Intransparenter Immobilienmarkt: Berlins Oligarchen
Niemand weiß, was russischen Oligarchen in Berlin gehört. Sanktionen laufen wegen des intransparenten Markts ins Leere, zeigt eine Linken-Anfrage.
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Gefragt nach möglichen Berliner Investitionen und Besitztümern von Personen und Unternehmen auf EU-Sanktionslisten heißt es vom Senat, dass „die Beteiligungsstrukturen nicht immer vollständig nachvollziehbar sind, beispielsweise wenn ausländische Kettenbeteiligungen vorliegen. Auch aus internationalen Datenbanken geht nicht immer die oder der tatsächlich wirtschaftlich Berechtigte hervor.“ Expert*innen gehen dagegen fest davon aus, dass sich auch auf dem von Investoren überlaufenen Berliner Immobilienmarkt das Kapital russischer Oligarchen befindet – es aber über Briefkastenfirmen gut versteckt ist.
Wüsste der Staat, was genau Oligarchen gehören würde, könnte er sofort einschreiten: Der Senat schreibt, dass die geltenden EU-Sanktionen unmittelbar vom Wirtschaftsverkehr und den Behörden umzusetzen sind. Demnach könnten selbst laufende Immobilienprojekte unter Beteiligung von sanktionierten Personen oder Unternehmen noch gestoppt werden. Zuständig sind dabei für Gelder und Finanzmittel die Bundesbank und für Güter, wirtschaftliche Ressourcen, Dienstleistungen und Investitionen das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Während in Frankreich schon Vermögen im Wert von knapp 850 Millionen und Italien mehrere hundert Millionen eingefroren wurden, nennt die Bundesbank für Deutschland nur 95 Millionen eingefrorene Euro.
Gennburg, die in Berlin von „tiefgreifenden Verflechtungen sogenannter russischer Oligarchen und der Bauwirtschaft“ ausgeht, sagte: „Wir wissen nicht, wer hinter den teils abstrakten Konstrukten steckt, die in unserer Stadt über Liegenschaften verfügen, wer hier baut und wer die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten sind. Berlin kann so immer wieder zum Zielort für Geldflüsse aus autoritären Regimen und anderen dubiosen Quellen werden.“ Sanktionierte Personen könnten noch immer Grundstücktransaktionen über Rechtsanwaltsvertretungen oder verschleierte Eigentumskonstruktionen vornehmen, so Gennburg.
„Verstrickungen in Bauprojekte überprüfen“
Angesichts dessen fordert die Abgeordnete schnell mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt: „Das in Berlin geplante Miet- und Wohnkataster muss unbedingt Informationen zu wirtschaftlich Berechtigten enthalten.“ Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) müsse sofort handeln. Eine Bundesratsinitiative aus Berlin für ein bundesweites zentrales und transparenteres Immobilienregister war vergangenes Jahr im Bundesrat gescheitert.
Erfreut zeigte Gennburg sich darüber, dass laufende Bauprojekte unter Beteiligung von Oligarchen gestoppt werden können: „Der Senat sollte daher aktuelle Bauprojekte akribisch auf Verstrickungen von sanktionierten Personen untersuchen – und möglicherweise auch selbstständig aktiv werden“, forderte sie. Vor kurzem war bekannt geworden, dass ein Bauprojekt von Monarch am Alexanderplatz etwa im Zusammenhang mit Sanktionen Probleme bekommen könnte.
Gennburg verwies auch auf Verstrickungen des Oligarchen Oleg Deripaska mit dem österreichischen Bauunternehmen Strabag, das ebenfalls in Berlin baut, laut Gennburg auch für die öffentliche Hand. Deripaska steht aktuell allerdings erstaunlicherweise nicht auf der Sanktionsliste, obwohl er Großaktionär eines russischen Rüstungskonzerns ist.
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