piwik no script img

Hamburg öffnet nicht alle FreibäderAbkühlung bleibt verwehrt

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Weil es regulär ein Ruhetag ist, bleibt das Freibad in Rahlstedt trotz angekündigter 35 Grad geschlossen. Da schimmert eine gewisse Schieflage durch.

34 Grad wurde es am Mittwoch in Hamburg und Umgegung Foto: Sven Hoppe/dpa

J ede Wetter-App und auch die Seite der Hamburger Bäderland GmbH hat vor dem heißen Mittwoch gewarnt. „Amtliche Warnung vor extremer Hitze“, hieß es dort. 35 Grad sollte das Thermometer erklimmen. Tja, und was macht man da? Eltern, die mit ihren Kindern das kleine Freibad im Zentrum von Rahlstedt besuchten wollten, hatten keine Chance. Denn dort ist mittwochs „Ruhetag“.

Dabei ist Rahlstedt mit mehr als 95.000 Einwohnern der bevölkerungsreichste Stadtteil Hamburgs mit vielen Kindern. Die Sache mit dem Schließtag bei Rekordhitze macht so manchen sprachlos, der die jüngere Historie um die Rahlstedter Schwimmbadversorgung kennt. Denn bis 2021 gab es ein wunderbares großes Freibad mit Kinderplanschbecken, Rutsche und Sprungturm am Wiesenredder, gespeist vom Wasser des Bächleins Stellau. Das Freibad bot bei Hitzelagen Platz für alle Menschen, die sich abkühlen wollten.

Dann musste das Bad städtebaulicher Vernunft weichen. Bagger kamen und rissen das 88 Jahre alte Bad ab, weil dort Wohnungen entstehen sollen. Als Trostpflaster bekamen die Rahlstedter gut zwei Kilometer weiter im Zentrum neben ihr Hallenbad ein kleines Außenbecken mit fünf 25-Meter-Bahnen gesetzt, auf einer umzäunten Wiese. „Mickey-Maus-Bad“ nennen es Kritiker ob der Winzigkeit.

Aber es wird eifrig genutzt. Sofern geöffnet, drängeln sich bei Hitze die Rahlstedter in diesem Bad. Zehnjährige tun das naheliegende, springen vom Rand und kühlen sich ab. Eltern mit Kleinkindern bleiben meist drinnen in der Halle, weil das Außenbecken für Nichtschwimmer zu tief ist. Aber das Freibad ist wenigstens da und erweitert den Horizont.

Andere Bäder haben keine Schließtage

Und nun das. Der reguläre „Ruhetag“ zum Ausgleich von Personalengpässen fällt auf den 35-Grad-Tag. Ja, man habe geprüft, ob man trotzdem öffnen könne, sagt der Sprecher der städtischen Firma Bäderland. „Das hat nicht geklappt.“ Man habe so entschieden, weil das Personal sonst gar keine Freizeit hätte und die Rahlstedter schließlich in den Nachbarstadtteil Volksdorf ausweichen könnten, wo das Hallenbad auch ein Außenbecken hat.

Da schimmert eine gewisse Schieflage durch. Hamburgs Nordosten verliert Freibäder in Serie

Nur sind das mit Bus und Bahn etwa 45 Minuten und der Weg mit quängeligen Kindern bei Hitze wohl kein Vergnügen. Und in Volksdorf gibt es schließlich auch Schwimmer. Außer der Reihe wegen der Hitze am Mittwoch keinen Ruhetag hatte dagegen das Freibad Neugraben, berichtet der Sprecher. Weil es wegen der sanierungsbedingten Schließung des Harburger Bades sonst südlich der Elbe gar kein offenes Freibad gäbe. Das geht ja auch nicht.

Ganz ohne Schließtage geöffnet haben dagegen das berühmte Kaiser-Friedrich-Ufer-Bad in Eimsbüttel, das Festland-Bad in Altona, das Holthusenbad in Eppendorf und das Bondenwald-Bad in Niendorf, ebenso die Freibäder Marienhöhe und Osdorfer Born. In 2024 hatten letztere noch zwei Schließtage pro Woche. Bäderland legt Wert auf die Feststellung, dass die Anzahl der nach Corona eingeführten Schließtage deutlich reduziert werden konnten. Der Betrieb suche aber immer noch Personal.

Trotzdem schimmert da eine gewisse Schieflage durch. Als ob gewisse Viertel mit hohem soziokulturellem Status ganz gut versorgt sind. Hamburgs Nordosten verliert dagegen Freibäder in Serie. Seit den 1980ern wurden mit Lattenkamp, Ohlsdorf, Dulsberg, Aschberg und Wiesenredder fünf geschlossen.

Ehrenamtler könnten Putzen helfen

Übrigens: Weil Hitze ein größeres Problem wird, gab die Sozialbehörde jüngst eine interaktive „Kühle Orte“-Karte mit Trinkwasser-Stationen heraus. Je weiter vom Stadtkern entfernt, desto dünner die Einträge. Und Schwimmbäder sind dort gar nicht erfasst. Das sollte aber schnell passieren. Denn eine Gelegenheit sich abzukühlen in einem schattigen Freibad-Park ist wichtiges Element der Daseinsvorsorge. Wenn Bademeister knapp sind, muss der Beruf besser bezahlt werden. Vielleicht ließe sich ein Teil der Arbeit – etwa Putzen – auch durch Ehrenamtler stemmen. Wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg. Kaija Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • "Man habe so entschieden, weil das Personal sonst gar keine Freizeit hätte..."

    Ja. es soll Menschen geben, die Anspruch auf Freizeit haben. Ich habe sogar mal gehört, dass alle Menschen außer Leibeigenen und Sklaven Anspruch auf Freizeit haben.

    "Der Betrieb suche aber immer noch Personal."

    Und man wird auch keines finden, wenn die Bürger den dienstbaren Geistern Freizeit verweigern wollen...

  • Und wieder ein Agitationsbrief der taz zur Rettung der Freibäder.



    Bei Rekordhitze ist das Freibad der letzte Ort, den ich freiwillig aufsuchen würde.



    Viel lieber setze ich mich in der klimatisierten Stadtbibliothek in einen Lesesessel.



    Wenn die Stadtteile in Hamburg nicht mit Klimaanlagen ausgestattet sind, könnte ich die Aufregung viel besser verstehen. Bibliotheken sind Orte der Begegnung. Orte des Lernens. Orte der Information.



    Diese so zu gestalten, dass man sich auch an Hitzetagen dort gerne aufhält, so gerne, dass man neue Leser auf sich aufmerksam machen kann, das ist eine wertvolle Investition in Daseinsvorsorge.

  • Wenn man keine Bademeister findet muss man einfach besser bezahlen - so einfach ist das also? Da geht es doch nicht nur um Geld, das Personal ist Sparringsparter für junge Männer, hat den ganzen Tag nervendurchdringes Geschrei zu ertragen und muss auch noch viel Verantwortung tragen.

  • Da koennen wir ja froh sein, dass die Linke nicht in der Regierung ist, sonst haetten die Leute bei solch Temperaturen Hitzefrei und infolgedessen waeren die Schwimmbaeder immer zu wenns heiss ist...



    Ich finde es auch nachvollziehbar, dass manche Schwimmbaeder Ruhetage einlegen. Personal ist schwer zu finden weil der Job immer ungemuetlicher wird, zudem muss Immer oefter zusaetzliches Sicherheitspersonal bezahlt werden.

    Wie dem auch sei, wir leben nicht mehr in Zeiten wo das oeffentliche Bad ein Monopol auf Abkuehlungsmoeglichkeiten hatte, quasi jeder hat ne Dusche oder ne Badewanne zu Hause.

  • Einerseits setzt sich gerade die TAZ für Arbeitnehmerrechte ein, fordert hitzefrei für Arbeitnehmer und Schüler, aber im Freibad sollen die Angetstellten bitte ihren freien Tag opfern und am Ruhetag öffnen....



    Versteh ich nicht.

  • Bademeister ist ein Ausbildungsberuf - und wie in vielen anderen Bereichen gibt es auch hier den FACHKRÄFTE Mangel. Da hilft auchbessere bezahlung nichts.



    Da hilft nur die flexiblen Arbeitszeiten, die Herr Merz vorgeschlagen hat.



    Aber das wollen wir Linken ja auch nicht.



    Und warum sollen Ehrenamtliche den Müll von anderen wegmachen? Wenn jeder seinen Müll gleich wieder mitnimmt ist es auch Sauber. Oder hinterlassen Sie Ihren Arbeitsplatz dreckig?

  • Ich würde bei einem städtischen Betrieb prinzipiell keine Vernunft basierte Flexibilität mehr erwarten. Das passt sehr selten zur DNA dieser Unternehmen.

    • @vieldenker:

      Und ich würde beim Anspruchsdenken gegenüber kommunalen (oder sonstigen staatlichen) Unternehmen nicht mit Rücksicht auf Arbeitnehmerinteressen rechen. Das scheint nicht zur deutschen DNA zu passen. 😇