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Habeck stellt neues Buch vorSich „tastend bewegen“

Robert Habeck stellt mitten im Wahlkampf sein neues Buch „Den Bach rauf“ vor. Darin verrät er auch, was er aus politischen Krisen gelernt hat.

Micky Beisenherz (links) und Robert Habeck bei der Buchvorstellung im Delphi Filmpalast in Berlin Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Nach zehn Minuten stellt Micky Beisenherz eine überaus berechtigte Frage. In einem Berliner Kino führt der Moderator und Podcaster ein Bühnengespräch mit Robert Habeck, es ist die Premiere für das neue Buch des grünen Kanzlerkandidaten, das am Donnerstag erscheint. Noch bevor der Vizekanzler einen ersten Auszug vorliest, möchte Beisenherz nun wissen, warum er dieses Buch überhaupt geschrieben hat: „Was bringt's?“

Ungewöhnlich sind solche Veröffentlichungen von Spit­zen­po­li­ti­ke­r*in­nen in Wahlkampfzeiten zwar nicht, aber verwunderlich ist es ja trotzdem: Einer wie Habeck hat schon im Hauptberuf allerhand zu tun. Trotzdem hat er sich nach eigenen Angaben in seinem letzten Sommerurlaub auch noch ans Schreiben gesetzt. An ein paar freien Tagen im Herbst sei der Feinschliff erfolgt.

Dass er tatsächlich den Großteil der Arbeit selbst erledigt hat und keine Ghost-Writer hatte, ist glaubwürdig: Vor seiner Zeit in der Politik hat er schließlich als Autor sein Geld verdient. Nebenbei ist dadurch weniger wahrscheinlich, dass sich für die Grünen die große Panne des Wahlkampfes 2021 wiederholt: Damals veröffentlichte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr Erstlingswerk. Es enthielt Plagiate – und die Kandidatin wurde für die Partei zum Problem.

Was bringt's jetzt also für Habeck? „Schreiben gibt mir Schwung. Es ist nicht Arbeit im Sinne von lästiger Arbeit“, sagt der heutige Freizeit-Autor am Mittwoch in seinem Gespräch mit Beisenherz. Ihm helfe die Arbeit an politischen Büchern, mit etwas Abstand zu reflektieren, was er in den Jahren zuvor erlebt hat. „Für mich ist das eine gute Form, mich zu bestimmen, mich einzuordnen, und interessanterweise interessiert es dann auch Menschen über mich hinaus“, sagt Habeck.

Ein Fundus für Wahlkampfauftritte

Herausgekommen ist mit „Den Bach rauf“ ein Büchlein von 141 Seiten, dessen Nutzen für Habeck selbst tatsächlich offensichtlich ist: Er nutzt es als Fundus für seine Auftritte im Wahlkampf, auf Parteitagen und in den Medien. Die meisten Anekdoten und Gedanken aus dem Buch hat er in den letzten Wochen und Monaten schon an diversen Stellen vorgetragen, mit Ausnahme dessen vielleicht, dass er anders als bei seiner letzten Veröffentlichung nicht mehr gendert. Ein Bauchgefühl: Er habe „entschieden, es diesmal einfach zu lassen“.

Was lernt man abgesehen davon beim Lesen über ihn? Beim Schreiben habe er sich gefragt, was er heute anders sehen würde als vor seiner Zeit in der Regierung, sagt Habeck während der Premiere. Die drei Jahre als Minister „müssen was mit einem gemacht haben“. Auch das sei eingeflossen.

Ein neuer Mensch ist er dennoch nicht geworden. Seine politische Methode ist geblieben. Es geht ihm weiterhin um „Kompromisse, hinter denen sich eine gesellschaftliche Mehrheit versammelt“. An der „politischen Einigungsfähigkeit“ ist ihm als Gegenstück zum Populismus immer noch gelegen. Die diversen Krisen der letzten Jahre und der Druck auf die Demokratie haben ihn in dieser Überzeugung höchstens noch gestärkt.

Konkrete Lernmomente kommen im Buch eher punktuell vor, am plastischsten noch im Rückblick auf seine größte politische Krise: Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, die in „vielerlei Hinsicht erkenntnisreich“ gewesen sei. Es hätten diverse falsche Informationen kursiert und Lobbygruppen hätten – „wie manchmal geschrieben wurde“ – das Gesetz aus wirtschaftlichen Grünen verhindern wollen.

Aus dieser Erfahrung folgt für Habeck aber nicht mehr Härte für künftige Konflikte, sondern mehr Rücksicht auf Befindlichkeiten: „Menschen machen sich Sorgen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen können. Sie fragen sich, wie sie das alles bewerkstelligen“, schreibt Habeck. Die Unklarheit darüber, wie das Förderprogramm für den Einbau neuer Heizungen aussehen werde, „trug dazu bei, dass wochenlang Angst vor Armut geschürt werden konnte.“

Auf der Buch-Premiere hätte sich an dieser Stelle eigentlich die Frage angeboten, wie Habeck denn dann in dieser Woche wieder in solche Schwierigkeiten kommen konnte. In einem Fernseh-Interview hatte er am Sonntag vorgeschlagen, zur Finanzierung der Krankenkassen auch auf Kapitalerträge Abgaben zu erheben. Die soziale Frage war dabei zwar zentral mitgedacht, es ging Habeck gerade darum, im Gegenzug Abgaben auf Arbeitseinkommen zu senken. Nur: Dass nicht Klein­spare­r*in­nen die neue Abgabe zahlen sollten, sondern nur die Reichen, erwähnte Habeck nicht sofort.

In der Sache ist dieses Versäumnis nicht vergleichbar mit dem Heizungsgesetz. Es geht nicht um ein verkorkstes Gesetzgebungsverfahren, sondern um eine unpräzise Interview-Antwort. Die Reaktionen nehmen dennoch schon wieder ähnliche Ausmaße an wie damals in der Heiz-Debatte. „So will Habeck ihr Erspartes schrumpfen“, titelte am Mittwoch die Bild, mutmaßlich wider besseren Wissens.

Wie kommt der Grünen-Kandidat da nun wieder raus? In seinem Buch schreibt Habeck, zum Heizungsgesetz wäre 2022 ein Bürgerrat richtig gewesen, der „Menschen in die Entscheidungsprozesse reinholt und sie um Lösungsvorschläge bittet“. Für die Zukunft wolle er diesen Gedanken mitnehmen. Ein Bürgerrat biete sich auch in der Debatte um die Finanzierung der Krankenkassen an, sagte er tatsächlich in dieser Woche, als er nach Details seines Abgaben-Vorschlags gefragt wurde und keine nennen wollte.

Was gewissermaßen auch wieder Habecks Methode entspricht. Nach dem Aus der Ampel-Koalition, sagt er im Gespräch mit Beisenherz allgemein gesprochen, wollte er „nicht gleich sagen: Ich weiß genau, wie es weitergeht“. Stattdessen: Zweifel zulassen, einen halben Schritt zurückgehen, sich „tastend bewegen“. Zuhören und offen bleiben, auch auf Vorschläge von anderen hören.

Ob diese Methode aber auch in einem Bundestagswahlkampf funktioniert? Wir werden es nachlesen können. In ein paar Jahren, wenn Robert Habeck das nächste Mal am Schreibtisch saß, um seine Gedanken zu sortieren.

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1 Kommentar

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  • „Den Bach rauf“



    Typischer Habeck- Titel. In allen EU-Ländern wächst die Wirtschaft mit positivem Ergebnis, nur Deutschland geht "Den Bach runter" und hat zum zweitem Mal in Folge ein negatives Ergebnis.



    Und da sage mir einer, die Ampel sei nicht daran schuld und schon gar nicht Habeck. Da lachen ja die Hühner.



    Diese Ampel und unser Wirtschaftsminister haben unsere Wirtschaft in den Sand gesetzt. Auf dass der Wähler in der Urne daran denkt, und ich glaube er wird daran denken.