Jüdischsein in Deutschland: Hat es sich geändert?
Der Literat und KZ-Überlebende Ivanji hat sich nach dem Ende des Nationalsozialismus nie gefragt, wie es ist, als Jude nach Deutschland zu reisen. Nun schon.
Belgrad taz | Sieben Jahre nach meiner Befreiung aus dem KZ kehrte ich nach Deutschland zurück. Am 11. April 1945 wurde ich von Amerikanern aus dem Konzentrationslager „Magda“, einem Außenlager von Buchenwald nahe dem Dorf Langenstein-Zwieberge, gerettet. 1952 reiste ich als junger Journalist nach Deutschland. Man fragte mich, wieso ich nach allem, was ich in Konzentrationslagern als Jude erlebt hatte, überhaupt wieder in dieses Land fahre. Wieso ich so gerne Deutsch spreche und nicht die Sprache der Nazis meide.
Ich sagte, die Sprache der Nazis sei hässlich gewesen, Hitlers Reich habe den Krieg verloren, ich aber fahre zur Quelle der Sprache Goethes und Schillers. Klingt wie eine Phrase? Mag sein, aber das war nun mal meine Antwort.
Seither war ich jedes Jahr meist mehr als einmal in Deutschland. Siebzig Jahre lang habe ich die meisten deutschen Großstädte mehr als einmal besucht, das letzte Mal in diesem Jahr Ende August in Weimar, für das nächste Jahr habe ich schon drei Einladungen nach Deutschland. Nie, bei keiner Einladung, bei keiner Reise nach Deutschland habe ich je daran gedacht, dass ich Jude bin.
Ist das jetzt anders?
Hatte ich am Ende des Krieges Rachegefühle?
Eines hat mich in diesem Land immer gestört. Wo immer ich vorgestellt wurde und werde, heißt es, ich sei Jude und Titos Dolmetscher gewesen. Beides stimmt, aber ich hätte es lieber, wenn man stets zuvorderst betonen würde, ich sei Literat – obwohl ich weiß, dass Tucholsky meinte, es gäbe nichts Schlimmeres, als wenn Literaten Literaten Literaten schimpfen.
Jude sein habe ich in Deutschland stets als Bonus empfunden, hat sich das jetzt geändert?
Eine weitere Frage, die ich mir seit Neuestem stelle, lautet: Hatte ich am Ende des Krieges, als Deutschland in Schutt und Asche gelegt wurde, Rachegefühle? Noch vor kurzer Zeit hätte ich es energisch verneint. Jetzt analysiere ich mein früheres Benehmen, meine Gedanken am Ende des Krieges und stutze.
Schon meine Eltern waren Atheisten, ich kannte den jüdischen Glauben nicht.
Aber schaue ich heute noch einmal zurück, denke ich anders über mich.
Ich sah, was Bomben angerichtet haben
Am 8. April 1945 wurde im Lager Magda die Arbeit eingestellt, kein Essen mehr ausgegeben. Manche von uns, die fit genug waren, konnten von dem Berg aus, in dem wir Tunnel gebaut hatten, das 8 Kilometer entfernte Halberstadt sehen, das gegen 11 Uhr vormittags bombardiert wurde. Einzelheiten wussten wir natürlich nicht, sahen aber schwarze Wolken aufsteigen, Stichflammen zum Himmel streben. Später erfuhr ich, dass 540 Spreng- und 50 Tonnen Brandbomben abgeworfen worden waren.
Als ich am 14. April durch Halberstadt wanderte, sah ich, was die Bomben angerichtet hatten: Es sah so aus wie die Bilder, die heute im Fernsehen aus der Ukraine oder dem Gazastreifen zu sehen sind
Als ich am 14. April durch die Stadt wanderte, sah ich, was die Bomben angerichtet hatten: Es sah so aus wie die Bilder, die heute im Fernsehen aus der Ukraine oder dem Gazastreifen zu sehen sind. Um zu sehen, was mit den Städten passiert ist, die bombardiert wurden, haben wir heute Hubschrauber und Drohnen. 1952 musste ich noch 533 Stufen auf den Kölner Dom steigen, um diese furchtbare Ansicht in Augenschein zu nehmen.
