Geflüchtete in Deutschland: Nicht alle gleich erwünscht

Die Innenministerin spricht sich für Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten aus – und gegen illegale Einreise. Und was ist mit Syrern und Afghanen?

Container einer flüchtligsunterkunft in Berlin

Unterkunft für Geflüchtete in Berlin Foto: Frederic kern/imago

Man muss sich diesen Satz von Nancy Faeser auf der Zunge zergehen lassen: „Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, illegale Einreisen zu stoppen, damit wir weiter den Menschen helfen können, die dringend unsere Unterstützung brauchen.“ Das sagte die Bundesinnenministerin am Dienstag nach einem Spitzengespräch zur aktuellen Flüchtlingssituation. Ja, zurzeit suchen viele Menschen Schutz in Deutschland. Ja, vielerorts sind die Kommunen am Rande ihrer Kapazitäten. Und trotzdem ist Faesers Satz grundfalsch.

Zum einen verschleiert er, dass das Ressourcenproblem in vielen Fällen ein hausgemachtes ist. Natürlich sind die Plätze in Aufnahmeeinrichtungen rar, weil man in den vergangenen Jahren Menschen gezwungen hat, dort unnötig lange zu leben – um eine Flucht nach Deutschland möglichst unattraktiv zu machen. Natürlich mangelt es an bezahlbarem Wohnraum und an Kitaplätzen für Geflüchtete, wenn davon ohnehin schon zu wenig da ist – weil politisch immer anderes wichtiger ist.

Vor allem aber straft dieser Satz Nancy Faeser Lügen, wenn sie kurz danach erklärt, es gebe keine unterschiedliche Behandlung von Geflüchteten. „Wir geben Menschen aus humanitären Gründen Aufenthalt in der Bundesrepublik“, so Faeser. Aber, so der Subtext: Wer aus der Ukraine kommt, braucht Hilfe. Wer über die Balkanroute kommt, reist illegal ein – und muss möglichst ferngehalten werden.

Allein: Der Großteil derer, die ankommen, sind Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan. Menschen also, die vor Gewalt und Krieg fliehen. Und die – anders eben als die Ukrai­ne­r*in­nen – kaum Wege haben, Deutschland legal zu erreichen. Die häufig überhaupt nur dann hier einen Asylantrag stellen können, wenn sie illegal einreisen, nach langwieriger und oft lebensgefährlicher Flucht über Land und Meer.

Und das nicht zuletzt, weil die Bundesregierung seit Monaten die Umsetzung ihrer Versprechen zum Beispiel an die Menschen in Afghanistan verschleppt. Mehr als ein Jahr ist seit dem Abzug aus Afghanistan vergangen. Noch immer harren dort Tausende in Not aus, teils sogar mit Aufnahmezusage aus Deutschland. Noch immer ist von dem Bundesaufnahmeprogramm, das die Ampel-Koalition versprochen hat, nichts zu sehen.

Diesen Menschen wirft Nancy Faeser nun vor, dass sie ihr Leben selbst zu retten versuchen. Mehr noch, sie spielt sie gegen die Geflüchteten aus der Ukraine aus: Wir können den einen nur dann weiterhin helfen, wenn die anderen wegbleiben. Not derart nach Herkunft zu priorisieren, ist einer humanen Flüchtlingspolitik unwürdig.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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