Gezerre um Verfassungsrichterin: Mit den Stimmen der CDU
Frauke Brosius-Gersdorf war bereits stellvertretende Richterin am Verfassungsgerichtshof in Sachsen. Dort wurde sie auch von der CDU gewählt.

Im Dresdener Landtag erhielt sie laut CDU damals 94 Prozent der Stimmen, es war das beste Ergebnis der sechs Kandidat*innen. Brosius-Gersdorf wurde von den Grünen vorgeschlagen, die CDU hat für sie gestimmt. „Das einzige Bedenken, das die CDU damals hatte, war, dass Frauke Brosius-Gersdorf nicht aus Ostdeutschland stammt“, erinnert sich die grüne Landtagsabgeordnete Katja Meier, die zuletzt sächsische Justizministerin war. „Und natürlich war der CDU bekannt, dass sie etwas progressiver ist als andere Kandidaten.“
Stellvertreter*innen kommen am Verfassungsgerichtshof zum Zug, wenn Richter*innen ausfallen. Neun Jahre lang, von 2015 bis 2024, war Brosius-Gersdorf stellvertretendes Mitglied des höchsten sächsischen Gerichts. Es habe keinerlei Kritik an ihr gegeben, erinnert sich Meier. „Ich habe nie etwas Negatives gehört.“
Sie habe große Sorge, dass durch die aktuelle Entwicklung das Bundesverfassungsgericht und auch seine künftigen Urteile diskreditiert werden, so Meier. „Es ist absolut unwürdig, wie da gerade eine hochangesehene Staatsrechtlerin diskreditiert wird.“
Die Dynamik habe ihn überfordert, sagt Carsten Körber, CDU-Abgeordneter aus Sachsen
Für die sächsischen Bundestagsabgeordneten scheint die positive Erfahrung mit Brosius-Gersdorf am Verfassungsgerichtshof in Dresden in der aktuellen Diskussion keine Rolle zu spielen. „Ich kannte sie auch als Sachse gar nicht“, sagte Carsten Körber, Bundestagsabgeordneter der CDU aus Zwickau, der taz. Körber, gläubiger evangelischer Christ, der auch Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe ist, räumt ein, froh gewesen zu sein, dass die Wahl der drei neuen Bundesverfassungsrichter am letzten Sitzungstag des Parlaments von der Tagesordnung genommen worden sei.
„Ich hätte nicht gewusst, wie ich abstimmen soll.“ Die Dynamik, die die Debatte innerhalb weniger Tage genommen habe, habe ihn überfordert. „Ich habe über 300 Mails bekommen, diese Frau nicht zu wählen. Gleichlautende Schreiben, aber auch individuelle Gedanken. So etwas habe ich noch nicht erlebt.“
Seine Lehre für die Zukunft: „Wir sollten die Richterwahlen wieder aus dem Plenum nehmen und zurück in den Richterwahlausschuss geben, der wie früher final entscheidet.“ Bis 2015 hat ausschließlich der 12-köpfige Richterwahlausschuss des Bundestags die Verfassungsrichter*innen gewählt. Seitdem ist das nur noch ein Vorverfahren, die letztliche Entscheidung findet im Bundestagsplenum statt. Körber: „Die Reform war gut gemeint, hat Polarisierung und Politisierung der Richterwahl aber Tür und Tor geöffnet.“
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