Ich hätte früher nie eingestanden, dass meine Gedanken damals einem jüdischen Rachegefühl entsprungen seien, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich habe meine jüdische Herkunft zwar nie geleugnet, aber betont hab ich sie eben auch nicht.
Ich war damals in Köln als Journalist den Dom hinaufgegangen und habe nicht an die Menschen gedacht, die erschlagen, verbrannt oder „nur“ ihrer Wohnungen und Häuser, ihres Hab und Gut beraubt wurden, fragte mich nicht, ob die alle Nazis gewesen seien oder „nur“ Mitläufer. Heute muss ich gestehen: ich fühlte Genugtuung.
Ein einziges Mal war ich zum Gottesdienst in einer Synagoge
In Deutschland kam ich, als Zeitzeuge vor verschiedenen Gremien sprechend, nie am Holocaust vorbei. Ein einziges Mal im Leben war ich an einem Samstag zum Gottesdienst in einer Synagoge. Und das ausgerechnet in Deutschland, in München. Ein evangelischer Pfarrer hatte mich bewogen, mit ihm hinzugehen, er war mit dem Rabbiner befreundet. In Gotteshäusern, die ich gerne besuche, benehme ich mich als höflicher Gast, setze in Synagogen den Hut auf, nehme ihn in christlichen Kirchen ab, ziehe mir in Moscheen die Schuhe aus. Den Anfang einiger jüdischer Gebete kenne ich, das Vaterunser merkwürdigerweise auf Ungarisch auswendig.
Angeregt, mich mit den verschiedenen Formen von Glauben näher zu beschäftigen, haben mich die Bücher des Philosophen Karl Jaspers. Ich stellte verwundert fest, dass der erste und bisher letzte Begründer großer Religionen, Prinz Siddharta Gautama, der Buddha, der Prophet Mohammed historische Personen waren, bei Moses und Jesus ist man sich da nicht so sicher.
Wenn sich gute Legenden so lange halten wie der Glauben der Juden und das Christentum, werden sie wahrer als jede Wahrheit. Ich habe die Thora auch als Liebesroman und Krimi gelesen, Abrahams nur kurz angedeutete Liebe zur Sklavin Hagar, die die Urmutter des Islam wurde, in Gedanken so weit ausgebaut, dass es ein Roman mit dem Titel „Hineni“ geworden ist.
Warum erzähle ich das alles? Weil ich folgendes feststellen muss: Ich bin siebzig Jahre lang durch deutsche Städte spaziert und nie auf Antisemitismus gestoßen. Einschränkend muss ich sagen: spaziert bin ich hier wie dort ohne Kippa oder andere Besonderheiten, die mich als Jude gekennzeichnet hätten. Es ist nun mal meine Erfahrung, dass ich in Deutschland keine Antisemiten kannte. Und jetzt soll alles anders sein?
Sollte ich Angst haben?
Was mache ich denn nun, wenn ich nächstes Jahr unterwegs auf einer deutschen Straße auf einen antiisraelischen, brüllenden Protestmarsch mit aufregender Polizeibegleitung stoße? Ich werde wohl stehen bleiben und die wahrscheinlich meist jungen Gesichter betrachten, die mir im Prinzip sympathisch wären, die sich für mich, einen bürgerlich gekleideten Greis, nicht interessieren.
Sollte ich trotzdem Angst haben? Jude sein auf deutschen Straßen, geht das überhaupt noch?
Wie gerne würde ich mit den jungen Leuten ins Gespräch kommen, ihnen sagen, dass ich ihre Sache im Grunde genommen bis zum 7. Oktober 2023 befürwortet habe. Ich würde sie fragen, ob sie diese Blutrünstigkeit, diesen Mordwahn gutheißen. Ich habe einmal etwas Ähnliches versucht. Es ging schief.
Es war in einer staatlichen Berufsschule ausgerechnet in Dachau 2017. Ich hielt dort einen Vortrag über Konzentrationslager. Danach kamen einzelne Schülerinnen und Schüler zu mir, um Fragen zu stellen. Ein junger Mann fragte gehässig: „Warum ermordet ihr Juden uns Palästinenser?“ Ich versuchte, ruhig zu bleiben, sagte, es komme nun einmal zu gegenseitigen Einzelangriffen mit Todesfolgen und wie schrecklich bedauerlich das sei, aber er hörte gar nicht zu, sondern fragte weiter: „Warum habt ihr uns unser Land gestohlen?“
Ich schlug vor, er solle im Koran nachlesen, dass Ismail, der Erzvater aller Araber, und Isaak, der Erzvater aller Juden, Söhne des gemeinsamen Urvaters Abraham oder auf Arabisch Ibrahim gewesen seien und dass die beiden geschworen hätten, friedlich miteinander zu leben, und also beide Nachfahren Anspruch auf das Land haben.
Aber der junge Mann ging einfach weg.
Als Schüler dieser Eliteschule hatte er sicher Aussichten auf ein gutes Leben. Er sprach gut Deutsch, kleidete sich wie die meisten seiner Schulkameraden, überwiegend Deutsche. Und trotzdem: ich hielt es für möglich, dass dieser Junge einen Sprengstoffgürtel unter seinen Pullover anziehen und möglichst viele Menschen in den Tod reißen würde. Dieser junge Mann, er war um die siebzehn, blieb als die Personifizierung des Todes in meinem Gedächtnis, ich hatte es nur jahrelang verdrängt, jetzt aber, nach dem Massaker in Israel, ist er wieder aufgetaucht. Vielleicht wird er, wenn ich im nächsten Jahr wieder in Deutschland bin, an mir vorbeigehen, vielleicht Fahnen schwenkend, vielleicht schreiend und marschierend. Und ich kann nur hoffen, dass er sich wieder von mir abwendet und weggeht und nichts Schlimmes passiert.
Vor mehr als zweihundert Jahren schrieb Goethe: „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ Ich frage mich ernsthaft, ob das noch gilt.
Leser*innenkommentare
Lowandorder
Schau/les ich ins around - bleibt mir nur
Danke - klug-weiser Schattenspringer.
unterm———
Der Kleine vergaß die Begegnung mit den Fahrzeugen, die für andere den Tod brachten, ihm jedoch Dinner- und Breakfast-Pakete zuwarfen. Er musste seine Gangart so verändern, dass er keinen Schatten berührte.'Sechzehn Jahre ist 'der Kleine' alt, der sich nach der Befreiung ausdem Konzentrationslager Buchenwald auf den Weg zurück in das heimatliche Jugoslawien macht. Der eben erst freigekommene Held in Ivan Ivanjis eindrucksvollem Roman steht zwischen der seinem Alter entsprechenden Unbekümmertheit, den sentimentalen Erinnerungen an die Kindheit und einem tiefen Wissen vom Leben und der Welt, den Erfahrungen der Verfolgung. Lebens- und Erlebnishunger sind sein Antrieb bei der Wiederentdeckungder Welt, die physisch wie psychisch, materiell wie moralischeine Trümmerwelt ist und in der 'der Kleine' sich behaupten,sich seinen eigenen Weg ohne taugliche Vorbilder schaffen muss.Mit gehöriger Skepsis vor der Verlässlichkeit der eigenen Erinnerungbeschreibt Ivanji klar und unsentimental die Rückkehr seines Helden,der keine Hoffnung auf Wiederbegegnungen hat. Auch der idealisierteVater, der bis dahin immer Wort gehalten hat, wird diesmal sein Versprechen, sicher wiederzukommen, gebrochen haben.Ivan Ivanjis beeindruckender Roman über eine überschattete Kindheit…“
Sorry - aber was wird sich hier echt angemaßt.
(Imre Kertész - Roman eines Schicksallosen - läßt Grüßen!)
Lowandorder
@Lowandorder und nochens - weil ja scheint’s ne Fehlstelle - LESEN - Ivan Ivanji -
“Folgen der Hamas-Barbarei: Wieso ich mich wieder als Jude fühle
Ivan Ivanji überlebte die KZs. Er stand immer auf der Seite der Palästinenser – bis zum letzten Samstag. Jetzt kann er nicht mehr ruhig bleiben.
taz.de/Folgen-der-...295&s=Ivan+ivanji/
Ausriß “…Bis letzten Samstag stand ich aufseiten der Palästinenser. Ich habe die israelischen Regierungen verurteilt, die die Idee einer Zweistaatenlösung ablehnten. Zu meinem Kummer fand auch nur eine Minderheit der Israelis diese Idee gut. Dabei stand am Anfang dieser Idee vor 29 Jahren der Friedensnobelpreis, den der Palästinenserpräsident Jassir Arafat und die israelischen Politiker Jitzhak Rabin und Schimon Peres dafür erhielten.
Wäre der Konflikt mehr oder weniger auf gegenseitige Raketenangriffe begrenzt geblieben, so wie es bisher immer der Fall war, hätte sich meine Sympathie vielleicht auf Palästinenser und Israelis verteilt. Vielleicht. Aber nach dieser unbeschreiblichen Barbarei kann ich nicht mehr ruhig bleiben. Kann das irgendjemand? Ich, trotz meiner Rationalität, kann es nicht.…“
&
“…Die israelische Armee ist diszipliniert, aber die jungen Kämpfer haben wahrscheinlich Angehörige verloren und Bilder der abgeschlachteten Juden vor Augen. Sie werden schwere Kämpfe in brenzligen Situationen mitten in bewohnten Orten auszuführen haben.
Werden sie sich an das Kriegsrecht halten?
Werden sie alle Palästinenser bekämpfen, nicht nur die Mitglieder der Hamas? Oder werden sie korrekt bleiben und sich an das Kriegsrecht halten? Ich bin nicht sicher, ob ich das könnte, wenn ich an ihrer Stelle wäre.…“
kurz - Quel homme -
Rudolf Fissner
Der Vergleich mit Deutschland hinkt.
Wolfsohn sagte unlängst in der taz: "Der Zionismus ist eine Reaktion auf den innenpolitischen Antisemitismus in den Ländern Europas, in Frankreich, in Deutschland, in Osteuropa vor allem. Immer wieder gab es Pogrome bis hin zum Holocaust. Es war vom Beginn der zionistischen Besiedlung von Palästina, oder Zion wie die Juden sagen, klar, dass es zu einem Clash mit der örtlichen Bevölkerung kommen würde. "
taz.de/Historiker-...konflikt/!5976741/
Kurz: Der Nahe Osten war nicht die Ursache für das zionistische Projekt Israel und die gewaltsame Übernahme von Land der ursprünglichen Bevölkerung war von Beginn an eingeplant.
Das sind die Prozesse der letzten Jahrzehnte und sie werden sich wohl auch in Zukunft noch fortsetzen. Irgendwann wird auch das Westjordanland Teil Israels sein.
Friede ist dabei nicht das Ziel. Und Frieden wird man mit Kolonialpolitik auch nicht erreichen.
*Sabine*
@Rudolf Fissner Ich hätte es fair gefunden, wenn man nach dem 2. Weltkrieg einen großen Teil von Deutschland den jüdischen Menschen aus aller Welt als Siedlungsgebiet/Heimat/Land zur Staatsgründung zur Verfügung gestellt hätte. Wobei die biblischen Stätten für jüdische Menschen dann verloren gewesen wären und die jüdischen Bürger vielleicht auch nicht in der Nähe ihrer Massenmörder leben wollten, was ich verstehen kann.
"Irgendwann wird auch das Westjordanland Teil Israels sein."
Ich würde mich darüber freuen, wenn es auf friedlichem Weg möglich ist, auch weil ich denke, dass das Leben für homosexuelle, weibliche, atheistische palästinensische Menschen in Israel wohltuender ist, als in einem Scharia-Rechtsgebiet.
Allerdings denke ich nicht, dass das Westjordanland dauerhaft ein Teil Israels werden wird, und frage mich auch, ob und wie sich Israel/jüdische Menschen grundsätzlich auf lange Sicht gesehen gegen die Feinde in der Region und auch weltweit positionieren kann.
Gegenwärtig sehen wir/sehe ich, wie weit verbreitet der Hass auf Juden und die Ablehnung dieser Menschen (die ich übrigens in keiner Weise nachvollziehen oder verstehen kann) überall in der Welt ist. Viele solidarisieren sich eher auf der Seite der Mörder und Vergewaltiger des 07.10. als auf der Seite der Opfer, für mich unvorstellbar.
Es gibt ca. 15,3 Millionen jüdische Menschen auf dieser Welt und ich hoffe sehr, dass sie überhaupt eine Überlebenschance haben werden.
(Dies zu Ihrer Vermutung, dass das Westjordanland "final" (sofern in der Menschheitsgeschichte überhaupt etwas "final" ist) zu Israel gehören wird.)
oct7map.com/women
Encantado
@Rudolf Fissner "Friede ist dabei nicht das Ziel. Und Frieden wird man mit Kolonialpolitik auch nicht erreichen."
Dann haben Sie doch sicherlich auch eine tragfähige Vorstellung, wie Israel stattdessen vorgehen soll, angesichts seiner mörderischen Nachbarn?
*Sabine*
Dass Sie die aktuelle, israelische Regierung als "Monstrum" sehen, die Taten der Hamas/palästinensischen Seite aber nicht als "monströs", finde ich bemerkenswert.
"Dass die Hamas eine Terror Organisation ist, versteht sich von selbst."
Leider versteht sich das nicht von selbst, wie Ihnen vermutlich bekannt ist (Judith Butler, Linke, Herr Erdogan u.v.m.).
"Aber die Tötung so vieler ziviler Opfer als Antwort ..."
Wissen Sie, wieviele der traurigerweise getöteten Menschen Israel zu verantworten hat, obwohl ca. 20% der Hamas-Raketen in Gaza abstürzen, die Hamas ihre eigenen Bürger und teilweise Wähler als Schutzschilde missbraucht bzw. manche palästinensische Bürger diese Möglichkeit Märtyrer zu werden, freiwillig annehmen, die Hamas ihre Vorräte und Medikamente nicht mit den Bürgern teilt, sie nicht in den Tunneln Schutz suchen lässt und die Zahlen der Gesundheitsbehörde nicht ungeprüft geglaubt werden können?
Jede/r Tote/r ist eine/r zuviel, aber Israel/die jüdischen Menschen haben sich diesen Krieg nicht ausgesucht.
oct7map.com/women
Rudolf Fissner
@*Sabine* "Zahlen der Gesundheitsbehörde nicht ungeprüft geglaubt werden können?"
Warum nennen Sie nicht die Zahlen, die Israel kennt?
Und wieviele Menschen glauben Sie sterben, wenn man große Teile einer dicht besiedelten Stadt in Schutt und Asche legt?
www.fr.de/politik/...l-zr-92675477.html
*Sabine*
@Rudolf Fissner "Und wieviele Menschen glauben Sie sterben, wenn man große Teile einer dicht besiedelten Stadt in Schutt und Asche legt?"
Da sie vorher gewarnt wurden, nehme ich an, dass die meisten geflohen sind und, so hoffe ich, die weniger mobilen Mitbürger mitgenommen haben.
Es gab auch die Möglichkeit, falls die Hamas verhindern wollte, dass die Bürger fliehen, die IDF oder andere offizielle Stellen zu kontaktieren und um Unterstützung zu bitten.
Und ein Punkt, über den ich seit Jahren grüble und nicht einschätzen kann, ist, ob Anhänger des Islam doch noch etwas stärker im Märtyrertum verhaftet sind, ähnlich wie die Christen in den Anfangsjahren und somit sich selbst und/oder andere aus religiösen Gründen "opfern".
Nach den Zahl aus Israel werde ich googeln. Habe ich bisher nicht gemacht, weil ich nicht weiß, inwiefern diese Zahlen glaubwürdig sind und gegenwärtig überhaupt schon zuverlässige Informationen verfügbar sind. Danke für den Hinweis.
Abdurchdiemitte
@*Sabine* Über die Frage, ob der Islam das „Potential“ hat, aus diesem archaischen, todbringenden Märtyrerkult auszusteigen und eine ähnlich positive Entwicklung wie Juden- und Christentum seit den Zeiten der Aufklärung zu nehmen, denke ich auch oft nach. Immerhin sind alle drei als monotheistische, abrahamitische Religionen „Geschwister im Geiste“. Eigentlich ist das Judentum - um im Bilde zu bleiben - die Mutter, deren legitime Kinder Christentum und Islam sind. Von daher schon verbietet sich auch für Muslime der Judenhass, es ist, als würde man sich damit nur selbst oder seine Familie hassen.
Vielleicht aber liegt gerade im strikten Monotheismus der Abrahamiten das Problem mit Intoleranz, Hass und Gewalt? Leider findet sich das auch bei Juden und Christen, es befindet sich sogar wieder auf dem Vormarsch.
Gruffy
Lieber Herr Ivanji, Sie haben völlig recht, von den drei Typen des Antisemitismus die es heute in Deutschland gibt (dumpfer Antisemitismus, interlekektueller Antisemitismus, kirchlichlicher Antisemitismus), ist der von Ihnen geschildert Antisemitismus der am schwersten zu bekämpfende. Das ewig gleichsetzen oder das wird man ja noch sagen dürfen, wir kritisieren ja nur die Nethanjau istwiderwärtigbund vor allem Antisemitismus.
Delphina Jorns
Der Autor versucht, die Singularitaet des 7. Oktober 2023 zu begruenden - damit steht er nicht allein. Aber auch dieser Tag hat eine Vorgeschichte, und es ist weder politisch weise noch ethisch geboten, auf Graeuel mit Greueln zu antworten; es ist wohl auch militaerisch nicht zielfuehrend. (Das einzig legitime Ziel des Krieges ist der Frieden, das hat jeder ordentlich ausgebildete Offizier mindestens schon einmal gehoert.)
Vor und nach dem 7. Oktober 2023 ist die einzige Alternative zum Krieg der Frieden. Den kann man sich auch wehrhaft vorstellen, aber nicht blutruenstig.
Den Frieden zu gewinnen ist das Schwierigste von Allem, aber was ist die Alternative? Und es wird nur im Dialog gelingen, auch nach dem 7. Oktober. Auch wenn die Dummheit wieder einmal triumphiert.
Zur Erbauung ein Zitat aus der gemeinsamen Ideengeschichte der abrahamitischen Religionen (das Blutbad zu Sichem):
www.bibelwissensch.../bibel/LU17/GEN.34
Warum ist dieser Text fuer Juden und Christen kanonisch?
Klaus Kuckuck
@Delphina Jorns Würde Israel "Graeuel mit Greueln" beantworten, wäre die Hamas bereits nach wenigen Tagen Militäreinsatz ausgelöscht gewesen. Und mit ihr alle Unterstützer und Nichtunterstützer. Israel ist diesen Weg, den Sie woher auch immer behaupten, belegbar nicht gegangen. Im Gegenteil: Israel zahlt mit dem Blut seiner Soldaten, um möglichst gezielt und präzise gegen Hamas vorzugehen. Dass dabei trotz aller Vorsicht Zivilisten sterben, hat die Hamas mit ihrer menschenverachtenden kriegsverbrecherischen Taktik der "menschlichen Schutzschilder" zu verantworten. Sich nicht mit allen angrmessenen Mitteln zu verteidigen, kann niemand ernsthaft von Israel erwarten. Für den Tod palästinensischer Zivilisten wird Israel dadurch nicht verantwortlich.
KatholischerVerbindungsstudent
@Delphina Jorns Sie haben möglicherweise recht, es geht darum, in einen Dialog zu treten. Dafür muß man die Sprache seines Gegenübers sprechen, um verstanden zu werden.
Israel hat die Sprache der Hamas am 07.10.2023 sehr schnell und sehr gut gelernt.
AM YISRAEL CHAI!
Peace85
Sprengstoff Gürteltrager sind , Gott sei Dank, in der westlichen Welt nicht mehr präsent.
Wer diese Selbstmörder an die Kandare gelegt hat, weiß man nicht, auch egal ....es ist gut so.
Angst und Schrecken einjagen ja...aber zielführend für irgendein muslimisches Ziel ungeeignet.
Andreas Dahlinger
Ob Sie es nun glauben oder nicht. Herr Ivanji. Aber man kann durchaus die aktuelle israelische Regierung als ein unmenschliches, völkermordendes Monstrum sehen, ohne Antisemit zu sein. Warum weigern Sie sich, dass man das trennen kann?
Dass die Hamas eine Terror Organisation ist, versteht sich von selbst. Aber die Tötung so vieler ziviler Opfer als Antwort steht in keinem Verhältnis und hat mit Selbstverteidigung nichts mehr zu tun. Das wird nun noch mehr Palästinenser in die Arme der Hamas treiben.
Fran Zose
@Andreas Dahlinger Man kann alles; man kann auch wie Sie in dieses Monstrum sehen nur hat man deswegen noch lange nicht recht.
Das Monstrum ist die Hamas; es ist die Hamas die wissentlich und in perfidem Kalkül ihre eigene Bevölkerung missbraucht; die keinen Hehl daraus macht, dass die toten Zivilisten auch in ihrem Sinne sind. Aber man kann diese Tatsache auch nonchalant unter den Tisch fallen lassen mit der Bemerkung es sei halt eine Terrororganisation aber das wahre Monstrum sei Israel.
Welches Verhältnis ist den bitte angemessen Ihrer Meinung und vor allem was soll Israel tun? Sich solch monströse, absolut menschenverachtende Attacken wie jene der Hamas einfach über sich ergehen lassen?
Nein, die Hamas muss gebrochen werden. Wenn das palästinensische Volk nicht in der Lage ist sich selbst zu befreien, dann muss es befreit werden. Diese Toten Zivilisten gehen auf das Konto der Hamas. Oder gehören Sie zu der Fraktion in den Alliierten in erster Linie Menschheitsverbrecher und Monster sehen nur weil auch so viele deutsche Zivilisten im Weltkrieg und insbesondere bei den Bombadierungen ums Leben gekommen sind?
Oder, noch schlimmer, ist es bei Israel etwas vollkommen anderes weil es ja Juden sind? Wenn überhaupt, dann ist es etwas anderes weil Israel immerhin die Zivilisten warnt.
Rudolf Fissner
@Fran Zose "Wenn das palästinensische Volk nicht in der Lage ist sich selbst zu befreien, dann muss es befreit werden. "
Dazu hatte Israel die letzten 70 Jahre als Besatzungsmacht alle Zeit der Welt gehabt. In DE ging das gegen die Nazis nach 45 innerhalb von 3 Jahren!
Lowandorder
@Rudolf Fissner Wie meinen anne reichsverWeser?
Nur mal zB - Willi Geiger -
Willi Geiger (* 22. Mai 1909 in Neustadt an der Weinstraße; † 19. Januar 1994 in Karlsruhe) war ein deutscher Jurist. Während der Zeit des Nationalsozialismus war Geiger von 1941 bis 1943 Staatsanwalt beim Sondergericht in Bamberg. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war er Richter am Bundesgerichtshof und Richter des Bundesverfassungsgerichts.
de.wikipedia.org/w...i_Geiger_(Richter)
Mehr als alle anderen Richter waren Geiger und sein Kollege Hermann Höpker-Aschoff mit der Erarbeitung sowohl des Grundgesetzes als auch des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes betraut.…
damit zehn Jahre zugleich an BGH und BVerfG. Durch die Freigabe der Protokolle des Bundeskabinetts stellte sich später heraus, dass er fortlaufend die Regierung Adenauer über die internen Entscheidungsprozesse in BGH und BVerfG informiert hatte.[12] Geigers Amtszeit war die längste aller Verfassungsrichter,[13] da BVerfG-Richter, die von Bundesgerichten kamen, bis zur Pensionierung amtieren konnten.[14] 1954 wurde Geiger Honorarprofessor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Allein bis 1990 verfasste er über 300 Fachveröffentlichungen.
& Helmut Kramer altes Schlachtroß -
www.kramerwf.de/pe...ichte/willi-geiger
kurz - Ephemismus ehrs zu nenne - wäre ein echter Treppenwitz - abseits jeglicher geschichtlicher Kenne! Woll.
PeWi
@Rudolf Fissner Zu einer solchen "Befreiung" gehören meiner Meinung nach beide Seiten. Die Deutschen haben den 8. Mai 1945 zwar noch lange Jahre nur als Niederlage oder Zusammenbruch, nicht als Befreiung angesehen, aber sie waren, anders als 1918, durchaus bereit, sich mit den neuen Verhältnissen zu arrangieren.
Das verweigern meiner Meinung nach die große Mehrzahl der Muslime in Nahost nach wie vor.
Niemand hätte sie daran gehindert, 1948, 1967 oder 1973 Israel anzuerkennen und ihren Frieden mit diesem Staat zu machen.
Haben sie aber nicht. Statt dessen haben sie sich in die Opferrolle zurückgezogen. Das ist immer bequemer, weil man sich so nicht zu fragen braucht, welchen Anteil man selbst an der eigenen Lage hat.
Ich halte die Siedlungspolitik für einen Fehler, aber es waren die arabischen Staaten, nicht Israel, die den UN-Beschluß zur Teilung des Gebietes nicht anerkannt haben.
Fran Zose
@Rudolf Fissner Also ist jetzt Israel auch an der Hamas schuld? Israel hat es im guten probiert indem sie aus dem Gazastreifen abgezogen sind und diesen sich selbst überlassen haben. Das Ende der Geschichte ist bekannt, die Hamas wurde gewählt (und genießt auch heute noch nach aktuellen Zahlen 57% Zuspruch innerhalb der dortigen Bevölkerung) und hat seitdem alle Energie in den Kampf gegen Israel und die Juden gesteckt. Experiment offensichtlich fehlgeschlagen; sicher wird Israel diesmal richtig ausfegen. Nur dann werden Sie sich auch beschweren wie Sie es ja bereits tun. Was also soll Israel machen Ihrer Meinung nach? Und sagen Sie bitte nicht „aufhören zu existieren“.
Schalamow
@Andreas Dahlinger "Aber man kann durchaus die aktuelle israelische Regierung als ein unmenschliches, völkermordendes Monstrum sehen, ohne Antisemit zu sein."
Kann man das?
In der Sache halte ich es da mit Habermas & Co.: "Bei aller Sorge um das Schicksal der palästinensischen Bevölkerung verrutschen die Maßstäbe der Beurteilung jedoch vollends, wenn dem israelischen Vorgehen genozidale Absichten zugeschrieben werden." www.normativeorder...e-der-solidaritat/
Wenn man dennoch von "Genozid" spricht, sollte man dafür sehr gute Argumente haben. Schon ein Omar Bartov etwa (auf den sich manche gerne berufen), der schwerlich ein Antisemit ist, äußert sich zu diesem Thema aber sehr viel differenzierter.
Und man sollte sich bewusst sein, dass dieser Vorwurf unter Israel-Hassern und Antisemiten eine schon längere Tradition hat (wie auch "Kindermörder Israel"). Aktuell dient er primär der Schuldumkehr und findet sich vor allem bei jenen, die wiederum die Massenmorde vom 7.11. bejubeln oder kleinreden und Parolen wie "From the river ..." hinterherlaufen. Die tatsächlich genozidalen Ziele der Hamas geraten in solchen Kreisen regelmäßig zur petitesse.
Formulierungen wie "unmenschliches, völkermordendes Monstrum" fallen hingegen in die sattsam bekannte Kategorie der Dämonisierung Israels. Der Bundesbeauftrage für jüdisches Leben nennt so etwas Antisemitismus www.antisemitismus...3d-regel-node.html
Plewka Jürgen
@Andreas Dahlinger "Aber man kann durchaus die aktuelle israelische Regierung als ein unmenschliches, völkermordendes Monstrum sehen, ohne Antisemit zu sein..."
Erst einmal: Keine (!) israelische Regierung hat seit 1948 einen Völkermord begangen, noch einen beabsichtigt.
Davon abgesehen, kann man israelische Regierungen kritisieren, ohne Antisemit zu sein ... aber keine Juden in Kollektivschuld für israelische Politik nehmen, ohne Antisemit zu sein.
Noch dazu: Versteht es sich nicht "von selbst", dass die Hamas eine Terror-Organisation ist. Es gab in den letzten Wochen zahlreiche Aussagen (auch aus dem vermeintlich "progressiven" Bereich), die die Hamas als Befreiungsorganisation bezeichneten und das Massaker vom 7. Oktober als Teil eines bewaffneten Kampfs zur "Befreiung" Palästinas interpretierten.
Christian29
@Andreas Dahlinger Nein, als ein solches kann man die Regierung Isaraels nicht sehen, ohne Antisemit zu sein!
Encantado
@Andreas Dahlinger "...die aktuelle israelische Regierung als ein unmenschliches, völkermordendes Monstrum sehen, ohne Antisemit zu sein."
Völkermordendes Monstrum? Drunter geht's nicht? Nein? Dann behaupte ich einfach mal so, dass ein Schuss Antisemit mit drin steckt, stecken muss.
"Dass die Hamas eine Terror Organisation ist, versteht sich von selbst. Aber..."
Die klassische Formulierung.
Aber irgendwie ist das dann doch nicht so schlimm?
Andreas Dahlinger
Ob