Grüner über Finanztransaktionssteuer: „Das ist ein Etikettenschwindel“
Die Finanztransaktionssteuer soll nun für die Grundrente genutzt werden. Attac-Mitgründer Sven Giegold sagt: ein Verrat an der ursprünglichen Idee.
taz: Herr Giegold, Sie kämpfen seit 20 Jahren für die Einführung der Finanztransaktionssteuer. Nachdem es darum lange still war, soll sie jetzt kommen – und die Einnahmen zur Finanzierung der Grundrente verwendet werden. Ist das für Sie ein Grund zur Freude?
Sven Giegold: Leider überhaupt nicht. Ich fühle mich ehrlich gesagt doppelt verschaukelt. Erstens ist es ein Etikettenschwindel, denn das, was jetzt geplant ist, hat mit der ursprünglichen Idee der Transaktionssteuer nichts zu tun, weil alle Derivate ausgenommen sind. Und zweitens sollen die dramatisch geschrumpften Einnahmen, die eigentlich in die internationale Armutsbekämpfung fließen sollten, jetzt für die Finanzierung der Grundrente genutzt werden.
Ist das nicht auch eine Form von Armutsbekämpfung?
Schon, und den Ansatz der Grundrente finde ich auch völlig richtig. Aber der Grundgedanke der Finanztransaktionssteuer war, dass man die Einnahmen aus den Finanzmärkten den ärmsten Ländern zur Verfügung stellt, weil diese besonders unter den Folgen von Finanzspekulationen und plötzlicher Auf- und Abwertung von Währungen leiden.
51, gehörte im Jahr 2000 zu den Mitgründer*innen des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Seit 2008 sitzt er für die Grünen im EU-Parlament.
Dafür hatte sich im Rahmen des Bündnisses „Steuer gegen Armut“ in der Vergangenheit auch die SPD eingesetzt. Doch jetzt will sie diese Grundidee aufgeben, dass die Globalisierung des Finanzsystems auch mit einer Globalisierung von Solidarität einhergehen muss.
Sie sagten, die geplante Steuer habe mit dem ursprünglichen Konzept nichts mehr zu tun. Was hat sich denn geändert – und warum?
Ursprünglich war sie als globale Steuer gedacht, nach der Absage der USA und Chinas dann in Europa, und nach einem Veto aus Großbritannien in der Eurozone. Die EU-Kommission hat einen sehr guten Vorschlag vorgelegt, wie man es hinkriegt, auch abgeleitete Finanzprodukte wie Derivate in einem kleinen Raum zu besteuern, ohne dass der Handel verlagert wird.
Doch dieser Vorschlag wird seit Jahren blockiert, weil einige Staaten die hochspekulativen Instrumente nicht besteuern wollen und andere, darunter Deutschland, sich dafür nicht intensiv genug eingesetzt haben. Stattdessen gibt es jetzt einen deutsch-französischen Kompromiss, der auf einem absoluten Minimum beruht und mit einer Finanztransaktionssteuer eigentlich nichts mehr zu tun hat.
Hat nicht auch das, was jetzt geplant ist, zumindest einen kleinen positiven Einfluss auf die Finanzmärkte?
Nein. Indem Derivate ausgenommen sind, trifft sie faktisch nur Kleinanleger, die Aktien direkt kaufen und salopp gesagt zu blöd sind, die Steuer zu umgehen. Einen großen Sinn kann ich in dieser Sonderbelastung nicht erkennen.
Ist es denn überhaupt realistisch, dass die Steuer, wenn auch in dieser abgespeckten Form, im nächsten Jahr tatsächlich kommt?
Im Moment sieht es nicht danach aus. Denn jetzt sagen die kleinen Staaten, wenn so wenig besteuert wird, lohnt sich die Einführung der Steuer gar nicht. Der Aufwand ist größer als der Nutzen. Deshalb verlangen sie, von den Staaten mit größeren Börsenstandorten kompensiert zu werden. Das zeigt die Ironie der Geschichte.
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