Aufnahme von Flüchtlingen in Thüringen: Noch ein bisschen warten

Thüringens Migrationsminister will bis zu 2.000 Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern aufnehmen. Doch die SPD-Finanzministerin bremst.

Migranten, die aus dem Lager Moria auf der Insel Lesbos mit einem Schiff gekommen sind, gehen im Hafen von Piräus bei Athen an Land.

Flüchtlinge aus dem Lager Moria gehen im Hafen von Piräus bei Athen an Land Foto: Angelos Tzortzinis/dpa

Berlin taz | Thüringens grüner Migrationsminister Dirk Adams will bis zu 2.000 besonders schutzbedürftige Geflüchtete von den griechischen Inseln aufnehmen. So sieht es ein Entwurf für ein Landesaufnahmeprogramm vor, der eigentlich an diesem Dienstag im Kabinett hätte beschlossen werden sollen. Nun stand das Thema doch nicht auf der Tagesordnung – offenbar gibt es Uneinigkeit in der rot-rot-grünen Koalition.

„Wir müssen noch einige Gespräche führen um Einigkeit herzustellen, insbesondere mit dem Finanzministerium“, sagte Adams der taz. Ziel sei, das Programm in der kommenden Woche zu beschließen.

Länder können aus humanitären Gründen eigene Aufnahmeprogramme für bestimmte Personengruppen auflegen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Aufnahme von vom IS verfolgten Jesidinnen in Baden-Württemberg. Die Schutzsuchenden erhalten einen humanitären Aufenthaltstitel. Sie müssen dafür kein Asylverfahren durchlaufen.

Im Thüringer Koalitionsvertrag ist ein solches Programm für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge festgehalten. Der Entwurf des Migrationsministers bezieht sich nun auf die akute Lage in Griechenland und sieht die Aufnahme von allein reisenden Frauen, Schwangeren, alleinstehenden Müttern und ihren Kindern sowie schwer erkrankten und traumatisierten Menschen vor.

„Katastrophale Bedingungen“

In einer ersten Abstimmung der Ressorts habe „weitgehender Konsens“ über das Vorhaben bestanden, heißt es in dem Entwurf, der der taz vorliegt. Es handelt sich um eine Ende April nach einer ersten Kabinettsbefassung aktualisierte Fassung, die für die Sitzung des Kabinetts am 5. Mai 2020 datiert ist.

Darin heißt es, das Kabinett sei sich „seiner humanitären Verantwortung bewusst.“ Es beschließe deswegen eine Landesaufnahmeanordnung, mit der bis Ende 2023 bis zu 2.000 besonders Schutzbedürftige Personen nach Thüringen kommen sollen. In einem ersten Entwurf war es noch um 500 Menschen gegangen.

Dirk Adams, Migrationsminister

„Ich hoffe nicht, dass die SPD das Vorhaben insgesamt in Frage stellt“

Von „katastrophalen humanitären Bedingungen“ in „drastisch überfüllten Aufnahmelagern“ ist in dem Papier die Rede und von der zusätzlichen Gefahr durch das Coronavirus. In Lagern für 7.500 Menschen seien 40.000 untergebracht. Eine medizinische Versorgug oder adäquate Betreuung von Minderjährigen oder besonders vulnerablen Schutzsuchenden könne „nur unzureichend“ erfolgen. „Aus humanitärer Sicht besteht sofortiger Handlungsbedarf.“ Weiterhin stellt das Papier klar: „Die Aufnahme von wenigen hundert Flüchtlingen durch Deutschland ist völlig unzureichend.“

Das Bundesinnenministerium habe bereits seine ablehnende Haltung mitgeteilt. Jedoch gebe es Rechtsauffassungen, wonach ein solches Nichteinvernehmen bei einer begrenzten Aufnahme vulnerabler Gruppen durch die Länder nicht gerechtfertigt sei. Es solle auf eine „einvernehmliche Verständigung mit dem BMI hingewirkt werden“.

Nun aber stand die Aufnahmeanordnung doch nicht auf der Tagesordnung des Kabinetts für Dienstag. Laut Thüringer Allgemeiner habe vor allem die SPD bemängelt, dass Kosten und Unterbringung noch nicht geklärt seien. Dabei behandelt der Entwurf auf fast zwei Seiten die Kosten des Programms für Land und Bund. „Die Schwierigkeit ist, dass noch kein Land eine solche Anordnung für die Menschen von den griechischen Inseln beschlossen hat und wir die Kosten nicht exakt planen können“, sagte Migrationsminister Adams der taz.

„Das Programm darf nicht scheitern“

Dazu würde man nun das direkte Gespräch mit dem SPD-geführten Finanzministerium suchen. „Ich hoffe nicht, dass es sich hierbei um eine politische Frage handelt und die SPD das Vorhaben insgesamt in Frage stellt, sonst müssten wir einen Koalisitonsausschuss einberufen. Ich gehe davon aus, dass es hier um ganz fokussierte Finanzfragen geht, die wir zügig auf Ressort- und Chefebene lösen können“, sagte Adams.

Wichtig sei, möglichst schnell und möglichst unkompliziert so vielen Menschen wie möglich zu helfen – im Rahmen dessen, was ein „kleines Land wie Thüringen“ leisten könne. „Aber das Aufnahmeprogramm darf nicht scheitern“, stellte Adams klar.

„Ob in Berlin oder Thüringen: Die Sozialdemokrat*innen kritisieren Innenminister Seehofer für seinen Unwillen, Menschen aus den griechischen Camps zu evakuieren. Aber wenn es darum geht, selbst Beschlüsse zur Landesaufnahme vorzulegen, verzögern sie den Prozess“, kritisiert Felix Burgsmüller von der Seebrücke-Bewegung. In Thüringen blockiere die SPD „mit immer neuen Scheinargumenten“.

Die Länder hätten alle nötigen Kompetenzen. Natürlich müssten sie die Kooperation mit dem Bund suchen. „Aber sie dürfen nicht länger darauf warten, dass Horst Seehofer doch noch als Verteidiger des Asylrechts in die Bresche springt“.

Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte die überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln am Dienstag als „Schande“ bezeichnet. „Wir müssen allen Menschen in den Lagern helfen“, sagte er der Rheinischen Post.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.