Juristin Beate Bahner in der Klinik: Anwältin aus Psychiatrie entlassen
Sollte eine staatskritische Anwältin mundtot gemacht werden? Es handelte sich wohl eher um einen tragischen Absturz.
Beate Bahner glaubt, dass das Coronavirus nicht gefährlicher ist als die Grippe. Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens hält sie deshalb für illegale „Tyrannei“. Großspurig sprach sie vom „größten Rechtsskandal, den die Bundesrepublik Deutschland je erlebt hat“. So wurde Bahner zum Star der Corona-Skeptiker. Ihr Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht scheiterte jedoch vorige Woche aus formalen Gründen. Ein weiteres Verfahren am Verwaltungsgerichtshof Mannheim wird wohl erst Ende April entschieden.
In den Tagen vor Ostern wurden Bahners Postings immer eigenartiger. So verkündete sie eine „Corona-Auferstehungs-Verordnung“, in der sie eigenmächtig die Wiedereröffnung aller Geschäfte anordnete.
Die Situation eskalierte am Sonntagabend. Bahner lief nach eigener Darstellung in Panik auf die Straße, weil sie sich durch zwei Männer in einem Auto in ihrer Tiefgarage bedroht fühlte. Sie sprach Passanten an, damit diese die Polizei rufen, denn sie werde verfolgt. Die hinzukommenden Polizisten trafen auf eine Frau, die einen „sehr verwirrten“ Eindruck machte und ärztliche Hilfe ablehnte. Nach Darstellung der Polizei trat Bahner nach einem Beamten.
Große Empörung bei den Verschwörungstheoretikern
Die Polizisten legten Bahner daraufhin Handschellen auf dem Rücken an und brachten sie zu Boden. Insofern stimmen die Schilderungen von Bahner und Polizei weitgehend überein. Die Polizisten sahen eine Eigengefährdung von Bahner und nahmen sie deshalb polizeirechtlich in Gewahrsam. Sie brachten sie aber nicht auf die Wache, sondern direkt in die Heidelberger Psychiatrie. Dort entschied dann ein Arzt, dass sie bleiben muss. Rechtsgrundlage war ab nun das baden-württembergische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz.
Ab Montagabend kursierte ein verstörender Audio-Mitschnitt, angeblich eines Telefongesprächs Bahners mit ihrer Schwester, bei dem aber nur die Anwältin redete. In ironischem Ton sprach sie dabei 12 Minuten lang über die Festnahme und die Behandlung in der Psychiatrie. Am drastischsten ist die Passage über den angeblichen Angriff eines Polizisten auf Bahner nach Eintreffen in der Psychiatrie: „Dann hat er mich wieder auf den Boden gedrückt und hat meinen Kopf in ein Meter Höhe auf den Steinboden geknallt, keiner hat was gesagt, niemand hat reagiert, ich hab' es bis heute noch nicht verbunden gekriegt.“
Die Audio-Datei löste in Kreisen der Corona-Skeptiker große Empörung aus. „Ab jetzt kann jeder Bundesbürger, der sich irgendwie kritisch zu den Lockdown-Maßnahmen äußert, damit rechnen, jederzeit willkürlich verhaftet und in die Psychiatrie weggesperrt zu werden“, schrieb etwa der Impfkritiker Hans U.P. Tolzin. Die Psychiatrie-Einweisung Bahners war nun zum Politikum geworden.
Am Dienstagnachmittag wurde Bahner wieder aus der Psychiatrie entlassen. Nach Darstellung der Juristin hatte die Klinik zwar eine längere Unterbringung beantragt, doch eine Heidelberger Amtsrichterin lehnte den Antrag ab.
Die AfD demonstriert mit
Anzeichen für ein Komplott der Staatsmacht gibt es nicht. Bahner hat den Polizeieinsatz am Ostersonntag ja selbst veranlasst. Die beiden Polizisten wussten zunächst auch gar nicht, mit wem sie es zu tun hatten.
Doch schon die Annahme, dass die juristische Kritik Bahners eine Gefahr für die derzeitige Lockdown-Politik hätte sein können, geht fehl. Bahners Argumentation, dass das Infektionsschutzgesetz im Wesentlichen nur Maßnahmen gegen Kranke zulässt und nicht gegen „83 Millionen Gesunde“, wird kaum Erfolg haben. Schließlich erlaubt das Gesetz ausdrücklich allgemeine Einschränkungen, wenn es notwendig ist, die Verbreitung eines Virus zu hemmen, etwa das Verbot von Veranstaltungen und Ansammlungen, die Schließung von Schwimmbädern, Kindergärten und Schulen.
Hier könnte die Geschichte zu Ende sein, doch Bahner hat weiter Ärger mit der Staatsmacht. Seit voriger Woche ermittelt nämlich die Staatsanwaltschaft Heidelberg gegen die Rechtsanwältin wegen Aufrufs zu Straftaten. Bahner habe zu „Coronoia“-Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen aufgefordert – obwohl Demonstrationen derzeit bundesweit fast überall verboten sind. Am gestrigen Mittwoch um 13 Uhr musste Bahner deshalb bei der Kripo Heidelberg zur Vernehmung erscheinen.
Vor dem Kripogebäude empfingen rund 200 Unterstützer Bahner, Mit dabei war auch der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple. Es gab „Wir sind das Volk“-Sprechchöre. Bahner machte auf Videos der Kundgebung einen selbstbewussten Eindruck, zeigte Victory-Zeichen und warf Kußhände. Kopfverletzungen waren nicht zu sehen. Die Polizei ließ die unangemeldete Kundgebung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gewähren, obwohl der Abstand von 1,5 Metern bald nicht mehr eingehalten wurde.
Selbst Bahners Anhänger sind mittlerweile verwirrt
Nach der rund halbstündigen Vernehmung hielt Bahner eine Ansprache. Man solle nicht glauben, was in der „rechten Lügenpresse“ über angebliche Misshandlungen durch die Polizei gestanden habe. Sie wolle das nun klarstellen. In Wirklichkeit sei sie betrunken vom Fahrrad gefallen, sagte sie in sarkastischem Ton – so als lebe sie in einer Diktatur, in der man nicht mehr die Wahrheit sagen könne.
Bahners Anhänger im Netz zeigten sich nach dem Auftritt gespalten. Manche lobten die pfiffige „Eulenspiegelei“, andere fühlten sich durch die „Inszenierung“ veräppelt. Impfkritiker Tolzin, der sich Klarheit erhofft hatte, will Bahner künftig nicht mehr unterstützen.
Bisher gibt es keine Ermittlungen gegen die Polizei wegen Bahners Misshandlungs-Vorwürfen aus dem Audio-Mitschnitt. „Es liegt keine Strafanzeige von Frau Bahner vor“, sagte Polizeisprecher Norbert Schätzle auf Nachfrage.
Dagegen ermittelt die Polizei gegen Bahner nun auch wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“. Anlass ist das angeblich rabiate Verhalten Bahners am Sonntagabend. Hier könnte der Anwältin allerdings die folgende Psychiatrie-Einweisung nützen. Wer in schuldunfähigem Zustand einen Polizisten tritt, bleibt straflos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen