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GenerationenDer Mythos vom Konflikt

Boomer konservativ, Millennials Weicheier, Gen Z faul – ständig wird Streit zwischen den Generationen heraufbeschworen. Doch das ist zu einfach und überdeckt die tatsächlichen Konflikte.

„Omas gegen Rechts“ Foto: Maximilian Mann/laif

Gerne werden Genera­tio­nen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben: „Boomer sind konservativ“. „Die Gen Z ist faul.“ „Millennials sind nicht belastbar.“ Kaum ein gesellschaftlicher Diskurs kommt heute ohne solche Zuschreibungen aus. Glaubt man diesen Narrativen, gibt es große Generationenkonflikte. Doch laut der Forschung sind Generationen nichts mehr als ein Mythos.

Die Unterteilung in verschiedene ­Generationen ergibt nämlich keinen Sinn. Und über verschiedene politische Einstellungen sagt sie auch nichts aus. Die Grenzen sind willkürlich gezogen, und die Zuschreibungen basieren auf Stereotypen.

„So viel wert wie ein Horoskop“

Mit Generationen setzte sich kürzlich auch die Doku „X, Y, Z – Die Generationenlüge“ auseinander. Der Soziologe Martin Schröder bringt es darin auf den Punkt: „Die Generationenforschung und auch die ganzen Ratgeber zu Generationen sind so viel wert wie ein Horoskop.“

Die Datenlage gibt ihm recht. Die Haltung zum Thema Klimaschutz hängt von anderen Faktoren als vom Alter ab, und junge Menschen arbeiten so viel wie seit den 1990ern nicht mehr. Generationenstudien sind vor allem fehlerhaft, weil Menschen immer nur zu einem bestimmten Zeitpunkt befragt werden, statt dass man sie jahrzehntelang begleitete.

Der Mythos erfüllt eine politische Funktion: Er lenkt von realen Interessenkonflikten ab und ersetzt Systemkritik durch Altersklischees

Auch der Arbeitspsychologe ­Hannes Zacher betont: Es gibt keine belastbare Evidenz dafür, dass Geburtsjahrgänge homo­gene Wertegruppen bildeten. „Generationen sind ein Mythos“, sagt er. Viel sinnvoller sei es, über Alter, Erfahrung oder konkrete Lebensumstände zu sprechen. Trennend ist oft nicht das Alter, sondern sozioökonomische Unterschiede sind es. Lebensrealitäten sind eher durch Klasse, Bildung, Einkommen und Wohnort geprägt als durch das Geburtsjahr. „Es gibt viel mehr Unterschiede zwischen Individuen als zwischen Generationen“, meint er.

Lenkt von realen Interessenskonflikten ab

Die Erzählung von den Generationen ist dennoch profitabel. Coachings, Ratgeber und selbst Boomermemes stützen sich darauf. Pseudowissenschaftlich wird dann erklärt, was bestimmte Altersgruppen interessiere oder antreibe und welche Ansprüche sie an die Arbeitswelt stellten.

Der Mythos vom Generationenkonflikt erfüllt zudem eine politische Funktion: Er lenkt von realen Interessenkonflikten ab und ersetzt Systemkritik durch Altersklischees. Wenn junge Menschen faire Arbeitsbedingungen fordern, werden sie häufig als anspruchsvoll abgestempelt.

Und wenn über steigende Mieten diskutiert wird, werden ältere Menschen oft als „die wohlhabende Boomergeneration“ bezeichnet. Dabei wird ausgeblendet, dass viele Ältere – ­besonders Frauen – mit sehr niedrigen Renten leben und von Armut betroffen sind. ­Solidarischer Klassenkampf statt Generationenzuschreibungen, sollte es also ­heißen.

Solidarisches Handeln ist generationenübergreifend

Beispiele wie die Initiative Omas for Future zeigen, dass solidarisches Handeln generationenübergreifend funk­tio­niert. Hier engagieren sich ältere Menschen gemeinsam mit Jugendlichen für Klimaschutz. Und ganz nebenbei dekonstruieren sie das Bild der klimaschädlichen Boomergeneration.

Wir alle verändern uns. Nicht nur, weil wir älter werden, sondern weil sich unsere Gesellschaft als Ganzes wandelt und somit auch gesellschaftliche Haltungen. Die Fokussierung auf Generationen verdeckt oft diesen kollektiven Lernprozess, wenn junge Menschen pauschal als „unfähig“ oder „nicht belastbar“ abgewertet werden, oder umgekehrt, wenn ältere Menschen als „rückständig“ oder „nicht mehr lernfähig“ abgestempelt werden. Beides ist eine Form von Altersdiskriminierung, die gesellschaftlich tief verankert ist und durch den Mythos der Generationenkonflikte nur noch verstärkt wird.

Wenn über unterschiedliche Generationen gesprochen wird, steht meistens das Trennende im Fokus und nicht das, was Menschen verbindet. Und noch mehr Spaltung braucht unsere Gesellschaft nun wirklich nicht.

