Jörg Dahlmanns Rauswurf bei Sky: Emotionen des kleinen Mannes
Fußball-Kommentator Jörg Dahlmann wird nach einer rassistischen Äußerung gekündigt. Der Kollegenbeistand deutet auf ein systemisches Problem hin.
E s gibt sie noch, die guten Nachrichten: Jörg Dahlmann ist weg vom Fenster. Der letzte seiner Fehltritte war dann endlich einer zu viel. Er hatte Japaner'innen als „Sushis“ bezeichnet. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er noch öffentlich bekundet, wie gern er mal mit Sophia Thomalla kuscheln würde.
Jörg Dahlmann sieht sich selbst als Vertreter des kleinen Mannes; wobei der kleine Mann bei ihm so ähnlich aussieht, wie ihn sich die Bild-Zeitung zusammenfantasiert. In jedem Interview sagt er ungefähr vierzig Mal, dass es ihm vor allem darum geht, Emotionen auszudrücken, Emotionen rüberzubringen, Emotionen Emotionen Emotionen. Und bei Jörg Dahlmann sind diese Emotionen – so ist das eben in dieser Gesellschaft – chauvinistisch, sexistisch, rassistisch.
Da sind die Spiele gerne mal „enge Höschen“, oder wenn ein Spiel offensiver und offener wird, machen die Mannschaften dann die Hose auf. Wo andere einen Mund haben, scheint bei Dahlmann ein Reißverschluss zu sitzen. So fühlt er eben, so ist die Welt! Sind doch nur Sprüche! Und alle, die deswegen Angst oder Wut oder Aggression verspüren – na ja, die dürfen aber keine Emotionen haben. Scheißegal, dass der Rassismus gegen asiatisch gelesene Menschen massiv zugenommen hat, es geht ja um die Emotionen von Jörg Dahlmann.
Und jetzt beteuert Jörg Dahlmann, dass er kein Rassist sei. Erstens verabscheue er das und zweitens könne er gar kein Rassist sein, schließlich sei seine Mutter Holländerin. Das ist wirklich ein großes Rätsel in Deutschland, man kann problemlos rassistische Dinge sagen, aber wehe man wird dann dafür Rassist genannt. Das ist unfair, schließlich hat man ja nirgendwo ein brennendes Kreuz aufgestellt – und selbst wenn! Es ist ja auch nicht so, dass brennende Kreuze wirklich jemandem schaden. Also rein physisch.
„Irgendwelche Jungtürken“
Jörg Dahlmann hat immer so kommentiert, als würde er sich mit einem Arm am Tresen abstützen, in der anderen Hand das Bierchen zum dran nippen, Kippe in der Hand. Dass das dann doch Verantwortliche juckt, was Jörg Dahlmann so in die Welt trötet, ist immerhin etwas; dass ihm jetzt die ganzen graumelierten Kollegen beispringen, zeigt aber auch, dass es kein „Jörg Dahlmann“-Problem ist, sondern ein systemisches. Marcel Reif etwa lässt verlauten: „Rassismus und Sexismus sind viel zu ernste Themen, als dass man das mit so kleiner Münze behandeln dürfte.“
Marcel Reif ist der Mann, der im Januar bei Borussia Dortmund noch „irgendwelche Jungtürken“ in der Mannschaft gesehen hat. Als Breel Embolo gegen die Corona-Maßnahmen verstoßen hatte, meinte er kürzlich, die Mannschaft solle ihn sich mal in der Kabine vorknöpfen. Oder Tom Bartels, der sagte: „Ich finde es schlimm, wenn so etwas wie Rassismus im Raum stehen bleibt.[…] Das hat er nicht verdient.“ Beim Confed Cup 2017 hatte er nach einer Verletzung Antonio Rüdigers gesagt, jener „solle sich nicht zum Affen machen“. Oder Béla Réthy, der, so sagt er, „Jörg seit mehr als 30 Jahren“ kenne und deswegen wisse, „dass er kaum etwas mehr verachtet als Rassismus und Intoleranz“. Ebenjener Béla Réthy, der, sobald zwei schwarze Spieler auf dem Feld stehen, ihnen verlässlich die Namen des jeweils anderen Spielers gibt.
Das Problem ist nicht nur, dass irgendwer mal einen Spruch macht. Das Problem ist, dass ständig irgendwer irgendeinen Spruch macht und dann alle sagen: Okay, ist nur ein Spruch, wir wollen einfach weitermachen wie bisher. Einmal im Jahr „Say no to racism“ twittern wird ja wohl reichen. Sicher, es braucht mehr als einen Rauswurf, um an dieser ganzen Dicke-Hose-Attitüde was zu ändern, aber immerhin ist es ein zarter Anfang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja