Geflüchtete auf griechischen Inseln: Das ganz kleine bisschen Vernunft

Wir haben genug Platz, um jetzt Menschen aus griechischen Lagern aufzunehmen. Aber es passiert zu selten, dass mal jemand vernünftig darüber redet.

Flüchtlinge in Moria tragen Mundschutzmasekn

Menschen so lange unter härtesten Bedingungen ausharren lassen, ist nicht zu entschuldigen Foto: Elias Marcou/reutersF

Über manche Zustände will man nur noch schreien, weil sie immer noch so sind, wie sie sind. Da will man allen um den Hals fallen, die irgendwie versuchen, etwas zu ändern. Und deswegen will man gerade Dirk Behrendt um den Hals fallen, Berlins grünem Justizsenator.

Der hat nämlich gesagt, er habe genug davon, dass Deutschland den Arsch nicht hochkriegt – also so sinngemäß. Dass es nicht sein könne, dass auf den griechischen Inseln immer noch Zigtausende Geflüchtete unter miesesten Bedingungen festsitzen, ohne Seife, ohne Dach über dem Kopf, ohne medizinische Versorgung. Mitten in einer Pandemie.

Seit Monaten diskutieren die EU-Staaten, was mit diesen Menschen passieren soll. Eine „europäische Lösung“ soll her. Und weil es die nicht gibt, passiert: nichts.

Behrendt hat diese Woche angekündigt, Berlin werde notfalls als Land zusammen mit der Zivilgesellschaft aktiv werden. Bis zu 1.500 Menschen könne man aufnehmen. Die exakt gleiche Zahl hat auch das Bundesinnenministerium mal in den Raum geworfen – dort will man diese Menschen aber nicht auf eine Stadt, sondern gleich auf mehrere Staaten verteilen. Und da ist es dann wieder so weit, dass man nur noch schreien will vor lauter menschenlebenkostender Prinzipienreiterei.

Gerade jetzt? Ja, gerade jetzt

Wir haben Platz. Es gibt in Deutschland mehr als 140 Kommunen, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen. Wenn davon im Schnitt jede gerade mal 50 Personen aufnimmt – dann wären wir bei 7.000 Menschen, die wir aus dieser unwürdigen Situation herausholen können. Bei 60 Menschen pro Kommune wären es schon 8.400.

Wir haben Platz. Es gibt in Deutschland mehr als 140 Kommunen, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen

Mitten in der Coronakrise auch noch Menschen auf die Kommunen verteilen?, fragt so manche*r. Die Antwort: Gerade jetzt. Und zwar sofort, bevor das Virus sich dort ausbreitet und die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten ist.

Dass wir die Menschen schon so lange unter diesen Bedingungen ausharren lassen, ist ohnehin nicht zu entschuldigen. Sie jetzt dort sterben zu lassen, während wir uns verkriechen, Brot backen und unsere Hamstervorräte bestaunen, ist keine Option.

Deswegen, liebe Länder und Kommunen quer durch die Bundesrepublik: Seid nicht wie Deutschland. Seid Dirk Behrendt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.