Am Ende bleibt die Frage: Warum halten wir so gerne am Mythos Generationen fest? Vielleicht, weil es bequem ist, Leuten eine Haltung oder einen Lebensstil zuzuschreiben, statt sich wirklich mit deren Meinung auseinanderzusetzen.

Wenn man wirklich verstehen will, was Menschen bewegt, braucht es mehr Interesse aneinander und an Begegnungen, die über Generationengrenzen hinausgehen. Dann merken wir vielleicht auch schnell, dass uns mehr verbindet, als wir denken. Weil es Wichtigeres gibt als das Alter.

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16 Kommentare

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  • Ging ja schon mit der Nachkriegsgeneration los, dann die 68er uswusf. Es war schon immer Unfug, war aber immer so schön griffig und schien ja durch die Realität abgebildet zu sein, sei es in den Medien oder im Bekanntenkreis.



    Der strebige Nerd, der faule Sack, die überempfindlich-politisierte Zicke, jeder wurde plötzlich zum Repräsentant seiner Generation. Dass heute die Jungen nicht bereitwillig Überstunden schieben und auch an das Leben nach dem Job denken liegt an einer günstigeren Arbeitsmarktlage, jedoch nicht an einer plötzlichen Faulheits- und Bequemlichkeitsepidemie. Auch Phänomene wie Fridays for Future umfassen immer nur eine Gruppe einer Generation, viele Junge in dem Alter wählen auch AfD. Besonders die Menschen im fortgeschrittenen Alter haben die Tendenz zur pauschalen Abwertung der Jungen, vermutlich die Kränkung, nach und nach in der Wichtigkeit nach hinten durchgereicht zu werden?



    Besser die realen Probleme und Interessen in den Blick nehmen, da haben Junge oft andere als Ältere, das liegt aber an den Verhältnissen und weniger an den "Generationen".

  • Auf diesen Artikel habe ich sowas von gewartet! Hurra!



    Teile und herrsche hält die Oberen 10.000 an der Macht.

  • Es werden auch falsch zu verstehende Statements gesetzt.



    Aus dem Artikel: ..."junge Menschen arbeiten so viel wie seit den 1990ern nicht mehr. " Arbeitsleistung nur an der Zahl der Arbeitsstunden zu messen ist sinnlos. Die Qualität der geleisteten Arbeit ist aussagekräftiger, aber schwer zu messen. Ein Anhaltspunkt ist die persönliche Einstellung, mit der die Arbeit gemacht wird. Job einfach erledigt, oder optimal erledigt? Beispiel aus dem eigenen erleben: 2 Kollegen und ich waren in der Firma bis vor wenigen Jahren (Umstrukturierung) für den IT-Support zuständig. Neulich gabs ein Problem mit allen Druckern in der Produktion (Freitag morgens). Die jungen Kollegen kümmerten sich zwar drum, aber die Lösung dauerte. Um 13:30 kam die Meldung, das eine Lösung erst Montag zu erwarten ist, da jetzt Feierabend ist. Ich war fassungslos!



    In den Jahren, als wir (....die Alten) Verantwortung im Support hatten, war Feierabend, wenn das Problem gelöst war -egal wie spät es wurde, und nicht wenn der Arbeitsvertrag sagte -du hast Feierabend!



    Wir gewährleisteten, das zumindest Montag morgens um 6 Uhr, wenn die Produktion wieder startet, alles reibungslos läuft. Das nenne ich optimale Arbeit.

    • @Krumbeere:

      Auch hier wird wieder eine Anekdote zur Analyse verdreht. Mir als Früh 60er Baujahr fallen genug Geschichten von Mitboomern ein, denen "Dienst nach Vorschrift" als oberste Arbeitsethik dient, den Begriff gibt es übrigens nicht von ungefähr bereits ewig. Genau wie die Bezeichnung "Kollegenschwein" für Menschen, denen unbezahlte Selbstausbeutung schon vor 40 Jahren irgendwie nicht eingeleuchtet hat.

    • @Krumbeere:

      Da gabs noch keinen Brunout sondern Weicheier.



      Da war das Verhältnis Lohn/Lebenshaltungskosten noch besser.



      Da war Technik noch nicht auf den jetzigen Stand wo viel gar nicht mehr manuell gemacht werden kann.



      Das nenne ich verklärte Sicht der Dinge.

  • Ein sehr kluger Debattenbeitrag. Danke sehr.

  • Die Generation X vergisst die Gen-Z-Autorin natürlich mal wieder.

  • Die Autorin hat natürlich völlig recht. Wobei es nicht wirklich neu ist. EInteilungen machen halt das Leben einfacher. So gibt es auch in der TAZ eine Boomer Kolumne, wenn die auch augenzwinkernd zu verstehen ist.



    Immer schon sehen die Jungen alle älter als 30 als Alte an und alle Alten, alle unter 30 als Jungen. Die Bezeichungen der "Generationen" entstammen aber den Federn von Soziologen oder wem auch immer. Der Rest musste mühsam lernen, wen man nun als Gen Z bezeichnet.



    Im Einzelgespräch sind alle individuellen Einstellungen kein Problem, aber wenn man etwas verallgemeinern möchte, dann ist es halt mühsam, eine Gruppe nach diversen Einzelkriterien zu bezeichnen - zB Omas gegen Rechts, die auch für Klimaschutz sind und bei Aldi die Einkaufsschlange mit Cent-Münzen aufhalten.

  • Kinderkacke. Welche junge Generation hat nicht die ältere Kritisiert? Das gehört dazu. Zuhören, cool bleiben und sich erinnern wie man selbst in dem Alter war. Ich habe null Probleme mit anderen Generationen.

    • @Andreas J:

      Richtige Antwort auf den Artikel. Ich als Boomer arbeite sehr gerne mit den unterschiedlichen Generationen zusammen.

  • Diese Genetationenkonstrukte sind der größte Unfug seit jeher, kann auch jeder selbst merken, wenn er an seine damaligen Mitschüler denkt. Da war nichts gleich, selbst im angeblich uniformen Osten nicht.



    Auf solche Ideen kommen nur Personen die Scheuklappen haben und andere Mitmenschen nicht wahrnehmen oder eben Medien (da meine ich jetzt nicht die taz oder diesen Artikel), die damit wunderbar tollen sinnfreien Content produzieren können.



    Das ist Boulevardniveau, dass es auch in nicht-boulevard-Medien geschafft hat.

    • @nutzer:

      Bestimmte Verhätnisse und Umstände sind sicherlich generationenprägend - vor allem Internet und soziale Medien. Die sogenannte Generation X ist die letzte Generation, deren Kindheit und Jugend nicht oder nur sehr wenig von diesen enormen kulturellen Umwälzungen geprägt war; gleichzeitig waren diese Menschen dann jung genug, um Internet und soziale Medien noch voll in ihr Leben zu integrieren. Aber es ist nicht so, dass sie, wie heutige Jugendliche, ihre Informationen hauptsächlich aus "Quellen" wie TikTok oder Insta beziehen.

      Andererseits unterscheidet sich natürlich bereits innerhalb Deutschlands z.B. der Jahrgang 1977 - weil ein Teil die Kindheit in der DDR verbrachte. Da war nix mit Generation Golf, Kindheitserinnerungen an Spanienurlaube oder Bundeskanzler Kohl.

    • @nutzer:

      p.s. genauso wie jede Gruppeneigenschaft Unfug ist, es sei denn, die Gruppe ist selbst aktiv gewählt worden (da kann es zutreffen), Gruppenzugehörigkeiten qua Geburt und damit angebliche Eigenschaften sind allesamt unseriös.

  • Man kan schonmal damit Anfangen unterschiedliche Generationen nicht mehr in Schubladen zu packen (Boomer, Millenial, GenXYZ), das verstärkt nur das Gefühl unterschiedlich zu sein und eines vermeitlichen "Generationenstreits". Falls es diesen überhaupt gibt, habe ich in meiner Welt bisher nichts von gemerkt.....einfach unnötig und nervig diese Bezeichnungen, mit denen ich mich null identifizieren kann und möchte

  • Sicher stimmen nicht alle Klischees über die Generationenstudien und vieles was bei Hurrelmanns und co in den "Sozialisationsstudien" heranzogen wird kann man durchaus in Zweifel ziehen. Nichts desto trotz gibt es Konflikte dadurch, dass die ältere Generation bzw. älteren Generationen leider immer noch größtenteils CDU und SPD wählen (und die jungen Generationen dabei nur einen kleinen Bevölkerungsteil in der Politik ausmachen) und vom Lebensstil klimatechnisch bis hin zum Auto große Probleme verursacht hat. Das muss die junge Generation nun ausbaden. Viele Sozialwissenschaftler*innen fragten sich warum die jungen Generationen rechts wählen. Nun, weil Grüne und FDP 2021 sehr viele Versprechungen an die jungen Generationen gemacht haben und diese nicht eingehalten wurden. Sozial werden diese ebenfalls benachteiligt. Rechts zu wählen ist natürlich nicht schön, aber für viele mit Frust aus der jungen Generation ein Frustventil. Da muss man Ansetzen, mehr für die jungen tun und ihre Gleichberechtigung und politisches Gewicht fördern, Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbessern. Das wäre die Antwort.

    • @Hamburger in Istanbul:

      Auch wir (Boomer) mussten viele Dinge der vorherigen Generationen ausbaden und viele Versprechen der Politik an die junge Generation wurden auch nicht eingehalten. Aus Frust aber eine Partei zu wählen, die an den Grundfesten der Demokratie rüttelt wäre uns nicht eingefallen.