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Gescheiterte TarifverhandlungenEs reicht einfach noch nicht

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst haben die Ver­hand­le­r:in­nen sich bemüht. Aber angesichts der Inflation ist das Arbeitgeberangebot nicht hinnehmbar.

Protestaktion der Fachgewerkschaft LBB in Potsdam Foto: Carsten Koall/dpa

I n der Nacht zum Donnerstag ist ein unbefristeter Streik im öffentlichen Dienst näher gerückt. Ein kleiner Vorgeschmack davon, was das bedeuten würde, haben die punktuellen Warnstreiks von der Kita bis zur Müllabfuhr in den vergangenen Wochen und der eintägige bundesweite Mobilitätsausstand Anfang der Woche geliefert. Nein, für die Bürgerinnen und Bürger sind das keine schönen Aussichten. Doch noch ist es nicht soweit. Aber die Aufgabe der beiden Schlichter, bis Mitte April eine Verständigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern zu erreichen und damit einen schmerzhaften Arbeitskampf noch zu verhindern, wird keine einfache sein. Denn die Differenz zwischen dem Anspruch der Beschäftigten und dem Angebot der Arbeitgeber scheint nach wie vor verdammt groß.

Immerhin eines kann den Ver­hand­le­r:in­nen, die seit Montag in Potsdam zusammen am Tisch saßen, nicht vorgeworfen werden: dass sie nicht ernsthaft miteinander gerungen hätten. Dass sich Verdi und der Deutsche Beamtenbund trotzdem gezwungen gesehen haben, das Scheitern der Gespräche zu verkünden, ist gleichwohl verständlich. Denn auch wenn der Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ihr Angebot nachgebessert haben, ist es immer noch allzu weit von den gewerkschaftlichen Forderungen entfernt. Vor allem jedoch würde es nicht dafür sorgen, die Reallohnverluste, die die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes seit 2021 erlitten haben, auch nur ansatzweise auszugleichen.

Dabei klingt das Arbeitgeberangebot auf den ersten Blick gar nicht schlecht: eine Lohnerhöhung um 8 Prozent bei einem Mindestbetrag von 300 Euro sowie steuerfreie Einmalzahlungen von insgesamt 3.000 Euro. Das ist jedoch eine Mogelpackung. Denn der Vorschlag des Bundes und der VKA bezieht sich nicht alleine auf dieses Jahr und enthält überdies diverse Zeitversetzungen und Rechentricks. Umgerechnet liegt der anvisierte Mindestbetrag für 2023 real nicht bei 300, sondern nur bei knapp 212 Euro – die Inflationsausgleichsprämie sogar schon mit einberechnet. Das ist nicht einmal die Hälfte der 500 Euro, die die Gewerkschaften fordern. Angesichts der dramatisch gestiegenen Lebenshaltungskosten ist es nachvollziehbar, dass sie sich damit nicht abfinden wollen.

Jetzt steht Innenministerin Nancy Faeser als Verhandlungsführerin des Bundes in einer besonderen Verantwortung. Denn ein verbessertes Tarifangebot in der Schlichtung könnte, ja sollte verbunden werden mit Maßnahmen der Bundesregierung, die hohen Lebenshaltungskosten zu senken. Zum Beispiel durch eine Streichung der Mehrwehrtsteuer auf Grundnahrungsmittel, wie das gerade Portugal vormacht. Das würde es den Gewerkschaften leichter machen, einem Kompromiss zuzustimmen. Und es käme allen Menschen mit kleineren Einkommen zugute, nicht nur denen im öffentlichen Dienst.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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27 Kommentare

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  • Bei der Schlichtung wird ein gewisser Mittelwert rauskommen mit 15-18 Monaten Laufzeit. Und wir können uns für das nächste Jahr auf steigende Grundsteuern einstellen. Alle Kommunen müssen es ja irgendwie finanzieren.

  • "Umgerechnet liegt der anvisierte Mindestbetrag für 2023 real nicht bei 300, sondern nur bei knapp 212 Euro – die Inflationsausgleichsprämie sogar schon mit einberechnet."

    Die Rechnung hätte ich gerne gesehen. So fällt es mir schwer diese zu glauben, wenn da bereits EUR 3.000 Prämie drin sind.

    Leider werden auch nicht die Inflationskosten vom Autor dargestellt, sondern nur behauptet: Dies würde den Lohnverlust nicht ausgleichen. So richtig weiter bringt mich der Artikel daher nicht.

    • @Strolch:

      taz.de/Archiv-Such...&SuchRahmen=Print/

      In diesem Artikel ist das Angebot der Arbeitgeber ausführlicher beschrieben. 3000 Euro nicht für ein Jahr sonder für 24 oder vllt. sogar 27 Monate und die Lohnerhöhung von mindestens 180 Euro ab Oktober diesen und dann nochmal 120 ab Juni nächsten Jahres sorgen dafür, dass man nicht einfach alles aufaddieren kann.

      • @esgibtnureinengott:

        Danke für den Service...

        • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
          @Strolch:

          Das ist ein klassisches Problem: In der gedruckten Zeitung erschließt sich sofort, dass zu dem Kommentar noch ein Artikel gehört. Online ist das leider nicht immer so ganz ersichtlich. In diesem Fall ist das natürlich etwas misslich, weil sich ohne den dazugehörigen Artikel wahrscheinlich nicht nur für Sie meine Rechnung nicht erschließt. Aber auch der steht online, und zwar hier: taz.de/Streit-um-L...en-Dienst/!5925165 Dort finden Sie das tatsächliche "Angebot" der Arbeitgeberseite, auf das ich mich in meinem Kommentar beziehe.

  • Schwieriges Thema, natürlich will niemand mit denFolgen der Inflation alleine bleiben, also mit anderen Worten, jeder möchte Gehaltserhöhungen die die Inflation (mehr als) ausgleichen. In der freien Wirtschaft wird dieses regelmäßig nicht erreicht. Ich wüsste nicht das irgend jemand das in jüngerer Vergangenheit durch einen Streik geändert hat. Die Unternehmen - so sie überhaupt tarifgebunden sind - verweisen darauf das sie nicht in Anlehnung an die Inflation entlohnen sondern in Anlehnung an die Wertschöpfung. Was macht der Arbeitnehmer wenn ihn dieses unzufrieden stimmt? Er geht dahin wo er besser verdient. Nun sollte man erwarten das die nächste Reaktion ist: Aber die OD Angestellten können ja nicht woanders hin. Können sie, meistens jedenfalls, doch. Wenn der AG keine Kohle hat oder haben will, dann muss man sich eben entscheiden. Wenn man trotzdem da bleibt dann ist es ja vielleicht doch nicht sooo schlecht.

    p.s.: Eine kleine Gemeinheit kann ich mir nicht verkneifen: Wie weit sind denn die Gehaltserhöhungen der TAZ von denen im ÖD entfernt? Liegt ihr etwa drüber?

  • 6G
    675430 (Profil gelöscht)

    Wieder mal steht die SPD - hier vertreten durch zwei Damen - für keinerlei Anerkennung für die arbeitende - Arbeiterpartei? - Bevölkerung.

  • www.tagesschau.de/...hlichtung-101.html

    www.tagesschau.de/...htung-faq-101.html

    Am Rand auch an PHILLPPO1000:

    Die Kommunen geben lt. TS an, dass die geforderten Erhöhungen 15.400.000.000 € kosten sollten. Bei einer Laufzeit von einem Jahr und 2.400.000 Kollegen entspricht dies einer durchschnittlichen Erhöhung von ca. 6.420 € im Jahr.

    Bei 10,5 % Steigerung (ohne den 500er-Festbetrag) entspräche dies einem bisherigen Durchschnittsgehalt von 61.140 € / Jahr bzw. 5.100 € / Monat (12 Löhne).

    Frage: Wer verdient denn bitte diese Löhne? Gibt es eine Quelle zur Lohnverteilung über die Berufsgruppen? Oder ist die Zahl der TS falsch?

    Wie wäre es mit dem Vorschlag:



    In den untersten Lohngruppen gibt es 1500 € im Monat mehr und in der obersten 0*. Natürlich mit einer fairen Verteilungskurve. [Hier kann natürlich immer noch etwas nachgefeilscht werden ;) ]

    Sollten ALLE Mitarbeiter (2,4 Mio) 1.500 € erhalten wären dies auch nur schlappe 3,6 Mrd. €, also ein Schnäppchen für die Kommunen.

    Worüber reden wir bitte? Wichtigster Punkt der Gewerkschaften sind die 500 €. An diesem Betrag soll alles scheitern? Ich finde einen Streik angemessen. Gerade mit dieser Zahlenangabe (sofern sie denn korrekt ist?!).

    • @-Zottel-:

      Ok, nun bin ich selbst die Rechennase. Das ist natürlich Quark. ;)

      (Auf 12 Monate hochrechnen wäre hierbei hilfreich. 500 €/Monat -> 14,4 Mrd. € / Jahr)

      Diese vielen 0er... (oh ist das peinlich...)

  • Die Arbeitgeber müssen sich bewegen. Sie haben es im der Hand.

  • Werden denn auch nichtmonetäre Aspekte mitgedacht? Klar, auch im Öffentlichen Dienst gibt es Befristungen und vielleicht auch ungünstige Arbeitsverhältnisse, aber vermutlich allgemein gesehen gegenüber der Wirtschaft auch eine erhöhte Arbeitsplatzsicherheit, die einen Abschlag wert sein dürfte.

    • @Ciro:

      Warum soll es für diese ominöse Arbeitsplatzsicherheit überhaupt einen Abschlag geben?

    • @Ciro:

      Den Abschlag nimmt der ÖD in praktisch jeder Tarifrunde mit. Bis irgendwann niemand mehr Lust hat im ÖD zu arbeiten, weil man in der sog. freien Wirtschaft schlicht mehr Geld verdient.

    • @Ciro:

      Man verdient im öffentlichen Dienst auch sehr bescheiden. Weniger als die Hälfte als bei einem vergleichbaren Job im Großkonzern.

      • @Wombat:

        Nennen Sie drei Beispiele. Das ist nämlich einfach eine Lüge, seit vielen Jahren schon. Einzige Gruppe, auf die es zutrifft: Juristen mit Prädikatsexamen. Und da auch nur, wenn man die perverse Arbeitszeiten in einer großen Wirtschaftskanzlei "vergisst".

        • @Wurstprofessor:

          Jeder Angestellte bei BMW, Siemens usw. verdient viel viel viel viel viel mehr als ein Beamter. Das ist ein Job mit extrem schlechten Gehalt, der sich erst im höheren Dienst und mit Kindern rechnet. Oder eben in Pension.

    • @Ciro:

      Immer die gleiche Leier.



      Ist dieser Abschlag vielleicht schon jetzt drin?



      Sollte man doch meinen, nachdem das Lied seit Jahrzehnten gesungen wird und der Abstand der Löhne ganz beträchtlich ist...

  • Cum Ex hat Schäden in Höhe von 20-30 Milliarden Euro in Deutschland angerichtet.



    Schätzungsweise 100 Milliarden pro Jahr extra durch "normale" Steuerhinterziehung.



    Von daher ist "kein Geld" sehr relativ....





    www.boeckler.de/de...teuerhinterziehung.

  • "...nicht nur denen im öffentlichen Dienst."

    An die "Bürger" zu denken, fällt dem Silberbach sichtbar schwer...

    Das mit der USt. Auf Grundnahrungsmittel ist eine wirklich gute Idee, gerade weil es steuerlich progressiv wirkt, aber aus Perspektive einer Gewerkschaft deshalb schwierig, weil die Maßnahme jederzeit umkehrbar ist - Tariferhöhungen hingegen de facto nicht.

  • "käme allen Menschen mit kleineren Einkommen zugute, nicht nur im öffentlichen Dienst".



    Im öffentlichen Dienst arbeiten nicht nur Erzieherinnen sondern auch Bürgermeister.



    Die Gehälter und deren Steigerung werden für Alle ausgehandelt.



    Solidarität ist grundsätzlich prima, allerdings steht der Rest der Bevölkerung auch ein bisschen auf der Seite der ArbeitgeberInnen.



    Die öffentliche Dienst erwirtschaftet nicht, er wird von Steuergeldern bezahlt.



    Und das nicht nur an hohen Stellen, sondern auch in kleinen Gemeinden. Da kann eine Lohnerhöhung die Möglichkeiten der Gemeinde, im Interesse der Bürger zu handeln, deutlich einschränken.



    Der öffentliche Dienst ist in vieler Hinsicht besser gestellt als der Rest der Arbeitnehmerschaft . Ich empfinde das Angebot als gut und reche nicht damit, selbst eine entsprechende Lohnerhöhung zu erhalten.



    Dass das Angebot auch noch für die Beamten gelten soll, lehne ich ab, wie ich grundsätzlich den Beamtenstatus ablehne. Die von der Bevölkerung finanzierten Pensionen empfinde ich, nach wie vor, als völlig überhöht und unangemessen.



    Wer Gerechtigkeit in der Gesellschaft möchte, sollte auch an dieser Stelle für Gerechtigkeit eintreten.



    Die öffentliche Hand kann Geld auch nicht zweimal ausgeben.



    Corona und sonstige Krisen sind vom Staat auf vielfältige Weise abgefedert worden.



    Die Staatsverschuldung ist dementsprechend so hoch wie nie. Wer der Meinung ist, wir können den nächsten Generationen keine verbrannte Erde hinterlassen, sollte vielleicht auch die Schulden im Blick behalten, die wir



    " vererben".

    • @Philippo1000:

      Wieso hat Deutschland immer noch Beamte mit ihren Privilegien? Andere Länder haben auch Staatsangestellte, die aber mit anderen Arbeitnehmer:innen gerade bei Renten- und Krankenversicherung gleichgestellt sind. Würden zusätzlich die unerhört hohen Pensionen von Politiker:innen abschaffen, hätten auch Politiker:innen ein Interesse daran, das Rentensystem zu verbessern, sodass Rente nicht so oft Armut bedeutet.

    • @Philippo1000:

      "...wie ich grundsätzlich den Beamtenstatus ablehne"

      Ich lehne die Schwerkraft auch ab.

      "öffentliche Dienst erwirtschaftet nicht"

      So so. Was glauben Sie, was mit dem BIP passieren würde, gäbe es den ÖD nicht?

      "Im öffentlichen Dienst arbeiten nicht nur Erzieherinnen sondern auch Bürgermeister."

      Googlen Sie mal das kleine Wörtchen "Abstandsgebot".

      • @RagnarDannesjkoeld:

        Abstandsgebot betrifft das Beamtenrecht.



        Keine Ahnung, wo sie wohnen, aber in NRW sind BürgermeisterInnen zuerst mal Angestellte im öffentlichen Dienst, Lohnerhöhungen gelten also auch für sie .



        Eine spätere Verbeamtung bringt natürlich, neben einer entsprechenden Pension, auch die Einschränkung mit sich, dass Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst nicht automatisch für die Beamtinnen gelten.

    • @Philippo1000:

      Blind ist es, den Nachteil schlechten öff. Dienstes zu sehen.



      Es fehlen überall Leute, und nur Reiche können sich schlechte öff. Leistungen leisten. Die anderen sind darauf angewiesen!



      Zudem steigen die Staazseinnahmen proportional zur Inflation. Da spricht wenig gegen faire Löhne...

      • @mensch meier:

        Der Staat mag Einnahmen über die Lohn- und Einkommenssteuer erhalten, es dürfte aber klar sein, dass selbst gezahlte Löhne und Gehälter für den Arbeitgeber mehr Kosten als Einnahmen bedeuten.



        Wenn Sie sich mal die Mühe machen würden, in einer Gemeinde einen Haushalt mit auszuarbeiten, würden sie die Problematik der " Arbeitgeber" erkennen.



        Wenn die Personalkosten steigen, ist nicht mehr Geld für mehr Beschäftigte vorhanden.



        Im Übrigen erhalten Gemenden zwar Gelder aus den Steuereinnahmen, Einkommens,- und Lohnsteuern sind allerdings zuerst mal Steuern an den Bund.

    • @Philippo1000:

      Und wem gehören diese Schulden? Kreditverträge sind zweiseitige Rechtsgeschäfte. Es muss also einen geben, der sich verschuldet (der Staat) und einen, der es ihm gibt. Zum Beispiel die Sparer einer Lebensversicherung.

  • Weiter entscheident ist das Angebot von 8 % Gehaltserhöhung bei einer Laufzeit von



    27 Monaten.



    Das das neben der dargestellten geringen Einmalzahlung. Es sind trixereien, gut dass die Arbeitnehmer Vertretung, die Gewerkschaften nein gesagt haben. Der Kaufkraftverlust schon seit Jahren kann und darf so nicht weiter gehen... Wenn Man/Frau sieht wofür Geld im Haushalt so für andere Dinge weggegeben wird.....