Isolierung von Gebäuden: Deutschland muss viel mehr dämmen
Eine neue Studie warnt, jährlich müssten doppelt so viele Häuser energetisch saniert werden, sonst verfehlt Deutschland sein Klimaziel.
Darin wenden sich die Experten der Agora auch gegen Überlegungen, den CO2-Ausstoß eher durch Heizungen mit Gas oder synthetischen Brennstoffen zu reduzieren als durch verstärktes Dämmen. „Ein flächendeckender Einsatz von synthetischen Brennstoffen als Ersatz für fossiles Erdgas und Heizöl ist kurzfristig kaum darstellbar und würde die deutschen Haushalte bis zu 8,2 Milliarden Euro im Jahr mehr kosten als der Effizienz-Pfad“, warnt das Papier, das der taz vorliegt.
Hintergrund der Mahnung: Gebäude sind für etwa 30 Prozent der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich. Aber über die letzten Jahre ist dieser Wert kaum gesunken, weil mehr gebaut wurde und die nötigen Sanierungsraten deutlich unterschritten werden. Eine Studie des Instituts für Wohnen und Umwelt nennt die Einsparungen der Haushalte beim CO2-Ausstoß bisher „kaum quantifizierbar.“
Nun aber müssen laut Klimaschutzplan der Regierung die Emissionen von derzeit 130 Millionen Tonnen im Jahr bis 2030 auf etwa 70 Millionen praktisch halbiert werden. Doch seit Jahren geht die energetische Sanierung nicht voran, weil die dafür erforderliche Steuerentlastung der Eigentümer zwischen Bund und Ländern umstritten ist.
Der Frust sitzt deshalb tief bei allen, die am Thema Energieeffizienz arbeiten. Immer wieder wird deshalb debattiert, statt auf Effizienz auf andere Heizungsformen zu setzen. Die zuständigen Lobbyverbände haben zuletzt ihre Anstrengungen verstärkt: Mit dem Slogan „Gas kann grün!“ etwa fordert die Gasindustrie eine „Dekarbonisierung mit Gas“. Und auch das „Institut für Wärme und Oeltechnik“ will zum „Gelingen der Energiewende“ durch flüssige Brennstoffe beitragen.
„Effizienz ist der Schlüssel“
Die aktuelle Agora-Studie „Wert der Effizienz im Gebäudesektor“ hält dagegen: Die beauftragten Institute haben fünf Szenarien berechnet: einmal die Vorstellung des Bundeswirtschaftsministeriums, das stark auf Effizienz setzt, aber keine Maßnahmen dafür benennt. Dann drei Modelle mit hoher Effizienz und mehr Öko-Energien, Wärmepumpen oder synthetischen Brennstoffen. Und ein Modell, das wenig Effizienz, aber viel synthetische Heizstoffe einplant. Ergebnis: Dieses letzte Vorhaben sei deutlich teurer als die anderen und kaum machbar.
„Effizienz ist der Schlüssel, mit dem Deutschland seine verbindlichen Klimaschutzziele kostengünstig erreichen kann“, sagt Agora-Chef Patrick Graichen. Es bringe nichts, „auf einzelne klimafreundliche Technologien zu schielen, für ein Entweder-oder ist es nach Jahren des Zauderns zu spät.“ Für eine Wärmewende müssten „alle Technologien zum Einsatz kommen, und zwar in effizienten Gebäuden“.
Für die Agora sind die Klimaziele auch eine finanzielle Frage. Reißt Deutschland diese EU-Vorgaben, muss es ab 2021 für viel Geld CO2-Zertifikate von anderen Staaten kaufen. Bis 2030 rechnen Experten deshalb allein wegen schlecht gedämmter Häuser in Deutschland von möglichen Mehrkosten von 30 Milliarden Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär