Hungerstreik abgebrochen: Ausfahrt Arbeitskampf
Lkw-Fahrer aus Osteuropa blockieren die Autobahn-Raststätte Gräfenhausen. Sie wollen mehr Lohn. Aber ihren Hungerstreik haben sie beendet.
G eorgi Kapanadze wird als einer der Letzten untersucht. Er setzt sich an den Rand der Ladefläche des Kleintransporters und zieht den linken Ärmel seines Sweatshirts hoch. Während Schwester Angelika, so will sie genannt werden, seinen Blutdruck misst, pikst der Arzt Sebastian Schink in Kapanadzes rechten Zeigefinger, um den Blutzuckerspiegel zu messen. Schink hört Kapanadzes’ Herz und Lunge ab, fragt, ob er Medikamente nimmt, und rät ihm, viel Wasser zu trinken. Das Team des Mainzer Vereins „Armut und Gesundheit“ legt eine Karteikarte für Kapanadze an und verabschiedet ihn fürs Erste.
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Es ist Samstag, Tag 5 des Hungerstreiks von etwa 30 Lkw-Fahrern auf der Raststätte Gräfenhausen-West an der Autobahn A5 zwischen Darmstadt und Frankfurt am Main. Am Montag danach werden die Fahrer die verweigerte Nahrungsaufnahme wieder abbrechen, aus gesundheitlichen Gründen. Aber jetzt ist Gerhard Trabert vor Ort, Professor, Arzt und Gründer des Vereins, mit seinem Arztmobil und einem Team von Ärzten und Pflegekräften auf der Raststätte, um nach den Männern zu sehen. Eine Krankenversicherung haben die Männer nicht, Traberts Untersuchungen sind kostenlos.
Das Arztmobil ist zum ersten Mal seit Beginn des Hungerstreiks vor Ort. „Jetzt beginnt die kritische Phase“, sagt Trabert der taz. Nach fünf Tagen Hungerstreik stelle der Stoffwechsel um, es gehe an die körpereigenen Reserven, Organe könnten angegriffen werden. „Wenn dann das Herz angegriffen wird, kann es zu Herz-Rhythmus-Störungen kommen.“ Allerdings, so betont er: „Das ist von Anfang an eine lebensgefährliche Situation. Jeder weitere Tag, jede weitere Stunde ist ein Risiko.“ Sein Team wolle alle 30 Beteiligten einmal durchchecken – für ihre Gesundheit garantieren könne es aber nicht.
Insgesamt streiken hier und in Gräfenhausen-Ost rund 80 Männer bereits seit über zwei Monaten. Sie alle arbeiten für eine der polnischen Speditionen Agmaz, Lukmaz oder Imperia, die zur Firmengruppe von Lukasz Mazur gehören. Firmensitz ist Wawrzeńczyce nahe Krakau, ihr gehört eine Flotte von mehr als Tausend Lkw. Die Unternehmen sollen den Fahrern mehrere Monatslöhne schulden, insgesamt etwa eine halbe Million Euro.
Rund 60 leuchtend blaue Lkw – typisch für die Gruppe Mazur – stehen auf der Raststätte West, weitere etwa 20 gegenüber in Gräfenhausen Ost. Läuft man zwischen den Trucks entlang, sieht man an jeder Fahrertür einen handgeschriebenen, mit Klebeband angeklebten Zettel. Darauf verzeichnet: der Name des Arbeitgebers, das Autokennzeichen, der Name des Fahrers und die Höhe des Geldes, das Mazur ihm schuldet. Mal sind es 4345, mal 4195 oder gar 7745 Euro. Mehrere Tausende Euro soll die Spedition jedem einzelnen der Männer schulden. Die streitet das ab.
Kapanadze, er heißt eigentlich anders, kommt aus Georgien – so wie viele andere hier. Seit zwei Monaten sei er auf dem Rastplatz, erzählt er auf Russisch. Seit fünf Tagen habe er nicht gegessen. Warum? „Wir wollen bezahlt werden.“ Und: „Wir wollen, dass anderen Beschäftigten in der Zukunft eine Situation wie die unsere erspart bleibt.“ Dann dankt er noch Deutschland für die Hilfe, die die Männer hier im Land bisher erfahren haben. Mehr will er nicht sagen.
Es ist bereits der zweite Streik von Lkw-Fahrern der Firmengruppe Mazur in Gräfenhausen. Auch im März und April hatten sich auf der Raststätte rund 60 Trucker eingefunden, weil sie mehrere Monate lang keinen Lohn erhalten hatten. Warum ausgerechnet Gräfenhausen? Zufall. Der erste Trucker war gerade auf der A5 unterwegs, als es ihm reichte. Zu lange hatte er kein Geld gesehen. Der Protest machte die Runde – in Chats und Foren, in denen sich Lkw-Fahrer austauschen. Immer mehr Trucker, die das gleiche Schicksal teilten, kamen dazu.
Nach ein paar Wochen besuchte Lukasz Mazur persönlich Gräfenhausen – und brachte einen Schlägertrupp mit, der die Streikenden bedrohte. Seit dem Vorfall ermittelt die Staatsanwaltschaft Darmstadt unter anderem wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, Körperverletzung und Störung einer Versammlung gegen Mazur und seine Männer. Mazur selbst wurde kurzzeitig festgenommen, dann aber wieder freigelassen. Und schließlich zahlte er doch: 300.000 Euro. Entscheidend war offenbar der Druck eines Unternehmens, das auf seine Ware wartete und mit Vertragsstrafe drohte, sollten die entsprechenden Lkw nicht ihren Weg zum Ziel fortsetzen. Gräfenhausen wurde zum Symbol für Lkw-Fahrer – des Widerstands und des Sieges.
Doch auch danach zahlte Mazur offenbar Fahrern ihren Lohn nicht voll aus. Und so gingen am 18. Juli wieder Trucker in den Streik, zunächst waren es vier. Wo? Natürlich in Gräfenhausen, wo zuvor ein Sieg errungen war. In Chatgruppen verbreitete sich die Kunde von „Gräfenhausen 2“, sodass bald fast 150 Wagen die Parkplätze in West und Ost belegten. Bereits wenige Tage darauf erhielten mehrere Streikende ihr Geld. Vier beladene und drei unbeladene Lkws sollen daraufhin abgefahren sein, um die Fracht auszuliefern. Bei dem kleinen Erfolg blieb es dieses Mal – danach stellte Mazur auf stur, reagierte auf Kontaktanfragen nicht mehr und wollte auch nicht mehr zahlen.
Der taz sagte eine Sprecherin der Firmengruppe am Freitag, das Unternehmen sei all seinen Verpflichtungen aus den Verträgen nachgekommen. Die Firma habe sich nichts vorzuwerfen. Von einem Streik wollte sie nichts wissen, noch weniger von einem Hungerstreik, schließlich lägen ihr Fotos vor, auf denen die Fahrer feiern und Alkohol trinken. Wieso sich Feiern und Streik ausschließen sollten, erklärte sie nicht. Stattdessen schickte sie Fotos, eines zeigt eine Countryband und ein paar feiernde Männer. Das ist allerdings offenbar schon ein paar Wochen alt: Band und Männer sind auch auf einem Foto zu sehen, das die Beratungsstelle Faire Mobilität am 3. September auf Twitter veröffentlicht hatte. Damals sagte Anja Weirich von der Fairen Mobilität der taz, ständig kämen abends Bands vorbei, die Solikonzerte spielten. Der Hungerstreik begann erst am 19. September.
Die Mazur-Sprecherin wies auch darauf hin, dass die polnische Arbeitsaufsichtsbehörde das Unternehmen im Juli inspiziert und bezüglich der Bezahlung der Fahrer keine Unstimmigkeiten habe feststellen können. Das stimmt einerseits. Andererseits aber auch nicht. Laut Medienberichten war die Höhe der Bezahlung für die aufgeführten Arbeitsstunden zwar korrekt.
Doch sollen die Trucker den Aufzeichnungen des Unternehmens zufolge nur ein paar Dutzend Stunden pro Monat gearbeitet haben. Das machte die Behörde stutzig. Sie forderte die digitalen Dateien der Fahrtenschreiber und der Fahrerkarten ein. Und musste feststellen, dass die Daten beschädigt waren. Dem Bericht zufolge laufen daher aktuell Verwaltungsverfahren gegen die Unternehmensgruppe, es droht ein Bußgeld. Die Mazur-Sprecherin wollte das nicht kommentieren. Eine Anfrage der taz dazu beantwortete die polnische Arbeitsaufsichtsbehörde bis Redaktionsschluss nicht.
Davlatov Izzatullo, klein, dunkle Haare, trägt eine braune Teddyjacke. Es ist kalt an diesem Samstagvormittag, auf der Raststätte weht ein frischer Wind. Izzatullo kommt aus Tadschikistan. Seit Februar sei er in Deutschland, erzählt der 32-Jährige der taz. Zunächst habe er bei einem Freund in Münster gelebt und als Trainee bei Mazur angefangen. Seit dem 7. Mai fahre er selbst Waren im Auftrag von Agmaz. Aktuell habe er Wein geladen. Zeigen kann er die Ware nicht, der Lkw sei verplombt, öffnen könne die Plane nur der Empfänger. Mazur habe ab und an kleine Beträge auf Izzatullos Bankkonto überwiesen, nie aber den vollen Lohn. Anfang August habe er dann mal wieder nachgehakt. Er müsse warten, hieß es. Doch Izzatullo konnte nicht warten. „Ich habe eine kleine Tochter, sie ist krank, wir brauchen das Geld“, sagt er. Ein Freund berichtete ihm vom Streik in Gräfenhausen. Er machte sich auf den Weg. Seit dem 7. August ist er nun hier. Im Hungerstreik ist er nicht.
Mazur ist zwar ein polnisches Unternehmen, doch die Fahrer kommen aus Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan, der Ukraine und der Türkei. Sie arbeiten auf einer Art scheinselbständigen Basis. Ihre Arbeitsverträge unterzeichnen sie in Polen. Dort holen sie auch die Lkw ab. Doch dann fahren sie fast ausschließlich in Westeuropa, meist in Deutschland. Oft sind sie ein halbes Jahr, manchmal auch acht Monate oder ein ganzes Jahr unterwegs.
Vorgesehen ist das so nicht. Seit 2020 müssen die Unternehmen nach der EU-Straßenverkehrsrichtlinie sicherstellen, dass die Fahrer ihre normale wöchentliche Ruhezeit außerhalb ihres Fahrzeugs verbringen können – und sie für die Zeit auch bezahlen. Das Führerhaus, sagt die EU, ist kein geeigneter Wohnort. Die Unternehmen sind darüber hinaus verpflichtet, die Arbeit der Fahrer so zu organisieren, dass sie nach vier Wochen Arbeit nach Hause fahren können. Und schließlich muss das Fahrzeug nach acht Wochen zum Firmensitz zurückgebracht werden. In der Realität sei das aber nicht so, erklärt Edwin Atema von der europäischen Transportarbeitergewerkschaft, der für die Fahrer vermittelt, der taz. Atema war selbst zehn Jahre lang Kraftwagenfahrer und arbeitet nun mit mobilen Einsatzteams in ganz Europa. Er fährt dort hin, wo es gerade brennt. Derzeit ist er fast täglich in Gräfenhausen.
Izzatullo sei kein Einzelfall, erzählt er. Die meisten Fahrer seien sechs, acht oder zwölf Monate non-stop unterwegs. Zwischendurch überweise der Auftraggeber kleinere Beträge, „damit sie nicht verhungern“. Den Großteil des Lohns – mehrere tausende Euro – müssen sie sich aber im Büro in Polen abholen. Wenn sie dort ankommen, ihren Lohn einfordern und um eine Pause bitten, um ihre Familien zu besuchen, die sie über Monate nicht gesehen haben, bekämen sie oft nur den halben Lohn ausgezahlt. Den Rest, werde ihnen gesagt, erhielten sie, wenn sie von ihrer nächsten Tour zurückkämen. So bliebe den Fahrern nichts anderes übrig als sich wieder in den Truck zu setzen und weiterzuarbeiten. „Die Fahrer sind praktisch Gefangene der Speditionen“, sagt Atema. Im Plural, denn die Mazur-Gruppe sei kein schwarzes Schaf, sondern eines von vielen Unternehmen in der Branche, deren schlechte Behandlung der Fahrer seit Jahren bekannt sei.
Dann erzählt Atema noch, dass er von den Fahrern in Gräfenhausen die Tachodaten abgelesen habe. Daraus habe er berechnet, dass sie durchschnittlich de facto einen Stundenlohn von 1,45 Euro erhielten. Eigentlich stehen ihnen gemäß Mindestlohngesetz und Entsenderichtlinie die Mindestlöhne der jeweiligen Einsatzländer zu. Damit würden sie rund 2.400 Euro pro Monat verdienen. Doch die Spediteure wissen das meist zu umgehen. Zum Beispiel müssten die Arbeitgeber eigentlich die Kosten für die Bezahlung von Parkplätzen, Benutzung von Toiletten, Duschen oder Unterkunft auf Rastplätzen bezahlen. Das machen sie in der Regel aber nicht oder ziehen das Geld von der Vergütung ab. Da sie fast ausschließlich Nicht-EU-Bürger für sich arbeiten lassen, können sie sicher sein: Die wehren sich nicht, da sie ihre Rechte oft nicht kennen und Verträge unterschrieben haben, deren Sprache sie nicht verstehen.
