Hamburger Demo gegen Corona-Maßnahmen: Zunehmende Radikalisierung
Am Samstag soll es in Hamburg eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen geben. Auf der dazugehörigen Facebook-Seite wird über Gewalt diskutiert.
„Wir sind eine friedliche Bewegung“, schreibt das Netzwerk um Selina Fullert, die die Demo initiiert hat, auf ihrer Webseite. Noch, darf ergänzt werden. Auf ihrer Facebook-Seite wird bereits diskutiert, dass der gewaltfreie Protest unzureichend sei. Da wird beispielsweise wenige Tage nach dem Schulstart in Hamburg gefragt, wer bereit sei, die Schulbehörde im Mundsburg Center zu besetzen und Masken zu verbrennen.
Seit in Berlin am 1. August Tausende gegen die Coronamaßnahmen auf die Straßen gegangen sind, habe sich nicht nur der Tonfall verschärft, auch die Aktionsideen seien radikaler geworden, sagt Kim Uhrig vom Hamburger Bündnis gegen Rechts. Die Berliner Demo brachte Verschwörungsapologet*innen und Veganer*innen zusammen, Reichsbürger*innen und Impfgegner*innen, AfD-Anhänger*innen und Grünenwähler*innen, Rechtsextremist*innen und Waldorfanhänger*innen. In den Sozialen Medien hält sich die Behauptung, Polizei und Medien hätten die Teilnehmer*innenzahl bewusst niedrig mit 20.000 Demonstrant*innen angeben – dabei seien tatsächlich 1,3 Millionen Menschen auf die Straße gegangen.
„Nach der Großdemonstration in Berlin fühlen sich die rechtsoffenen Corona-Leugner*innen in ihrem Glauben bestärkt und beschwören zum Teil einen Bürgerkrieg“, sagt Uhrig. Auch die Unterstützer*innen von „Querdenken 40“ gehören dazu.
Verschwörungsideologische Proteste
So heißt es auf deren Facebook-Seite, die Repressionen wegen Maskenverweigerung werden bei einem zweiten Lockdown steigen, die „bewusste Verarmung der Bevölkerung durch mangelnde Finanzzuschüsse“ werde folgen und ein „gewaltsamer Bürgerkrieg in einigen Regionen“, der durch die Exekutive nicht mehr kontrolliert werden könne, sei denkbar. Zu einer Meldung in der Zeitung Die Welt über „Bombendrohungen gegen Gesundheitsämter in mehreren Bundesländern“wird angemerkt: „Während einige meditieren, nette Liedchen singen gibt es (...) Aktivisten, die etwas konkretes tun.“
Die Unterstützer*innen der Anti-Corona-Gruppierung „Querdenken 40“ diskutieren via Facebook auch darüber, wie die Kundgebung in Hamburg „etwas provokanter“ und „rabiater“ gestaltet werden könne, „um sich bei der Gegenseite auch mal Respekt zu verschaffen und (zu) vermitteln 'Euren Feierabend bestimmen wir!’“
Seit Mai 2020 begleitet das Bündnis gegen Rechts die verschwörungsideologischen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in Hamburg kritisch, da dort Verschwörungsmythen und extrem rechte Inhalte geteilt sowie die gesundheitliche Gefahr von Covid-19 verharmlost würden. Kim Uhrig betont, dass diese „aktuelle Radikalisierung“ ernst genommen werden müsse und nicht der „legitime Gegenprotest“ kriminalisiert werden dürfe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück