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Grüne kritisieren ÜberwachungssoftwareDobrindt schließt Palantir-Nutzung nicht aus

Bundesregierung hält sich die Nutzung der umstrittenen Überwachungs­software Palantir offen. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisiert das.

Hat für den antidemokratischen Tech-Oligarchen Peter Thiel einen Fuß in der Tür: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Das Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) hält sich die Nutzung des umstrittenen Überwachungsprogramms Palantir des bekennenden Antidemokraten und Tech­oligarchen Peter Thiel weiter offen. Das geht aus einer Antwort auf eine schriftliche Frage des Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz hervor, die der taz vorliegt.

Das KI-gestützte Programm ermöglicht die schnelle Auswertung großer Datenmengen, wobei auch Daten von nicht Verdächtigen berücksichtigt werden. Unter anderem in Bayern wird es bereits verwendet. Nicht zuletzt aufgrund der Nähe zur autoritären US-Regierung und vieler Unklarheiten beim Datenschutz gilt der bundesweite Einsatz der Software als Risiko und wird von Da­ten­schüt­ze­r*in­nen abgelehnt.

Die Grünen haben nun gefragt, ob die Bundesregierung beabsichtige, auf Produkte des Herstellers Palantir zurückzugreifen, wie es unlängst etwa eine Bundesratsinitiative forderte – ebenfalls unter Beteiligung von Bayern. Die Antwort: „Über eine etwaige Neubewertung eines Abrufs der Software des Unternehmens Palantir Technologie GmbH seitens des Bundes aus dem Vertrag des Freistaats Bayern für die automatisierte Datenrecherche und -analyse ist bisher noch nicht entschieden. Das Ziel der digitalen Souveränität wäre bei einer Entscheidung zu berücksichtigen.“

Konstantin von Notz sagte der taz dazu: „Eine Firma wie Palantir, deren Gründer Peter Thiel tiefste Verstrickungen in die Szene der US-amerikanischen Techoligarchen und das Umfeld von Präsident Trump hat, kann kein vertrauenswürdiger Partner sein.“ Das gelte umso mehr, wenn man darüber rede, relevante Teile polizeilicher Datenverarbeitung an einen privaten Anbieter auszulagern – „Deutschland und Europa müssten angesichts einer geopolitischen Zeitenwende selbst Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen“, so von Notz. Hard- und Softwarelösungen seien integraler Bestandteil der Sicherheitsarchitektur, über die man selbst die volle Kontrolle haben müsse.

Thiel einer der einflussreichsten Milliardäre in den USA

„Ich fordere den Bundesinnenminister auf, diese Verantwortung ernst zu nehmen und einen Einsatz von Palantir auf Bundesebene auszuschließen, so wie es auch seine Vorgängerin Nancy Faeser getan hat“, sagte der grüne Innenpolitiker. Die verbesserte Analyse polizeilicher Daten müsse verfassungskonform und durch deutsche oder europäische Partner umgesetzt werden. So habe man es noch letztes Jahr im Bundestag beschlossen, sagte von Notz – „in dem Gesetzespaket, das die Union im Bundesrat aufgehalten hat“.

Von Notz forderte als „Ideallösung“ ein eigenes „KI-Reallabor für Sicherheitsbehörden“. Dort könne man im geschützten Rahmen „eine technologisch souveräne, rechtskonforme und an die Bedürfnisse der Behörden maßgenau angepasste Lösung erarbeiten, anstatt sich ohne Not eine Datenkrake einzukaufen“, so der Politiker.

Palantir-Mitgründer Peter Thiel ist einer der einflussreichsten Milliardäre in den USA. Dort treibt er erfolgreich den autoritären Umbau der liberalen Demokratie voran. Seine Programme laufen dort bereits beim Militär, bei Geheimdiensten und bei Sicherheitsbehörden. Er fiel in der Vergangenheit mit Zitaten wie diesem auf: „Ich glaube nicht länger, dass Demokratie und Freiheit kompatibel sind.“

Die Polizeien in Hessen, Bayern und NRW arbeiten schon länger mit Palantir – trotz erfolgreicher Verfassungsklagen dagegen.

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11 Kommentare

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  • "Die Polizeien in Hessen, Bayern und NRW arbeiten schon länger mit Palantir – trotz erfolgreicher Verfassungsklagen dagegen."



    Ich brauche mehr Informationen. Das hört sich ja so an, als ob Sicherheitsbehörden Richtersprüchen nicht Folge leisten. Ich bekomme Zweifel, ob unser Rechtstaat noch intakt ist.

    Dass der Grüne zufrieden damit wäre, eine europäische KI zu verwenden, die effektiv das gleiche wie Palantir machen soll, halte ich auch keineswegs für vertrauenserweckend.

  • Wenn schon "Teile" der Polizei offen damit arbeiten, dann tun das andere Teile inoffiziell.



    Das bedeutet, dass dieses illegale Vorgehen jetzt rückwirkend entschärft aka legalisiert werden soll.



    Ein beliebter Vorgang und das Ergebnis steht auch schon fest.

  • Naja, was Drohbrindt so von Gesetzen und Gerichten hält ist ja eine Binse...

    • @Bolzkopf:

      Stimmt. Wenn von den Staaten lernen heißt, siegen zu lernen, dann gehört Ignoranz gegenüber der Justiz und ihrer Urteile als verfassungsmäßige Gewalt unbedigt dazu.

  • Bei aller Liebe: Die USA haben alles, aber keine totalitäre Regierung.

  • Das ist Dobrindt. Was habt ihr erwartet? Vielleicht liegt bei der Union ja auch schon länger ein Projekt 2025 in der Schublade, das jetzt Schritt für Schritt nach trumpschen Vorbild umgesetzt wird. Make germany faschistisch again. Oder so.

  • Palantirs KI-Systeme wie Gotham und AIP sammeln und verarbeiten personenbezogene Daten in großem Umfang – oft ohne ausreichende Transparenz oder Kontrolle. Dies verletzt fundamentale Rechte aus Art. 1 Abs. 1 (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). Das Bundesverfassungsgericht hat im Volkszählungsurteil (1983) klargestellt, dass umfassende Datensammlungen nur mit strengen Garantien zulässig sind.



    In den USA führt der Einsatz von Palantir bei ICE zu rechtswidrigen Maßnahmen wie fälschlicher Inhaftierung Unschuldiger. Auch in Deutschland ist der Einsatz problematisch, wie Berichte über Polizei-Software in Hessen und NRW zeigen. Die intransparente „Black Box“ der KI verhindert eine effektive Kontrolle und demokratische Legitimation. Palantir-Systeme erinnern damit funktional an autoritäre Überwachung, etwa in China.



    Es stellt sich die Frage: Wie kann der Rechtsstaat solche Technologien zulassen, ohne die verfassungsmäßigen Freiheitsrechte zu gefährden?



    Willkommen in Deutschland 2.0.

  • Palantir ist ein Unternehmen, das von Peter Thiel mitgegründet wurde (siehe dazu den DLF-Podcast).

    Dass wir uns technischer Mittel und Programme bedienen, die von Menschen mit einer absolut undemokratischen Geisteshaltung erfunden wurden/werden, empört mich immer wieder aufs Neue.

    • @Sabine Hofmann-Stadtländer:

      Bei Kunst kann ich ja noch verstehen, wenn manche Leute Werk und Künstler nicht trennen wollen. Aber ob der Gründer eines Unternehmens ein guter Mensch war oder ist, spielt wohl kaum eine Rolle, wenn man das Produkt braucht und es gut ist.

      Das scheint für die Software von Palantir zu gelten, wenn es international so gefragt ist.

      Ich würde eher fragen, welche Produkte man nach Ihrem Maßstab überhaupt kaufen darf?

      • @Dr. McSchreck:

        Zitat: "... international so gefragt ..."

        Von wem und weshalb? Und wofür wird es so dringend gebraucht? Um eine Frau in den Iran abzuschieben, deren Ehemann sie dort umbringen will? Denn das wäre auch noch von Interesse, um "gut" oder "schlecht" in einen sinnvollen Kontext stellen zu können.

        • @dtx:

          Gefragt ist die Software, um riesige Datenmengen zu strukturieren, wennman zum Beispiel bestimmte Informationen über einen Beschuldigten hat, die sehr häufig sind, davon aber mehrere....dann kann man die Zahl der Verdächtigen massiv reduzieren, wenn man diejenigen filtern kann, bei denen alle dies häufigen Informationen gemeinsam vorliegen.