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Identitäts-Shopping bei AmazonWenn Einkaufen spaltet

Kommentar von Nathanael Häfner

Bei Amazon kann man jetzt gezielt in Shops einkaufen, die von Schwarzen, Militärs oder Frauen geführt werden. Fortschrittlich ist das nicht.

Statt bei Amazon im Shop oder online einzukaufen, besser im eigenen Viertel shoppen Foto: Dado Ruvic/reuters

A mazon rettet mal wieder die Welt: In den USA lässt sich nun nach Identität shoppen. Der gute Samariter Amazon will nicht nur Kleinunternehmen fördern, nein: Kun­d:in­nen können jetzt auswählen, ob sie nur bei Shops einkaufen, die Schwarze, Frauen oder (kein Witz) Militärfamilien leiten. Der Konzern nimmt alle mit, von Hillary-Clinton-Aficionados bis zum Trump-Bürgermilizionär. Zugleich erinnert das neue Einkaufskonzept an die umstrittene Bewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) und deren Gebot, nicht in von Israel besetzten Gebieten einzukaufen. Nur eben umgekehrt; „kauft nur bei“, lautet die Losung bei Amazon.

Es ist kein Zufall, dass derlei Irrungen von Amazon ausgehen. Die Politikwissenschaftlerin Nancy Fraser bezeichnet das Phänomen als „progressiven Neoliberalismus“. Im Kern beschreibt sie, wie die Bill Clintons, Tony Blairs und Barack Obamas dieser Welt und ihre Amtsnachfolger weiter fröhlich deregulieren und Märkte entfesseln. Nur nehmen sie auch Diskriminierte in einem Schein-Empowerment mit.

Der Soziologe Oliver Nachtwey spricht von horizontalen Rechten, die etwa die LGBTQI-Community seit Jahrzehnten erkämpft. Vertikal nimmt allerdings die Ungleichheit zu. In Deutschland führte Rot-Grün die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein. Gleichzeitig baute die Schröder-Regierung den größten Niedriglohnsektor Europas auf – in dem überproportional Minderheiten und Benachteiligte arbeiten. Der gleiche Geist bedingt den unsäglichen Business-Feminismus einer Ivanka Trump, der weiße privilegierte Frauen fördert und zugleich Ungleichheit verschärft.

Auf Amazon übertragen heißt das: Linksliberale wandeln Online-Shopping in einen identitätspolitischen Akt um, während gehetzte Amazon-Mitarbeitende weiter in Flaschen urinieren müssen. Besser wäre: Statt auf Internetblasen-Shopping zu setzen, lieber im Laden um die Ecke einkaufen und Initiativen wie „genialokal“ unterstützen. Die wahrt die Identität des eigenen Viertels, statt mit Emanzipations-Feigenblättern zu spalten.

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28 Kommentare

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  • "Besser wäre: Statt auf Internetblasen-Shopping zu setzen, lieber im Laden um die Ecke einkaufen und Initiativen wie „genialokal“ unterstützen."



    Dito. Amazon-Boykott, Gorilla-Boykott, Coca Cola, Nestlé, Unilever ... da gibt es so einiges zu boykottieren, wenn auch nicht alles zur Gänze.

  • That's America: Die Trendscouts merken, dass linke und rechte Identitätspolitik immer verhaltensbestimmender wird, und die Marktstrategen überlegen sich Wege, wie man daraus ein Geschäft machen kann. Die Wokies und Trumpisten finden's großartig und steuern bereitwillig die passende Nachfrage (und ihre Konsumdaten) zu dem Angebot bei. Win-Win für Alle...

    Unsere Märkte funktionieren nicht GANZ so radikal demokratisch, also ist da immer noch eine Hemmschwelle, was geht und was dann doch ein Schritt zu weit ist. Aber mal ehrlich: Consumer empowerment ist doch auch bei uns ein dickes Ding. Wir wollen genauso am liebsten wählen können, ob unser Spargel vom reich begüterten Agrarkapitalisten mit seinen ausgebeuteten Tagelöhnern stammt oder vom aufrechten, mindestlohn-aufstockenden Kleinbetrieb, oder? Was Amazon da macht, ist dasselbe nur in identitär.

  • "....„kauft nur bei“, lautet die Losung bei Amazon." heißt im Umkehrschluss nichts anderes als "Kauft nicht bei..."

    Das ist ein großes Einfallstor für alle Arten von Rassismus, Sexismus und sonst. Diskriminierungen aller Art.

  • Mal abgeshen, wie unsinnig und spaltend das Alles ist. Wieso werden eigentlich Leute, die sich ganz bewußt für Schubladendenken, Abgrenzung und Konzerne wie Amazon entscheiden als linksliberal" bezeichnet?

    Auch wenn die Begrfflichkeiten immer schwammiger werden, hat das für mich im eigentlichen Sinne weder etwas mit links, noch mit liberal zu tun.

    Wirtschaftsliberal vielleicht, mit einem autoritären Anstrich. Aber ich kann da weder etwas Soziales, noch Progeressives, noch Freiheitliches erkennen.

    • @Deep South:

      Die halten sich aber meistens für links-liberal...

  • Amazon will also Daten zur politischen Einstellung seiner Kunden sammeln? Warum so umständlich? In China geht das einfacher...

  • Laut TAZ ist Amazon Leuchtturm wie Sozialismus funktionieren kann: taz.de/Renaissance...-Staates/!5777360/



    Warum nicht auch ein Angebot für Links-Identitäre machen? Die lokalen Shops können/wollen die Daten für einen funktionierenden Sozialismus nicht liefern.

    • @xf01213:

      "Laut TAZ ist Amazon Leuchtturm wie Sozialismus funktionieren kann"



      Das scheint mir dann doch eine etwas sehr 'flexible' Interpretation zu sein. Der Artikel befasst sich mit einer datengetriebenen Planwirtschaft, die anders als ein nie vollständig transparenter Markt, manche Ineffizienzen in den Lieferketten vermeiden kann. Sozialismus mit kollektivierten Produktionsmitteln und klassenloser Gesellschaft wäre das aber nicht und das behauptet der Artikel auch nicht.

  • Woher weiß ich denn, ob die Schwarzen, weiblichen oder beim Militär Beschäftigten Shopbetreiber auch meine Meinung vertreten? Was, wenn die weiblichen Shopbetreiber Antifeministen sind oder irgendeine Macht haben (einflussreiche Familie, Politiker, Chefin über Geringverdiener etc.)?



    Warum sollte ich jemanden nur aufgrund eines einzigen Aspektes seiner Identität unterstützen?

    Kann man demnächst auch wählen, ob man bei Vegetariern, Veganern oder Frutariern einkaufen möchte, um Tierleid zu minimieren?

    • @BlauerMond:

      "Kann man demnächst auch wählen, ob man bei Vegetariern, Veganern oder Frutariern einkaufen möchte..."

      Natürlich. Allerdings nur Fleisch und Wurst :-)

  • Das Internetshopping als solches ist keine Blase, sondern hat sich global durchgesetzt. Der sentimentale Blick zurück erinnert an historische Diskussionen gegen die Benutzung der Eisenbahn durch Menschen…

  • dabei ist die allgemeine Zukunftsangst immer, dass wir auf grund von genetischen Untersuchungen in Kategorien eingeordnet werden und dann von Versicherungen Krankenkassen etc. schlechter gestellt werden, weil wir unsichtbare "finanzielle" Risiken in Form von falschen Genen in uns tragen. Nun geschenkt... das schaffen Menschen auch ganz ohne Genetik... und das irrwitzige daran, dies geschieht genauso durch die vermeintlich progressiven Kräfte, denen den es um Antidiskriminierung geht... Von Rassisten, Sexisten und anderen Klassisten kennt man das ja ohnehin. Das der Kapitalismus sich da noch oben drauf setzt ist nur logisch....

  • Endlich! Das Copyright auf Identität kommt!

  • nun den Laden um die Ecke haben bloss Privilierte in den Kiezen.



    Der Rest des Landes kauft halt doch lieber online anstatt sich in die nächste Innenstadt zu bewegen ist ja auch nicht mehr erwünscht das Personen von außerhalb in die Kieze kommen….

  • "lieber im Laden um die Ecke einkaufen"



    Genau, Ausbeutung, Machtmissbrauch und Produkte aus unfairer Produktion gibt es nämlich exklusiv nur bei Online-Shops von Internetkonzernen, während im Laden um die Ecke natürlich heile Welt ist und zwar immer.

    • @Ingo Bernable:

      "Im Laden um die Ecke" meint vermutlich nicht die großen Ketten.



      Ansonsten geht es da auch um Wahrscheinlichkeiten und Strukturen.



      Leider gibt es immer weniger klassischen Einzelhandel, weil der Preisdruck einfach zu groß ist.



      Leute gehen zwar gerne schaufensterbummeln, aber kaufen tun sie dann doch im WWW, weil man es da immer irgendwo billiger findet. Und dann beschweren sie sich, dass man in den Städten nur noch Friseure, Wettbuden und merkwürdigerweise Hörgeräteläden findet.

      • @Grummelpummel:

        Mal ein paar Beispiel von "um die Ecke": da wäre etwa der Supermarkt der komplett Schüler*innen auf 450€ Basis bewirtschaftet wird, statt von regulären Arbeitskräften, oder der Filialist der mehr für die Franchise-Gebühren ackert als für´s eigene Konto oder der inhabergeführte Gemüseladen der auch nur deshalb läuft weil die ganze Familie zum Nulltarif ranklotzt, die Bäckereifiliale in der die Verkäuferinnen (ohne *) immer so auffallend jung sind und eigenartig weit ausgeschnittene Kittel tragen müssen, oder der Deko-Shop der allerlei saisonalen Plastik-Tand aus Fernost verscheuert, oder der alte Elektro-Laden, der noch am ehesten dem entspräche was man sich unter dem "klassischen Einzelhandel" vorstellen würde, nur dass, der Besitzer eigentlich längst in Rente sein müsste es sich aber vermutlich einfach nicht leisten kann und deshalb noch immer hinter den nie wechselnden Auslagen der verbliebenen Stammkundschaft harrt.



        Was ich damit sagen will: Natürlich sind die Arbeitsbedingungen bei Amazon mies, das weis ich auch; nur ist das was wir alle tag-täglich direkt vor unserer Nase haben aber allzuoft trotzdem nicht sehen in vielerlei Hinsicht kaum besser.

      • @Grummelpummel:

        ""Im Laden um die Ecke" meint vermutlich nicht die großen Ketten."

        Und wo deckt sich der Laden um die Ecke ein? Der hat eh im Vergleich zur verketteten Konkurrenz schon ein Problem mit der realisierbaren Marge. Da wird er nicht noch für jedes Produkt zum kleinen FairTrade- oder Bio-Anbieter fahren sondern lieber zu den Mädels und Jungs mit den hohen Regalen.

    • @Ingo Bernable:

      Ja, bessser Mr. Bezos reichtum noch reicher machen.

      Die Arbeitskonditionen von Amazon sind bekannt; gerichtlich, gewerkschaftlich und weiteres.....



      Und nicht ohne Grund versucht Amazon mit teurer Werbungen im Prime-Time auf unsere Fernsehen dessen Image zu verbessern...

      • 0G
        06227 (Profil gelöscht)
        @Robert Boyland:

        +@J_CGN +@Toto Barig



        Im Kommentar von I.B. ging es allgemein um onlineshops (davon gibt es tausende!, und davon ziemlich viele ziemlich faire/nachhaltige) und nicht spezifisch um Amazon....

        Die pauschale Logik online- böse, Einzelhandel- gut ist tatsächlich schlicht albern und falsch.

        • @06227 (Profil gelöscht):

          Gerne können Sie alles bei Amazon und Co kaufen...

          Das ist sicher "besser" für Deutschland und die Leute... Weiter so..

          • 0G
            06227 (Profil gelöscht)
            @Robert Boyland:

            Meinen Kommentar offensichtlich nicht verstanden.



            'Amazon & co' pauschal als einheitsbrei zu kategorisieren ist Unsinn.



            Und ja, wenn ich bei einem fairen, nachhaltigen und in Deutschland ansässigen onlineversand kaufe, und die gibt es zuhauf, ist das besser als bei Kick nebenan. Einfach mal versuchen den Horizont etwas zu erweitern.

    • @Ingo Bernable:

      Jedenfalls zahlt der Laden um die Ecke vermutlich Steuern.

      • @J_CGN:

        Gerade der kleine Händler, Gastronomen und Kleingewerbetreibende sind nun nicht immer steuertreu, im Gegenteil. Der Versuchung die Dinge nicht in die Registrierkasse einzubongen wird nicht nur in der Gastronomie erlegen …

    • @Ingo Bernable:

      Heile Welt nicht, aber zumindest ist es dort datenschutzfreundlich, wenn man bar zahlt.

      Es geht meine Bank nichts an, wo ich einkaufen gehe, es geht den Laden nichts an, bei welcher Bank ich bin.

      Amazon ist eine der mächtigsten und gefährlichsten Firmen der Welt, die ihre Macht auch gegen Amazon-Händler/innen gnadenlos ausnutzt. "Der Laden an der Ecke" ist schlicht zu klein um so großen Schaden anzurichten wie Amazon.

      Siehe z.B.:

      www.aclu.org/news/...ce-infrastructure/

      www.eff.org/deepli...artnerships-police

      • @Toto Barig:

        Genau ist es..

      • @Toto Barig:

        Datenschutzmäßig finde ich online ehrlich gesagt besser. Beim "Laden um die Ecke" weiß im Zweifel nachher die ganze Nachbarschaft, dass ich jeden Tag eine Flasche Schnaps kaufe oder sowas, es kontrolliert ja niemand, was die Verkäuferin weiter tratscht, bei einem Onlinehändler ist es erheblich unwahrscheinlicher, dass irgendwelche Daten an jemanden geraten, der diese tatsächlich nicht sehen sollte. Ich empfinde online einkaufen jedenfalls als anonymer.

        • @Ruediger:

          So ist es.



          Früher ist "man" (bei allem Risiko von Verallgemeinerungen) sogar für eine Packung Kondome lieber in einen entfernteren Laden gegangen, wo man nicht erkannt wurde (ausser von denen, die die gleiche Idee hatten...). .