piwik no script img

Geldanlage zum JahreswechselWohin mit der Knete?

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Viele Sparer befürchten Negativzinsen, sie wollen noch schnell in Aktien oder Bitcoins investieren. Das ist keine Lösung für alle.

Das Geld soll „arbeiten“, nicht dümpeln Foto: Josh Appel / Unsplash

D ie Zeit der guten Vorsätze fürs neue Jahr ist gekommen. Und nicht wenige Deutsche dürften sich fragen, was sie im nächsten Jahr bloß mit ihrem Geld anstellen sollen. Viele Sparer sind geradezu verzweifelt, weil 2020 ein Novum bringen dürfte: Die Banken werden auf breiter Front Negativzinsen einführen, um alle Kunden zu bestrafen, die ihre Guthaben einfach nur auf dem Girokonto parken. Das Geld soll „arbeiten“, nicht dümpeln.

An Vorschlägen fehlt es nicht, wie man sein Geld anlegen könnte. Die Ratgeberliteratur empfiehlt unter anderem: Aktien, Immobilien, Ackerland, Wald, Diamanten, Gold, Whisky – oder Bitcoins. Wahnsinn und Vernunft sind kaum voneinander zu trennen.

Wahnsinn ist der Glaube an die Bitcoins. Da kann die taz kompetent mitreden: Denn wir haben 15 dieser virtuellen Münzen, die uns vor langer Zeit von Lesern überlassen wurden, als der Kurs noch niedrig lag. Jetzt ist jeder Bitcoin angeblich 6.454 Euro wert, wenn man den Börsenkurven trauen darf. Trotzdem ist es der taz bisher nicht gelungen, ihre Bitcoins zu verkaufen. Denn Banken nehmen das Kryptogeld nicht. Also hier die dringende Bitte an alle Bitcoin-Fans: Melden Sie sich bei der taz! Wir geben unsere 15 Münzen gern gegen 96.800 echte Euro ab.

Doch Wahnsinn beiseite: Was ist von Aktien zu halten? Die Börsen-Analysten sind optimistisch, dass die Kurse im nächsten Jahr steigen werden. Dem deutschen Aktienindex DAX wird zugetraut, von derzeit 13.357 auf 15.000 Punkte zu steigen. Da muss sich jeder blöd vorkommen, der noch kein Depot hat. Zumal Finanzberater gern den Eindruck vermitteln, alle Deutschen könnten längst reich und fürs Alter bestens abgesichert sein, wenn sie nur rechtzeitig in Aktien investiert hätten.

Frugalismus ist Trend

Der Börsenvirus infiziert daher immer neue Bevölkerungsgruppen. Früher befasste sich vor allem der Mittelstand im mittleren Alter mit den verheißenen Segnungen eines Aktiendepots, doch neuerdings hat das Börsenfieber auch gering verdienende Hipster befallen. „Frugalisten“ nennen sie sich selbst, denn sie schränken den Konsum radikal ein. Das gesparte Geld investieren sie dann in Aktien – um spätestens mit 40 Jahren in Rente gehen zu können.

Allein 2019 dürften mindestens zehn Bücher erschienen sein, die das Thema „finanzieller Frugalismus“ variieren. Für nächstes Jahr sind weitere Werke angekündigt. Hinter diesem Börsenhype – mit oder ohne Frugalismus – steckt jedoch ein Denkfehler: Betriebswirtschaft wird mit Volkswirtschaft verwechselt. Einzelne Aktienbesitzer können zwar durch Kurssteigerungen gewinnen, trotzdem können nicht alle Deutschen ganz viele Aktien besitzen. Es gibt schlicht nicht genug Wertpapiere.

Man stelle sich einmal vor, alle Bundesbürger würden sich auf Aktien stürzen: Die Börsenkurse würden zwar rasant steigen, aber dieser Reichtum wäre rein fiktiv und hätte mit der Realität nichts zu tun. Daimler oder BMW verkaufen ja nicht deswegen mehr Autos, weil ihr Aktienkurs steigt.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Es würde nur ein sinnloser Kreisverkehr des Geldes einsetzen: Wenn jemand eine Aktie kaufen will, muss ein anderer sie verkaufen. Der Neubesitzer wäre sein Geld los – genau diese Summe wäre nun aber bei dem früheren Eigentümer der Aktie gelandet, der sich jetzt überlegen muss, wie er das Geld neu anlegt.

Bittere Ironie: Wahrscheinlich würde der ratlose Ex-Aktienbesitzer wieder Aktien erwerben, weil sie ja ständig an „Wert“ gewinnen. Die Spekulation nährt sich selbst.

Bleibt die Frage: Wohin mit dem Geld? Eine gute Antwort gibt es nicht, denn die Frage ist falsch gestellt. Die besorgten Sparer wollen in ihre Zukunft investieren, doch wie diese Zukunft aussieht, interessiert sie nicht. Das Geld soll allein und automatisch „arbeiten“. Dieser Ansatz war immer zu eng, aber in Zeiten des Klimawandels ist er obsolet. Nur wenn wir unsere Umwelt retten, werden sich auch Finanzanlagen rentieren. Sonst nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • Das Investieren in ETFs ist eine ausgezeichnete Alternative zu klassischen Aktien. Wetten auf Branche, Segmente und einzelne Unternehmen werden herausgenommen. Wichtig ist allein, wie der Gesamtmarkt performt, um auf lange Sicht alle zyklischen Schwankungen bei seiner Geldanlage herauszunehmen.

  • Auch dieser Artikel zeugt nicht von wirtschaftlicher Kompetenz. Die haarsträubende These, es wären nicht genügend Aktien für alle Bundesbürger da, wurde ja bereits ausreichend thematisiert. Übrigens gibt es ja nicht nur deutsche Aktien, es soll ja auch Aktiengesellschaften in anderen Ländern geben. Ich wünsche mir fürs Neue Jahr in der taz etwas mehr wirtschaftliche Kompetenz.

  • Wohin mit dem Geld ? Ich hätte da schon einige Ideen. Eine sinnvolle Verwendung wäre, in die eigene Bildung und Qualifikation zu investieren. Und zwar im weiten Sinn - ein Musik-Instrument erlernen oder einen Kurs Maltechniken. Oder etwas für seine Gesundheit zu tun. Yoga-Kurs, Fitness-Studio usw. - Eine andere Möglichkeit: auf eine Eigentumswohnung zu sparen. Schliesslich: Negativzinsen und Kontogebühren hin oder her - einige tausend Euros auf der hohen Kante zu haben, gibt ein gutes Gefühl.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    neben der penislänge, koitushäufigkeit und dem nettoeinkommen ist der kontostand eine der geheimsten zahlen des einzelnen bürgers.



    deshalb können all die ratgeber immer nur raten, was anzuraten ist.



    schön, dass manche (taz-leser?) dieses luxusproblem nun bewältigen werden.



    it´s a man´s world.

  • Ich sach's mal so: „Wer Geld hat, steht heute vor schier unlösbaren Problemen. Wer keins hat, auch.“

    • @Rainer B.:

      Ja, genau. Ähm nein, anders herum. Wer Geld hat, steht vor lösbaren Problemen. Wer keins hat, hat es schwerer.

      • @Christoph :

        Um das abschließend beurteilen zu können, müsste man doch entweder schon mal sehr viel Geld, oder auch gar kein Geld gehabt haben.

  • Wenn dieser Artikel alles ist, was die taz zum Thema Geldanlage zu sagen hat, sollte dieses Thema in Zukunft besser nicht mehr besprochen werden.

  • Liebe Ulrike Herrmann, ich wünschte mir zum Neujahr endlich eine ausführliche, wie üblich fundierte Stellungnahme von dir zu der unsäglichen Panik-Debatte "Crash or No-Crash". Oder sollte ich mal einen deiner Artikel verpasst haben? Schönes Neues Jahr (von einem ehemaligen tazler)

  • Naja, da möchte ich doch mal widersprechen. Wenn die Krise mal richtig zuschlägt und es mal wirklich ernsthaft schlimm wird, dann wird das mit dem Klima niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Und wenn ich mir so angucke, wer und wieviele Buden dieses Jahr schon pleitegemacht haben und wenn ich mir angucke, daß unsere Banken in ganz Europa so langsam, aber sicher in dieselbe Richtung unterwegs sind, dann kann man sich leicht ausmalen, was passieren wird. Ich schätze, daß die Banken ihre Bilanzsummen und Eigenkapitalmengen zusammenstreichen müssen und damit vielen, vielen Kreditnehmern ihre Kredite kündigen müssen. Diese widerum gehen dann massenweise pleite -es hat ja schon angefangen- und damit kommen wir eine echt ungünstige Eigendynamik, denn die so in Mengen arbeitslos gewordenen, werden die Kredite für ihre Eigentumswohnungs- und Häuschenkredite nicht mehr bedienen können und die Banken werden das Zeug dann auf den Markt werfen (müssen). Nicht mehr lange und die Immobilien werden dann rasant billiger. Keiner kauft mehr, alle sparen. Aber wenn keiner kauft, wohin verkauft man denn dann alles? Oweia, oweia. Unsere Damen und Herren Spezialpolitiker werden dann die große Superrettung beginnen und jeder, der nicht bei drei auf dem Baum ist, wird mit Geld zugekleistert werden. Dann dreht sich alles um und die Preisrakete rast mit Wahnsinnsgeschwindigkeit und unaufhaltsam in unerreichte Höhen. Das wird einen Knall geben, den wir so noch nie gehört haben.

  • Ein guter Kommentar, und auch ein guter Ansatz, dem derzeitigen Börsen-Hype(s) nicht einfach unkritisch zu folgen. Das Fazit mit Verweis auf Klima und Umwelt halte ich für richtig. Was mir aber in dem Kommentar dennoch etwas fehlt, ist die in der Einleitung angekündigte Antwort darauf, ob und inwieweit denn nun in die Börse - auch aus einer linken Perspektive - bedingt und ohne schlechtes Gewissen investiert werden darf, sollte, muss... oder eben nicht. Gibt es Aktien oder Fonds, die ethisch vertretbar sind? Was ist mit "nachhaltigen" oder "grünen" Aktien?