Ausbeutung von Truckern ist nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt ein Problem. In Südkorea riefen Gewerkschaften 2022 zweimal zu einem landesweiten Streik von Lkw-Fahrern aus. Rund 25.000 Trucker beteiligten sich daran. Sie protestierten damit – letztlich erfolglos – gegen die Abschaffung eines Gesetzes für Sicherheit im Straßenverkehr.
An diesem Wochenende trafen sich nun in Südkoreas Hauptstadt Seoul über 1000 Vertreter*innen von 50 Gewerkschaften weltweit, um die Kampagne „Safe Rates“ (etwa: sicherer Tarif) zu starten. „Überall auf der Welt machen niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten Lkw-Fahrern nicht nur das Leben schwer, sondern sind auch Ursache für ihren Tod und für Blutbäder auf unseren Straßen“, sagte Stephen Cotton, Generalsekretär der Internationalen Transport-Föderation zum Start der Kampagne in einer Mitteilung. Zum Abschluss der Versammlung besetzten die Gewerkschafter eine Straße in Seoul, um damit ihrer Solidarität für die hungerstreikenden Fahrer in Gräfenhausen Ausdruck zu verleihen.
Rund 8500 Kilometer weiter westlich fliegt ein Flugzeug vom nahen Flughafen Frankfurt am Main mit tosendem Lärm über die Raststätte Gräfenhausen hinweg. Vor einem der Lkw haben die Fahrer eine kleine Sitzecke eingerichtet. Getränkekisten dienen ihnen als Stühle. Die Tür des offenen Wagens haben sie als Infotafel eingerichtet. Die Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union FAU hat hier ein Transparent gespannt, darunter klebt ein Foto von Lukasz Mazur und seiner Frau neben einem Luxusauto, hinter ihnen eine Flotte blauer Lkw. Drumherum sind Ausdrucke der Codes of Conduct – der Verhaltensregeln – verschiedener Firmen: Dachser, Deutsche Bahn, Knauf. Im Wagen selbst kleben weitere Zettel: Kopien von Frachtscheinen für Firmen wie Toom, Obi, Audi und Netto.
Denn: Auch bei Speditionen gibt es lange Subunternehmerketten. „Nicht so lang wie in der Baubranche“, sagt Atema. Drei bis fünf Unternehmen lägen in der Regel zwischen dem Verkäufer und dem Käufer einer Lkw-Ladung. „Wenn zum Beispiel Obi Ware von Knauf bestellt, wird eine Spedition beauftragt.“ Die habe mal eigene Fahrer, mal nicht. In letzterem Fall, oder wenn die eigenen Fahrer schon anderweitig eingesetzt sind, vergibt die Spedition den Auftrag weiter – und so kann es noch ein-, zwei-, dreimal weitergehen. „Am Ende der Kette sitzt zum Beispiel Mazur. Dann holt ein blauer Lkw die Ware von Knauf ab und bringt sie bis auf den Werkshof von Obi“, erklärt Atema. Es könne also gar nicht sein, dass Obi nicht wisse, dass Mazur an der Lieferkette beteiligt sei.
Und doch ist es das, was Obi, Bauhaus und andere Firmen zur Causa Mazur sagen. Bereits am 19. August hatten die streikenden Fahrer in Gräfenhausen Namen von Firmen und Marken öffentlich gemacht, deren Waren sie an Bord hatten. Neben den oben genannten war unter anderem Ikea dabei, Volkswagen und Redbull.
Die taz hat einen Teil der Firmen um Stellungnahme gebeten. Nahezu alle verneinen eine Beteiligung von Mazur an ihrer Lieferkette oder sagen zumindest, keine Kenntnis davon zu haben, dass die polnische Gruppe Waren für sie fahre. Einige erklären, sie hätten bereits im Januar oder nach dem ersten Streik im Frühjahr ihre Spediteure angewiesen, nicht mit Mazur zusammenzuarbeiten. Bauhaus teilte zudem mit, es habe sein „Lieferketten-Risikomanagement überprüft und geltende Transportrichtlinien verschärft“ und wolle seine Lieferkette nun „über den Kreis unserer unmittelbaren Zulieferer hinaus überprüfen“.
DB Schenker erklärte vergangene Woche, nach einer internen Überprüfung „haben wir festgestellt, dass drei Sendungen ohne unser Wissen und ohne die vertraglich vorgeschriebene Zustimmung durch DB Schenker an Unternehmen der Mazur-Gruppe weitervergeben wurden“. Drei Transportunternehmen seien daher von Aufträgen durch DB Schenker ausgeschlossen worden.
Nach dem deutschen Lieferkettengesetz müssen hiesige Firmen seit Januar für den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in den Lieferketten sorgen – und zwar vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Verstöße können beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) gemeldet werden. Das Bafa teilte der taz auf Anfrage mit, dass von Januar bis Anfang August gerade einmal 14 Beschwerden eingegangen seien. Herumgesprochen hat sich die Möglichkeit offenbar noch nicht. Ob auch Unternehmen der Mazur-Lieferketten darunter waren, wollte das Bafa nicht sagen.
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Stichwort „Truckerstreik“
Das Bafa kann allerdings auch selbständig tätig werden, wenn es von möglichen Verstößen gegen das Lieferkettengesetz erfährt. Das will es im Fall Mazur nun auch tun. Rückhalt hat es dafür von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Der äußerte sich vergangene Woche auf dem Verdi-Bundeskongress über den Hungerstreik in Gräfenhausen, sprach von einer „beschissenen Situation“ und erklärte: „Wir werden da nicht tatenlos zusehen.“ Und in der Tat: Am Montag war die Bafa vor Ort und kopierte die Fahrzeugpapiere, Frachtscheine etc.
Heil appellierte an die deutschen Großunternehmen, die Auftraggeber von Mazur sind, ihre Verantwortung im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes, wie es korrekt heißt, wahrzunehmen. „Die Frage von Menschenrechten ist keine Frage von Freiwilligkeit.“ Das Bafa werde diese Unternehmen daher einer Sonderprüfung unterziehen. Darüber hinaus habe er mit der polnischen Arbeitsministerin Kontakt aufgenommen, um sich mit ihr bezüglich des Streiks auszutauschen. Eine Anfrage der taz an das polnische Arbeitsministerium blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Der Rastplatz Gräfenhausen-West ist eigentlich für weitere Lastwagen gesperrt – die blauen Trucks der streikenden Fahrer belegen fast den gesamten Rastplatz. Ein paar Fahrzeuge anderer Speditionen parken hier dennoch. Von einem weißen Lkw zieht der Geruch von Bratkartoffeln herüber. Auf einem kleinen Platz zwischen Führerhaus und Ladefläche steht ein Gaskocher mit Bratpfanne, das Essen ist fast fertig. Woher der Fahrer kommt? „Aus der Ukraine.“ Ob er wisse, dass die Fahrer in den blauen Lkw ein paar Meter weiter im Streik seien? „Ja, das habe ich auf Facebook gelesen“, sagt er auf Englisch. Agmaz sei ein schlechtes Unternehmen, der Streik richtig, schließlich bekämen die Fahrer kein Geld.
Ob sein Arbeitgeber besser sei? Ja, sagt er, macht mit seiner Hand aber gleichzeitig eine Geste, die nach „mehr oder weniger“ aussieht, und lacht etwas verlegen. Auch wenn er weder seinen noch den Namen seines Arbeitgebers nennt, ist es ihm offenbar nicht geheuer, offen mit der Presse zu sprechen. Er verabschiedet sich freundlich und dreht sich um, bevor seine Kartoffeln anbrennen.
Gerhard Trabert und sein Team sind fertig mit den Untersuchungen. Anschließend geht es nach Gräfenhausen-Ost, auch dort sind ein paar Männer im Hungerstreik. Die werden direkt im Lastwagen untersucht, sitzen auf einer Matratze, während das medizinische Team ihre Werte prüft. Am Ende fasst Arzt Sebastian Schink zusammen: Die Männer hätten Kopfschmerzen, einen niedrigen Blutdruck und seien geschwächt, aber stabil. „Zum Glück ist niemand dabei, der ins Krankenhaus muss.“
Zwei Tage später sieht die Situation anders aus. Die Männer brechen den Hungerstreik ab – sie haben es gesundheitlich einfach nicht ausgehalten.
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