Israelischer Militärschlag gegen Iran: Die Angst vor der Bombe
Der israelische Militärschlag gegen Iran war lange vorbereitet. Dass er jetzt stattfand, hat mit dem iranischen Atomprogramm zu tun. Eine Analyse.

Das israelische Militär bezeichnete sie als „Präventivschlag“, die Angriffe in der Islamischen Republik Iran in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Sie trafen dutzende Ziele: Einrichtungen des iranischen Atomprogramms, Militäreinrichtungen, Raketenbasen sowie führende Köpfe der Islamischen Revolutionsgarde, des Militärs und auch des Nuklearprogramms.
Betroffen war unter anderem die Einrichtung zur Urananreicherung in Natanz, lokale Medien berichteten von mehreren Explosionen. Dort hatte es bereits 2021 einen Cyberangriff gegeben, der dem Mossad zugerechnet wurde. Der Befehlshaber der Islamischen Revolutionsgarden, Hussein Salami, der Kommandeur der Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden, Amir Ali Hadschisadeh, und der Chef des Generalstabs des iranischen Militärs, Mohammad Bagheri wurden getötet, zudem eine Reihe von Atomwissenschaftlern.
Bilder zeigen beschädigte Wohnhäuser, brennende Gebäude und aufsteigenden Rauch in Natanz und in der Hauptstadt Teheran. Nach Angaben des israelischen Militärs waren nachts über 200 Kampfflugzeuge involviert, man habe über 330 Sprengkörper auf etwa 100 Ziele abgeworfen. In einer zweiten Angriffswelle wurden am Freitag der Militärflughafen von Tabris, Ziele in der Großstadt Schiras und erneut die Atomanlage in Natanz getroffen.
Warum jetzt?
Doch warum greift Israel die Islamische Republik gerade jetzt an? Die Antwort liegt in der Bezeichnung „Präventivschlag“. Jüngst gab es vermehrt Warnungen seitens der Internationalen Atombehörde (IAEA), Iran habe seine Produktion von hoch angereichertem Uran weiter erhöht, die IAEA zeigte sich „zutiefst besorgt“. Die BBC berichtete Ende Mai, ihr liege ein vertraulicher Bericht der IAEA vor, dass Iran inzwischen über 400 Kilogramm von auf 60 Prozent angereichertem Uran verfüge – weit über dem für zivile Zwecke verwendeten Niveau und nahe an waffenfähiger Qualität. Das entspreche einem Anstieg von fast 50 Prozent innerhalb von drei Monaten. Bei weiterer Anreicherung würde diese Menge laut BBC für etwa zehn Atomwaffen reichen. Die Islamische Republik erklärte, die Anreicherung diene zivilen Zwecken.
Der israelische Sicherheitsapparat kam laut Times of Israel hingegen zur Einschätzung, dass der Anreicherungsprozess noch weiter fortgeschritten sein, als von der IAEA berichtet. Im Prozess der Waffenproduktion hätten in den Tagen vor dem Angriff „fortgeschrittene Tests“ stattgefunden. Nach Medienberichten habe infolgedessen Israels Premier Benjamin Netanjahu zu Beginn der Woche das israelische Militär angewiesen, einen Angriff vorzubereiten.
Kein Schnellschuss
Israels Angriff war kein Schnellschuss. Nach Berichten von Medien und Analysten war er eine Zusammenarbeit des Militärs, des Auslandsgeheimdienstes Mossad und des Aman genannten Militärgeheimdienstes. Laut Times of Israel sei eine israelische Drohnenbasis innerhalb Irans aufgebaut worden. Außerdem habe Israel Präzisionswaffen und Personal in das Land geschmuggelt. Nun schien der Zeitpunkt richtig – einerseits wegen der Fortschritte des iranischen Nuklearprogramms hin zu einer tatsächlichen Atombombe. Andererseits, weil die „Achse des Widerstands“ – von Iran unterhaltene Milizen in den Staaten rund um Israel – geschwächt ist.
Im Libanon hat die Hisbollah einen großen Teil ihrer Führungsebene eingebüßt. Nach dem Waffenruhedeal im vergangenen November ist das libanesische Militär zudem angehalten, die Strukturen der Hisbollah im Süden des Landes, nahe der israelischen Grenze, abzubauen. Die Hamas im Gazastreifen, ein weiteres Element der „Achse“, ist nach bald anderthalb Jahren Krieg so weit zerstört, dass sie nur selten in der Lage ist, Raketen auf Israel zu feuern.
Bleiben die Huthis im Jemen: Nach mehreren Luftangriffen seitens der USA und Israels sollen auch deren Kapazitäten, Israel angreifen zu können, zumindest verringert worden sein. In Syrien ist das Regime des Iran-nahen Ex-Diktators Baschar al-Assad gefallen, was die Versorgung der Hisbollah mit Waffen aus Iran deutlich erschwert. Im Irak sind weiterhin proiranische Milizen präsent, doch waren sie Israel bisher deutlich weniger gefährlich.
Luftalarm in Amman
Damit fällt eine Reihe möglicher Fronten, die Israel beim erwartbaren Gegenangriff Irans hätte bedenken müssen, aus. Gegen Irans Kapazitäten zur Vergeltung ging Israel bereits während des ersten Angriffs vor: Der Times of Israel zufolge nutzte Israel dafür die in Iran installierte Drohnenbasis nahe der Hauptstadt Teheran, um Abschussrampen für Boden-Boden-Raketen, die Iran für einen Angriff auf Israel hätte nutzen können, zu zerstören.
Die Strategie erinnert an die jüngste „Operation Spinnennetz“ des ukrainischen Militärs, das russische Militärbasen mit Drohnen von russischem Gebiet aus angriff. Iran schickte am Freitagmorgen über 100 Drohnen Richtung Israel, weitere Angriffe mit Drohnen folgten. Nach Angaben des israelischen Militärs habe man „die Lage unter Kontrolle“. Israelische Kampfjets hätten bislang alle Geschosse noch vor Eintreten in den israelischen Luftraum abgefangen. Nach Medienberichten hat auch das Königreich Jordanien über seinem Luftraum Drohnen abgeschossen, in der Hauptstadt Amman heulte der Luftalarm.
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi bezeichnete die Angriffe als „Kriegserklärung“ Israels. US-Präsident Donald Trump forderte Iran auf, ein Abkommen über sein Nuklearprogramm zu schließen, bevor es „zu spät“ sei.
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