (1694 – 1778).

      Man(n) müsste begreifen können, dass sich philosophische Konzepte und Begriffe im Laufe der Zeit entwickeln.

      • @Michaela Dudley:

        Eben nicht: Popper hat zwar den Begriff nicht verwendet, aber das TP als philosophisches Konzept wurde von ihm formuliert – und ihm deshalb eben nicht nur zugeschrieben. Interessanter ist der zweite Punkt: ja, natürlich, das TP hat, genau wie andere Philosopheme, eine Vorgeschichte. Deshalb von einer Zuschreibung zu sprechen, geht aber wiederum an der Sache vorbei – weil man damit die Urheberschaft (fast) jeder philosophischen Theorie in Frage stellen könnte – als Gedankenübung ist das sogar sinnvoll, weil man sich so die historische Gewordenheit gängiger Ideen vergegenwärtigt (was eine hilfreiche ideologiekritische Dynamik entfalten kann), man muss sich aber die Grenzen eines solchen Ansatzes vergegenwärtigen, da man die Rolle einzelner Denker als geistesgeschichtliche Hebamme unterschätzt.

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @O.F.:

          Das ist aber nicht überzeugend. Denn schon rein logisch umfasst das Zuschreiben auch die eindeutige, alleinige Urheberschaft. Dass ist ihm zugeschrieben wird, kann sogar als eine bestätigende Anerkennung seitens der Nachfolger:innen betrachtet werden.

          Immerhin sorgt Ihre diesbezügliche Persistenz in der Formsache nicht unbedingt dafür, andere auf inhaltliche Weise mitzuziehen.

          Man(n) müsste ohnehin damit klar kommen, dass die Meinungsfreiheit bei der Formulierung auch anderen Menschen, sogar Schwarzen und Queerfeministinnen, grundsätzlich zusteht. Übrigens: Popper war ein vehementer Kritiker von Dogmen und geschlossenen Systemen. Er betonte die Bedeutung der kritischen Überprüfung von Theorien.

          Wie in der Philosophie, gilt auch hier: Die Sachlichkeit erlangt man nicht unbedingt durch Schachtelsätze. Wer meint, der Pedanterie den Nimbus der Präzision zu verleihen, verkennt, dass wahre Klarheit oft in der Einfachheit liegt.

          Mansplaining, ganz egal, von welchem Gender es betrieben wird, ist sicherlich auch eine Art Disziplin. Aber das gabe es schopn immer,. Auch wenn der Begriff relativ neu ist.

          • @Michaela Dudley:

            Ich finde es schade, dass Sie persönlich werden, statt bei der Sache zu bleiben (was in Diskussionsforen ohnehin sinnlos ist: Sie wissen ja gar nichts über mich). Aber zum eigentlichen Gegenstand: der Begriff „Zuschreibung“ impliziert, dass die Urheberschaft nicht geklärt ist – in diesem Fall die eines Konzepts, nicht eines Begriffs (spätestens seit Ockham sollte man beides trennen…). Mit der Frage, ob diese Konzepte auch eine Vorgeschichte gibt, hat das nichts zu tun, denn keine philosophische Idee kommt aus dem Nichts: der kategorische Imperativ und der Hylemorphismus bauen auch auf einer vorangehenden Geistesgeschichte auf – aber niemand würde behaupten, dass sie Kant oder Aristoteles nur zugeschrieben werden. Selbiges gilt für das Toleranz-Paradoxon. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass diese sprachliche Korrektur ja nur ein Nebenaspekt meines eigentlichen Arguments war, das Sie leider übergangen haben.

  • Eben weil SPD/Grüne/Die Linke scheinbar ein PRoblem mit der "Wahrehmung" haben liegen die Ergebnisse der Wahlen so wie sie sind.



    Ein Verbot der AfD löst insofern KEINES dieser - in der Wahrnemung der Büger - bestehenden Probleme. Die Ansätze der eben genannten Parteien treffen einfach nicht auf Zustimmung.



    Das hat nichts mit völliger Übereinstimmung zu tun - die Ziele liegen hier einfach diametral gegenüber.

  • Ich meine je länger mit der Anwendung von Art. 21 Abs. 2 GG gewartet und gehadert wird desto eher tritt Art. 20 Abs. 4 GG in Kraft.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Winternight:

      Guter Punkt zum Nachdenken.

      Denn ebenda steht: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

      • @Michaela Dudley:

        Der Artikel 20 Abs. 4 wurde in Folge der Notstandsgesetze 1968 ins Grundgesetz aufgenommen um zivilen Widerstand eine rechtliche Legitimation einzuräumen.

        Relevant kann Recht auf Widerstand aber lediglich dann werden, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch Usurpatoren beseitigt wird und sich Menschen gegen die neuen Machthaber und deren Unrechtssystem beispielsweise auch mit Gewalt zur Wehr setzen. Diese Widerstandskämpfer hätten dann nicht im rechtsfreien Raum gehandelt, sondern haben eine verfassungsrechtliche Legitimation, wenn wieder das Grundgesetz gilt.

        Gedankenspiele hinsichtlich dessen sind in naher und ferner Zukunft jedoch reine Utopie.

  • Ein Verbot der AfD beseitigt nicht ein einziges der Probleme, mit deren Ansprache, unterstützt durch hilflos aktionistisches Flügelschlagen der anderen Parteien, die AfD offensichtlich immer erfolgreicher auf Stimmenfang geht.

    • @Trabantus:

      Nein, vermutlich nicht. Aber ein Verbot würde erstmal verhindern, das diese Ekelpartei irgendwo an die Macht kommt. Das die immer mehr Zuspruch bekommen ist ja eher die Folge eines dumpfen Gefühls als auf der Realität begründet. Es ist ja nicht so, als hätte die AfD irgendwo mal was Sinnvolles hinbekommen. Wirklich hilfreich wäre es, wenn die demokratischen Parteien klare Position beziehen würden, statt sich von rechten Demagogen vor sich hertreiben zu lassen und das sie auch zu ihren Wahlversprechen stehen.

      • @Squirrel:

        Und ich sage es trotzdem zum wiederholetn Male. Ein Verbot der AfD beseitigt nicht die Überforderung vieler Kommunen, mangelnde Integrationsbereitschaft vieler Zugewanderter oder auch fehlende Ressourcen derer, die sich aktiv um Integration bemühen. Es ließe die wachsenden Anteile von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gewaltkriminalität ebenso wenig verschwinden, wie es die Kapazitäten in Kitas, Schulen und Ämtern wachsen ließe, die zur Bewältigung der sogenannten Integrationsanforderungen notwendig wären. Und weil immer mehr Menschen diese Fakten klar vor Augen haben, vielleicht oder gar sicher von den negativen Auswirkungen der Defizite betroffen sind, wächst der Unmut gegenüber den Verantwortlichen. Damit rechtfertige ich nicht die Wahl einer Partei, die sie, damit auch deren Mitglieder und Wähler als "Ekelpartei" bzeichnen und in meinen Augen diffamieren. Das ist Ausdruck dumpfen Gefühls und mitverantwortlich für die Einstellung von "jetzt erst recht(s)".

        • @Trabantus:

          Nichts von dem, was Sie hier anführen ist auch nur annähernd do problematisch, wie Sie und unsere Medien es machen. Tatsächlich sinken die Zahlen bei Asylanträgen. In dieses zunehmend unfreundliche Land wollen gar nicht mehr so viele kommen. Sie reden hier über künstlich aufgebauschte Probleme, die die realen Probleme überdecken. Das drauf dreschen auf die Schwächsten der Gesellschaft istzwar einfach, hat aber noch nie Probleme gelös. Kleiner Blick in die Geschichtsbücher, Mitte des 20.Jahrhunderts.