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Impfstoffhersteller mit MilliardenplusBiontech drängt auf dritte Dosis

Das Mainzer Unternehmen fährt Milliardengewinne ein. Und fragt sich: Besser in der EU auffrischen oder in Afrika impfen?

Die Firma Biontech drängt auf die dritte Impfung gegen die Deltavariante Foto: Sarah Meyssonnier/reuters

Berlin taz | Corona und kein Ende: Die Auswirkungen der ansteckenderen Deltavariante auf das Leben der Menschen sind vermutlich noch ausgeprägter als befürchtet. Es sind zwar verhältnismäßig wenige, aber es infizieren sich immer wieder auch Geimpfte, und vermutlich können sie das Virus auch weitertragen.

Als Lösung bieten die Hersteller von mRNA-Impfstoffen die Gabe einer dritten Dosis an. Da diese die Immunität noch einmal gewaltig nach oben treibt, hätte auch Delta keine Chance – so die Hoffnung. In Europa drängt besonders der Impfstoffhersteller Biontech aus Mainz auf diesen Weg.

Bei Vorstellung einer Zwischenbilanz des Unternehmens am Montag gehörte die mögliche Zulassung einer Auffrischung zu den zentralen Themen. Genau wie der Profit mit dem Impfstoff. Dieser ist jetzt schon atemberaubend.

Von April bis Juni zog der Biontech-Gewinn auf 2,8 Milliarden Euro an, weil weitere Zahlungen für die Lieferungen eingegangen sind. Im selben Vorjahresquartal war es wegen Forschungsausgaben und noch keinem marktfähigen Produkt ein Verlust in Höhe von 88,3 Millionen Euro gewesen.

Ein Drittel mehr Umsatz

Das ist aber erst der Anfang. Biontech erwartet mit den bisher eingegangenen Aufträgen für Covid-19-Impfungen im Jahr 2021 einen Umsatz von 15,9 Milliarden Euro. Es könnte sogar noch mehr werden, denn die aktuelle Umsatzerwartung basiert laut dem Unternehmen auf den bis 21. Juli unterzeichneten Verträgen für die Lieferung von rund 2,2 Milliarden Impfdosen bis Jahresende. Bis zum Jahresende peilen Biontech und US-Partner Pfizer eine Produktion von 3 Milliarden Dosen an.

Das Drängen des Unternehmens auf die dritte Impfung weckt angesichts solcher Zahlen einen Verdacht: Drei statt zwei Dosen für einen Großteil der Bevölkerung, das bedeutet auch deutlich mehr Umsatz für die Anbieter. Da Biontech gleichzeitig darauf pocht, dass die vollständige Impfung gut vor Delta schützt, könnten hier Gewinninteressen im Vordergrund stehen.

Biontech wies diese Interpretation jedoch am Montag von sich und führte wissenschaftliche Gründe für die Auffrischung für alle an: Schon sechs Monate nach der zweiten Dosis nehme die Schutzwirkung nach Beobachtungen aus Israel bereits ab. „Wir gehen auf Basis der Datenlage davon aus, dass es wahrscheinlich ist, dass eine dritte Dosis nach 6 bis 12 Monaten nach der vollständigen Impfung nötig werden könnte“, glaubt Bion­tech.

„Zwar ist der Schutz vor einem schweren Verlauf während der 6 Monate hoch, doch er nimmt ab.“ Die Zahl der Antikörper sei nach der dritten Dosis dagegen noch einmal fünf- bis zehnmal höher als nach der zweiten, teilte das Unternehmen mit.

Bald Antrag auf Zulassung

Damit steigt nach Einschätzung der Forscher auch der Schutz vor Delta noch einmal stark an. Biontech plant daher, schon bald eine Zulassung für die Auffrischung zu beantragen. Schließlich sei auch mit dem Aufkommen weiterer Varianten zu rechnen. Der Unterschied der Wirkung des Biontech-Produkts auf Delta im Vergleich zur Ursprungsvariante jedenfalls sei nicht entscheidend. „Es gibt keinen Beleg dafür, dass eine Anpassung des Impfstoffs nötig ist“, erklärte Biontech. Auch Ärzte befürworten anlässlich der guten Verträglichkeit grundsätzlich eine Auffrischung, sobald der Impfschutz nachlässt – auch wenn mangels Erfahrung bisher keiner sagen kann, wann dies so weit sein wird.

Doch in den Ländern des Globalen Südens liegt die Impfquote erst um 1 Prozent der Bevölkerung. Nicht nur ethische Erwägungen sprechen deshalb dafür, die Impfdosen zunächst den benachteiligten Ländern zur Verfügung zu stellen, bevor reiche Länder sich den Totalschutz gönnen, sondern auch Eigeninteresse: Solange Corona in ärmeren Ländern wütet, sind diese Brutstätte für weitere Mutanten. Das weiß auch Biontech. „Um mit der Pandemie umzugehen, dehnen wir die Versorgung mit unserem Covid-19-Impfstoff auf Länder mit mittleren und niedrigen Einkommen aus“, versprach Firmenchef Uğur Şahin.

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11 Kommentare

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  • Der Biontec Impfstoff muss doch extrem gekühlt werden, womit er in vielen ärmeren Regionen allenfalls in Großstädten verimpft werden könnte.

    • @Dr. McSchreck:

      Das ist seit 12/20 nicht mehr aktuell.

      • @Lieblich:

        -80°C nicht mehr DAUERHAFT (aber für die normale Lagerung schon), -20°C ist möglich aber nur für bis zu 2 Wochen Transport und Lagerung und für max 1 Monat bei 2-8°C das bedeutet weiterhin Problem für warme Gefilde und das ist nicht nur Afrika und Südamerika



        Quelle: www.pharmazeutisch...-comirnaty-125696/ vom 17.05.21

      • @Lieblich:

        doch, die Kühlung muss nicht mehr so extrem sein, trotzdem wäre sie zum Beispiel in ländlichen Regionen Afrikas und Südamerikas ein Problem.

  • Und dann folgt auf Delta eine weitere Variante, gegen die noch einmal unbedingt nachgeimpft werden muss, und daraufhin folgt...



    Das können wir beliebig weiterspielen, da das Virus sich permanent verändert. Die meisten Varianten sind nur nicht erwähnenswert.



    Die Industriestaaten sind heuer gut ausgestattet, doch ärmere Länder schauen- wie so oft- in die Röhre. Ist natürlich äußerst großzügig, dass der verschmähte Astra Zeneca Impfstoff nun gespendet wird. Lassen wir dabei nur nicht außer Acht, dass die Bevölkerung lieber die mRNA Impfstoffe verabreicht bekommen wollte. Das feine Zeug nehmen wir, den Rest sollen doch die Armen haben. Hat durchaus einen bitteren Beigeschmack, wenn nicht gar einen überlkeitserregenden.

    • @Kirsten Tomsen:

      Aber Hallo! Biontech pur ist der Porsche - schnell und schnell vorbei. Astrazeneca plus Biontech ist der Trabi - macht unverwüstlich.

    • @Kirsten Tomsen:

      Tja und da reden wir noch nicht darüber, das Länder die weniger als der Westen zahlt bei Biontech weiter nicht an die Reihe kommt Impfstoffe zu erhalten. Von Impfstoffen für Covax ganz zu schweigen.



      Aber hey, hauptsache wir sind alle geimpft und Biontech macht viel Geld, weil dann haben die reichen unter uns sogar noch eine gute Investion...Oder?

  • Im Anschluss an Ihren Artikel möchte ich auf die Strategie der Bundesregierung im Bereich der Impfstoffproduktion hinweisen. Diese scheint trotz aller Versprechungen zu internationaler Solidarität rein national ausgerichtet sein. Die "Taskforce Impfstoffproduktion" der Bundesregierung (www.taskforce-impf...ffproduktion.html) nennt allein drei Ziele:



    "1. Kurzfristig die Produktionsprozesse für die Bereitstellung der erforderlichen Impfdosen für alle impfbereiten Bürgerinnen und Bürger in 2021 nach aktuellem Zeitplan zu unterstützen.



    2. Mittelfristig den Aufbau einer hinreichenden Industriestruktur zur Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit mRNA- und Vektor-Impfstoffen zu flankieren,



    3. Und damit ebenfalls mittelfristig das industriepolitische Ziel absichern, den Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland in der EU für die Produktion von Impfstoffen mit neuartigen Technologien wie der mRNA-Technologie zu verbreitern und langfristig zu sichern."



    Ich würde mich freuen, wenn die taz hier nachhaken könnte.



    Michael Wortmann, Berlin

    • @Michael Wortmann:

      Sie unterschlagen da einfach, dass die Bundesregierung den Aufbau der Impfstoffproduktion u.a. im Senegal und in Südafrika finanziell unterstützt.

      • @vulkansturm:

        Bei dieser Unterstützung ist allerdings einiges merkwürdig. In den Senegal fließen bis jetzt nur Gelder für vorbereitende Machbarkeitsstudien. Auch gibt es bisher (soweit ich das sehe) keine Informationen, welcher Impfstoff da eigentlich, wenn die Machbarkeitsstudien positiv ausfallen, hergestellt werden soll.

        Der wirksamste Impfstofftyp, der auch relativ schnell an neue Virusmutanten angepasst werden kann, ist der mRNA-Impfstoff. Dieser Impfstoff, z.B. von Biontech, eignet sich wegen der Anforderungen an die Kühlkette besonders für den Einsatz in den Megacities (in denen die Ansteckungsgefahr überdurchschnittlich hoch sein dürfte). Bei dessen Produktion wirken in Deutschland verschiedene Fabriken von verschiedenen Unternehmen zusammen: mRNA-Produktion bei Biontech, Reinigung bei Rentschler in Laupheim, Lipid-Produktion von Evonik, Formulierung bei Biontech, Abfüllung bei verschiedenen Unternehmen.

        Das ganze ist also sehr kompliziert; und neben Patenten ist hier viel Erfahrungswissen notwendig (Darauf verweist die Bundesregierung ja als Begründung für ihr Nein zur Lizenzfreigabe). Es scheint mir nicht sehr wahrscheinlich, dass das alles im Senegal oder in Südafrika in neun Monaten aufgebaut werden kann. Biontech spricht selber für Südafrika nur von einer Impfstoffabfüllung - und zwar von 100 Mio. Dosen jährlich.

        Vor diesem Hintergrund scheint es mir dringend geboten, die Produktion in Deutschland (und Europa) massiv auszuweiten. Hier sind alle notwendigen Kompetenzen vorhanden, auch die der spezialisierten Maschinen- und Anlagenbauer. (Dazu sollte der Aufbau von Distributionsstrukturen in großen Städten unterstützt werden.)

        Dass die Impfstoffproduktionsstrategie der Bundesregierung national ausgerichtet ist, und dass sie die Förderung nationaler wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund stellt, ist ein Skandal. Sei es auch nur - wenn einem das Leben der Menschen im globalen Süden eher egal ist, weil wir es mit einer Pandemie zu tun haben.

      • @vulkansturm:

        Mit insgesamt 70 Mio Euro.