    Ja, die Klimafrage stellt sich auch hier - aber schließt sie nun ein Investieren in Aktien aus oder nicht?

    Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass Hermann-Josef Tenhagen - ehemaliger stellv. TAZ-Chefredakteur - in seinem neuen Format "Finanztip" aus einer eher linken Perspektive (wenn ich es richtig sehe) ganz klar und öffentlichkeitswirksam für den Erwerb von ETFs wirbt/werben lässt.



    Daher meine Frage an Frau Herrmann: Halten Sie eine Investition etwa in den MSCI World - oder aber in den angeblich "sozial verträglicheren" MSCI World SRI (der natürlich immer noch unschöne Unternehmen führt) - aus einer linken Perpektive per se für sozial vertretbar?

    Als Linker habe ich Aktien für mich früher immer kategorisch ausgeschlossen. Aber man fragt sich bei Negativzinsen halt schon "Wohin mit der Kohle?" Das Fazit von Frau Herrmann finde ich überzeugend, aber es beantwortet die Leitfrage des Artikels nicht. Daher immer noch: "Wohin mit der Kohle?" In nachhaltige Energien investieren?

  • Wenn nun ernsthaft empfohlen wird die Börse als Geldanlage zu ignorieren, hat man sicher in der Zukunft einen Anlass kreiert, darüber zu klagen, dass andere reicher geworden sind...



    Sehr dünner Artikel

    • @alterego:

      Besonders schön finde ich auch die Bemerkung zum »sinnlosen Kreisverkehr des Geldes«.

  • Wäre ja mal interessant gewesen, wie Frau Herrmann ihr Geld anlegt.

    • @Senza Parole:

      Wahrscheinlich nicht in Aktien. Bei so viel haarsträubender Unkenntnis über den Aktienmarkt und Volkswirtschaft im Allgemeinen wäre alles andere überraschend.

      Allein schon die These der limitierten Anzahl von Aktien, die nicht für alle Bundesbürger ausreichen könnte stehen mir die Haare zu Berge. In der Realität kann jedes Unternehmen seine Aktien auch beliebig splitten, zum Beispiel 10:1 , also 1 alte gegen 10 neue Aktien.

      Und nicht jeder Verkauf muss zwingend in einem neuen Kauf münden, denn der Verkäufer könnte ja auch gerade deshalb verkaufen weil er in Rente geht und das geld für Konsum benötigt. Aktien sollten ja gerade dazu da sein hier vorzusorgen. Der Markt ist dynamisch und bleibt nicht stehen. Neue Marktteilnehmer kommen hinzu, andere verschwinden.

  • Man stelle sich einmal vor, alle Bundesbürger würden sich auf Aktien von DW, Vonovia & Co., auf Anteile von Baugenossenschaften stürzen. Sie hätten eine brauchbare Dividende, bar oder in Anteilen, sie hätten ein Stimmrecht in der Hauptversammlung und sie hätten Etwas, das sie ihren Enkelchen vererben können. Leider hätten dann manche auch einen Grund weniger, zu jammern.

    • @Gregor Tobias:

      Ich habe es genau so gemacht. Und ich freue mich über üppige Dividenden, die die Mieterhöhungen für meine Wohnung als Peanuts erscheinen lassen.

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @Gregor Tobias:

      Hätte das wirklich jeder gemacht, so wäre er 2018 auf eine Dividendenausschüttung von ca. 8 Euro bei Vonovia und 3,7 Euro bei der DW gekommen. Rechnet man die Kaufkosten dagegen (ca. 5 Euro pro Position beim billigsten Onlinebroker), bleibt im ersten Jahr ein brauchbare Dividende von knapp zwei Euro. Der Besuch auch nur einer Hauptversammlung wäre da nicht mehr drin, ohne das Verluste entstehen.



      Baugenossenschaften nehmen derzeit i.d.R. nur solche Menschen auf, die auch bei Ihnen eine Wohnung bekommen.



      Das, was Sie hier empfehlen ist darüberhinaus realistischerweise nicht umzusetzen und den meisten Menschen fehlt außerdem schlicht das Geld für Aktienkäufe.



      Soviel zu der von Ihnen skizzierten "Vorstellung".

      • @75064 (Profil gelöscht):

        Unsinn. Die Kaufgebühr wird nur pro Kauf fällig und nicht pro gekaufte Aktie. In einem Kauf kann man auch 10000 Aktien kaufen und damit den Preis auf 5 Euro geteilt durch 10000 senken.

        • 7G
          75064 (Profil gelöscht)
          @BenRa:

          Ich habe lediglich die Vorstellung von @GregorTobias nachgezeichnet. Auf jeden Bürger würden daher gut 6 Vonovia-Aktien entfallen; mehr gibt es halt nicht und daher kann auch nicht jeder 1000 kaufen, zumal dann alle die, die nicht über mindestens 50000 Euro freies Geld verfügen ohnehin raus wären. Mir ging es nur darum, die Unsinnigkeit der Vorstellung darzustellen.

    • @Gregor Tobias:

      Wie schön, dass auf Merz-Fans und FDP Wähler die TAZ lesen.