Höcke und Hamas: Das Spiel der Faschisten
Unsere Kolumnistin wurde in dieser Woche von Markus Lanz und Mario Voigt sediert, aber vom möglichen Stopp der Waffenlieferungen für Israel wachgehalten.
V erzeihen Sie, wenn diese Kolumne etwas zäh anläuft. Mein Gehirn wurde diese Woche bei Markus Lanz zwangsheruntergefahren, davon erhole ich mich nur schwer. Grund für mein Wegdriften war diesmal aber gar nicht Lanz und sein stets hypnotisierend zur Oberlippe wandernder Zeigefinger, sondern sein Sedativum – sorry, Gast, Mario Voigt.
Genau, der CDU-Politiker, der im September Thüringens neuer Ministerpräsident werden will. Was ihn dazu befähigen soll, konnte er durch ausuferndes Rumeiern perfekt verschleiern. „Ich habe Demut vor dem Bürger“, war seine Antwort auf Lanz’ Frage, ob er AfD-Wähler verstehe. Mit wem er am Ende eher koalieren würde, Linke oder AfD, umtänzelte er, indem er realitätsverleugnend beide ausschloss.
Immer wenn ich kurz aus meinem von seinem Gerede erzeugten Dämmerzustand zu erwachen drohte, hörte ich eine Phrase wie: „Ich habe eine Antwort auf die Frage, was ich anstrebe …“ – und schon war ich wieder weg.
Dabei kann der Mann klare Ansagen: Habeck als Heizungsstasi bezeichnen etwa kam ihm irgendwann mal leicht über die Lippen.
Die traurigen Hundeaugen
Was meinen Puls und damit auch mich wieder zum Leben erweckt hat, war die Erkenntnis: Dieser Knaller von einem Politiker wird bald ein TV-Duell mit Deutschlands führendem Rechtsextremen, Björn Höcke, führen.
Damit hat er die Frage, mit wem er eher koalieren wird (müssen), ja eigentlich doch beantwortet. Denn wer soll von so einem Duell profitieren (außer dem Medium, das es ausstrahlt)? Richtig, Mario Voigt wird es nicht sein.
Ich sehe aber schon die mit traurigen Hundeaugen geschriebenen Nachwahlanalysen, sicher auch im ausstrahlenden Medium selbst, die fragen: Ach, ach, wie konnte es zum Super-Wahlergebnis der AfD denn bloß kommen?
Die Delulu Fraktion
Das erinnert mich in seiner Exzellenz an Selbstbetrug an die Delulu-Fraktion, die seit sechs Monaten der Welt weiszumachen versucht, dass das Massaker an 1.200 Israelis am 7. Oktober als eine Art Konsequenz „der Besatzung“ zu sehen sei. Dass in Gaza seit 2005 kein israelischer Soldat mehr war (bis zum 7. Oktober, aus bekannten Gründen), wird schön unterschlagen.
Stattdessen wird jetzt – angesichts der tatsächlich natürlich entsetzlichen humanitären Lage in Gaza, den viel zu hohen zivilen Opferzahlen – überall gefordert, Waffenlieferungen an Israel einzustellen.
Das zu diskutieren ist richtig. Erstaunlich ist nur mal wieder der moralische Furor. Ein bisschen davon hätte es vielleicht – nur so als Beispiel – gebraucht, als deutsche Unternehmen Milliardengeschäfte mit dem mörderischen iranischen Regime machten und Deutschland neben anderen ebenjenes mit einem Atomdeal hofiert hat – ein Regime, das nicht nur brutal gegen seine eigenen Bürger vorgeht, sondern die Hamas sowie auch die Hisbollah großzügig finanziert und hochgezüchtet hat. Aber die ach so tollen deutschen außenpolitischen Werte werden immer nur dann argumentativ bemüht, wenn es gerade passt.
Aber klar, hinterher – nach der Wahl, nach dem Massaker – ist man immer schlauer. Es sei denn, man heißt Gerhard Schröder, bei dem geht’s nur noch die Pipeline bergab.
Faschisten isolieren
Zur Delusion gehört in der Debatte um den – ohne Zweifel furchtbaren – Krieg in Gaza aber meiner Meinung nach auch, auszublenden, dass alles, was jetzt passiert, von der Hamas eingepreist war.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Es war kein Zufall, dass das Pogrom in der Amtszeit der rechtesten, extremsten Regierung stattfand, die Israel je hatte. Es ist kein Zufall, dass die Terroristen sich beim Schlachten selbst gefilmt haben. Es war Teil der Strategie, das rechte Netanjahu-Kabinett zur extremsten Reaktion zu provozieren, die möglich ist. Die Hamas und ihre islamfaschistischen Gesinnungsgenossen gewinnen gerade ein zweites Mal (nach dem Durchbrechen des Zauns). Sie isolieren Israel international.
Bei aller berechtigten Kritik an Israels Kriegsführung in Gaza sollten wir uns nicht zu Gehilfen der Hamas machen lassen. Genauso wenig, wie wir uns zu Gehilfen der AfD machen lassen sollten, indem wir ihr Sendezeit einräumen. Es sind die Faschisten, die isoliert gehören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren