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Interne Asyldebatte der GrünenWer Habeck will, bekommt Habeck

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Den Migrationsplan des Spitzenkandidaten Robert Habeck konterte die Grüne Jugend mit einem eigenen. Die Asyldebatte der Partei bleibt unentschieden.

Robert Habeck will beweisen, dass er härtere Asylmaßnahmen durchsetzen kann Foto: Svenja Hanusch/imago

D ieser Wahlkampf ist kurz. Aber nicht kurz genug, damit die Grünen geschlossen ins Ziel kommen. Robert Habecks restriktiven Zehn-Punkte-Plan gegen Gewalt und unerwünschte Mi­gran­t*in­nen konterte die Grüne Jugend in dieser Woche mit zehn Gegenpunkten, in denen sie eine liberale Asylpolitik und Präventionsprojekte vorschlägt. Auch andere in der Partei grummeln – hinter vorgehaltener Hand, aber laut genug, dass der Unmut öffentlich vernehmbar ist.

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Inhaltlich lässt sich die Kritik am eigenen Kanzlerkandidaten begründen: Seine Forderungen reichen zwar nicht an den Abschottungsfuror der Union heran und keiner der Punkte geht über das hinaus, was Grüne schon länger diskutieren. In seiner Gesamtkomposition bedient der Katalog aber einen Diskurs, der reale Sicherheitsprobleme überhöht, Migration vor allem als Risiko behandelt und die Lösungen einseitig in autoritären Maßnahmen sieht.

Als die Grünen Habeck im November in flügelübergreifender Ekstase zum Spitzenkandidaten kürten, kannten sie ihn schon eine Weile. Ihnen musste klar sein: Es gibt Themen, bei denen er rechts vom Parteimainstream steht. Und es gibt Situationen, in denen er nicht zögert, das zu zeigen. Die Grünen konnten nicht erwarten, dass er sich im Wahlkampf auf die Verlesung ihres Wahlprogramms beschränkt. Wer Habeck will, auch mangels eigenen Personals mit vergleichbarer Strahlkraft, der bekommt eben Habeck.

Strategisch wäre es klug gewesen, diesen Fakt für die verbleibende Zeit bis zur Wahl zu akzeptieren. Würden die Grünen mit Habeck pur unter den 14,8 Prozent der letzten Bundestagswahl landen, hätten seine Kri­ti­ke­r*in­nen ab dem 24. Februar ein starkes Argument für einen Kurswechsel: Der Versuch, durch inhaltliche Annäherung an die Konservativen zu wachsen, stößt an Grenzen. Jetzt aber können Habecks Un­ter­stüt­ze­r*in­nen im Falle einer Wahlniederlage ein schlüssiges Gegenargument vorlegen: Nicht der Inhalt war falsch, die Geschlossenheit hat nur gefehlt. So bleibt die Debatte über die richtige Asylpolitik, die seit Jahren Ressourcen der Partei bindet, auf absehbare Zeit unentschieden.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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5 Kommentare

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  • Die Forderung bei der medizinischen Erstuntersuchung auf psychische Krankheiten zu prüfen, ist eine Diffamierung von Menschen mit psychiatrischer Diagnose.

    www.zdf.de/nachric...icherheit-100.html

  • Fehlt nur noch, dass Habeck zu dem Schluss kommt, dass Wilhelm II und Noske doch Recht hatten.

    Habeck ist im Laufe seiner Politkarriere stetig nach rechts gewandert und täte wohl gut daran, sich mit der verhängnisvollen deutschen Geschichte etwas sorgfältiger zu beschäftigen.

    Aktuell scheint das Werben um eine Koalition mit der Merz-CDU bei Habeck Priorität zu haben.

    "Als die Grünen Habeck im November in flügelübergreifender Ekstase zum Spitzenkandidaten kürten, kannten sie ihn schon eine Weile. Ihnen musste klar sein: Es gibt Themen, bei denen er rechts vom Parteimainstream steht. Und es gibt Situationen, in denen er nicht zögert, das zu zeigen. Die Grünen konnten nicht erwarten, dass er sich im Wahlkampf auf die Verlesung ihres Wahlprogramms beschränkt."

    In der Tat. Gut erkannt vom Autor Tobias Schulze.

  • Habeck ist der nette, gutaussehende Vertreter der Kretschmannisierung der Grünen. Man hat einen Punkt bei Umwelt und Klima, am Ende unterscheidet man sich aber von der CDU nur noch in Nuancen und im Tonfall. So machen sich die Grünen überflüssig.



    In der Migrationspolitik müssen die Grünen eine eigene Position herausarbeiten, rechtskonform, menschlich, gleichzeitig aber auch nicht naiv und weltfremd. Dem rechten Mainstream und der völlig aus dem Ruder gelaufenen, hysterischen Diskussion hinterherzulaufen bringt nichts, man sieht es an der FDP. Wo ist denn da die viel beschworene Freiheit?

  • Wählen ohne zu wissen was man bekommt?



    Man wählt Habeck und bekommt dann grüne Jungend?



    Die Widersprüche zwischen Habecks 10 Punkte-Plan und dem der grünen Jugend sind derart eklatant unterschiedlich, dass für mich die Grünen schon deshalb unwählbar sind.

  • Die Grünen scheinen mehr nur noch eine bürgerliche, und in Teilen ökologische Partei zu sein, die sich dem Machthunger von Habecks Kandidatur fügt. Hoffentlich steht man am Ende nicht so gesichtslos da, wie die SPD.