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Geächtete Streumunition an die UkraineEstnische Initiative

Estland will der Ukraine geächtete Streubomben liefern. Dafür ersucht Tallinn grünes Licht aus Deutschland, wo die Munition hergestellt wurde.

Reste einer Streumunition in Syrien, diese Munition ist international geächtet Foto: Anas Alkharboutli/dpa

Berlin taz | Estland schießt dieser Tage über das Ziel hinaus, und zwar deutlich: Einem Bericht des estnischen Internetportals err.ee zufolge will das baltische Land einer Bitte der Ukraine nachkommen und Kyjiw Streumunition zur Verfügung stellen. Dabei handelt es sich um „Ware“, die in den 90er Jahren in Deutschland hergestellt wurde und die Estland noch auf Lager hat. Ein entsprechendes Ersuchen an Berlin, für die Weitergabe der Munition grünes Licht zu geben, sei bereits ergangen.

In einem Interview mit der „Aktuellen Kamera“, der ältesten Sendung des estnischen Fernsehens, bestätigte Verteidigungsminister Hanno Pevkur die Information. Estland habe beschlossen, der Ukraine Artilleriemunition vom Kaliber 155 mm zu liefern.

Er halte es nicht für notwendig, über Einzelheiten der Vereinbarungen zwischen den Streitkräften Estlands und der Ukraine zu sprechen, insbesondere nicht über die Menge und Reichweite der Munition, sagte Pevkur. Die Begründung, warum sich Tallinn zu diesem Schritt entschlossen hat, mutete mehr als bizarr an. Er sehe, so Pevkur, darin kein Problem, „da beide Kriegsparteien diese Munition bereits auf dem Territorium der Ukraine verwenden“.

Kaarel Mäesalu, Oberstleutnant und Chef der Abteilung des Generalstabs der estnischen Verteidigungskräfte, sprach von 63 Granaten, die im Falle einer Explosion des Geschosses frei gesetzt würden. Die Waffe habe einen recht großen Zerstörungsradius, treffe jedoch nicht zielgenau und sei nur wirksam, wenn sie auf völlig flachem Gelände eingesetzt werde.

Keine Diskussion

Anders als bei bisherigen Waffenlieferungen dürfte es in Sachen „Streumunition“ wohl kaum die bekannten Diskussionen und Abwägungsprozesse geben. Deutschland ist eins von 110 Ländern (Stand 1. August 2020), die das Übereinkommen über Streumunition (sogenanntes Oslo-Übereinkommen) ratifiziert haben. Der Vertrag, der 2010 in Kraft getreten ist, sieht ein Verbot des Einsatzes, die Entwicklung, Herstellung, den Erwerb, die Lagerung, Zurückbehaltung und die Weitergabe von Streumunition vor. Unter anderem Estland und die Ukraine, aber auch die USA und Russland, sind keine Vertragsstaaten.

Streumunition gilt als besonders gefährlich für die Zivilbevölkerung. Laut der Organisation handicap international zünden 40 Prozent der Streubomben nicht beim Aufprall. Diese Blindgänger können auch noch Jahre später für Unbeteiligte zu einer tödlichen Falle werden. Seit dem Beginn von Moskaus Angriffskrieg auf die Ukraine am 24. Februar 2022 haben mehrere Menschenrechtsorganisationen wie beispielsweise Human Rights Watch und Amnesty international den Einsatz von Streumunition, vor allem durch die russische Armee, in der Ukraine dokumentiert.

Genau mit diesem Umstand begründet auch René Värk, Professor für Internationales Recht an der Universität von Tartu, den Einsatz von Streubomben. Der sei in dicht besiedelten Gebieten verboten, aber genau das hätten die Russen zum Beispiel in der ostukrainischen Stadt Charkiw getan.

Andererseits könne der Einsatz solcher Munition im Kampf gegen feindliche Streitkräfte in offenen Gebieten durchaus gerechtfertigt sein, da diese Streitkräfte legitime Ziele für Angriffe seien, so Värk. Der Umstand, dass Deutschland auf die Produktion und den Einsatz von Streumunition verzichte, könne die Gespräche zwischen Berlin und Tallinn jetzt erschweren.

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23 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich geh mal davon aus, es gibt keine Freigabe von D, doch wundert mich sehr, was da in den Depots der Bündnispartner so alles noch rumliegt.

  • Blindgänger ist hier der falsche Begriff, da er eine Fehlfunktion impliziert. Dabei ist ein Teil der Submunition als Mine konzipiert. Zur Behinderung von Aufräumarbeiten und um Pionierkräfte zu binden.

  • Der Lösungsansatz ist doch sehr einfach: Die russische Armee zieht sich aus dem Staatsgebiet der Ukraine zurück, und dann wird am Verhandlungstisch geklärt, welche berechtigten, vitalen Interessen der Ukraine durch Russland, (und umgekehrt) zu gewährleisten sind. Und gleich vorab: Es ist kein berechtigter Anspruch Russlands, wieder Herrschaft über das Gebiet des ehemaligen Warschauer Paktes zu erlangen. Und wer (aus verständlichen Gründen) gegen den möglichen zukünftigen Einsatz von Streumunition durch die Ukraine ist sollte jetzt massiv die Stimme erheben gegen den offenbar bereits erfolgenden Einsatz solcher Munition durch Russland in der Ukraine.

  • Ich persönlich bezweifle zwar stark, dass der militärische Lösungsansatz der richtige ist, jedoch finde ich Estlands vorgehen konsequent! Wenigstens versucht man sich dort nicht hinter irgendwie pseudomoralischen Argumentationen zu verstecken.

    • @Alexander Schulz:

      Das Verbot von Streumunition ist pseudomoralisch? Sollten wir vielleicht auch Giftgas liefern?

  • wenn sich schon einmal eine ...

    so günstige entsorgungsmöglichkeit bietet, dann nix wie weg damit.

    die ostukraine ist von kriegsmunition bereits derart übersät, da kommt es doch auf den alten sch...ß auch nicht mehr an.

  • In der Ukraine tobt ein Krieg, dessen Grausamkeit die Europäer mit den Weltkriegen hinter sich gelassen zu haben glaubten. Jeden Tag werden hunderte Menschen von Bomben und Projektilen zerfetzt und verstümmelt.



    Die Aggression geht hier ganz klar von Russland aus – die Ukrainer haben keine andere Wahl, als sich militärisch zur Wehr zu setzen oder sich dem Genozid hinzugeben. Die russischen Truppen haben ihre grenzenlose Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung bereits zur Schau gestellt (Butscha).



    An den Frontlinien ist ohnehin alles verseucht mit Minen und Blindgängern. Wenn man sich die Bilder aus Soledar und Bakhmut anschaut, macht es da noch einen Unterschied, ob Streumunition eingesetzt wird?



    Es ist schlicht unvorstellbar, mit welcher Grausamkeit die russischen Befehlshaber ihre Leute in den Tod schicken. Egal wie aussichtslos das Unterfangen, die Horden werden an die Front geschickt und von den ukrainischen Verteidigern hingemetzelt. Worauf kann man da noch Rücksicht nehmen?



    Die russischen Angreifer schießen, ohne jede Skrupel vor zivilen Opfern, mit Aerosolbomben auf die Ukrainer [1]. Ich verstehe nicht, was es hier noch abzuwägen gibt – die Brutalität der Angriffe ist schier nicht zu überbieten!



    Warum sollte man der Ukraine keine Streubomben zur Verfügung stellen, wenn sie einen militärischen Vorteil bringen und somit helfen, das Leid der Ukrainer zu lindern?



    Wieso sollte man in einer solchen Extremsituation auf ein Abkommen über Streubomben beharren?

    [1] de.wikipedia.org/wiki/Aerosolbombe

    • @Georg Altmann:

      Is das diese sogenannte "regelbasierte Weltordnung" dass wir uns an Regeln nur halten wenn Sie einem militärischen Vorteil nicht im Wege stehen?



      Von der gegnerischen Seite erwarten wir natürlich, dass sie sich immer an unsere Regeln halten

      • @OldFrank:

        Und was wäre ihr Alternativvorschlag zu einer regelbasierten Ordnung? Das Recht des Stärkeren und Eroberungsfeldzüge wieder zum zentralen Prinzip internationaler Politik zu machen?

    • @Georg Altmann:

      Antwort: Weil es Prinzipien gibt. Wenn einer schlecht ist, sollten wir das nicht nachmachen. Andernfalls können Sie sich dann auch nicht mehr zu den Guten zählen.

  • Streubomben sind natürlich inakzeptabel.



    Es muss auch eine moralische Position bleiben, Verteidigung zu unterstützen und sich nicht auf wahllose Vergeltungsschläge einzulassen.



    Dass Bestände aus Deutschland trotz Verbot exportiert wurden, erinnert an die Atomindustrie trotz Ausstieg.

    Allerdings gibt es nach wie vor eine Strategiefrage:



    Können Europäer_innen weiter zusammenhalten?



    Wie werden die Menschen in Osteuropa die ständige Drangsalierung durch den Kreml endgültig los?



    Georgen geteilt, besetzt.



    Hackerangriffe auf politische Infrastruktur in westlichen Ländern.



    Das alles nur aus Missgunst.

  • diese waffendetails z.z. in den medien+in der taz nerven nur noch. wie wärs mit mehr berihterstattung über mühseligste friedensbemühungen?



    die werden auch in der taz eher nonchalant beiseite gewischt.



    auch die taz gehört ins gemäßigte bellizistenlager, bei keinen parteianhängerInnen ist die waffenlieferbereitschaft größer als bei den grünen. was ist mit der ehemals "alternativen" welt los? zu der ja auch die taz irgendwie gehörte?

    • @Brot&Rosen:

      Der Appeasifismus hat den Frieden noch nie gerettet.



      Erinnern Sie sich nicht an die Bilder vom Januar mit westlichen Politikern an Putins langem Tisch?



      Haben Sie eine Ahnung, warum das alles nichts gebracht hat?

  • vielleicht haben wir ja noch etwas kampfgas...



    es lebe die westliche humanistische kultur...



    elende heuchelei...

  • sind die firmen rheinmetal und kraus mafei jetzt legitimes kriegsziel?

  • In der Ukraine tobt ein Krieg, dessen Grausamkeit die Europäer mit den Weltkriegen hinter sich gelassen zu haben glaubten. Jeden Tag werden hunderte Menschen von Bomben und Projektilen zerfetzt und verstümmelt.



    Die Aggression geht hier ganz klar von Russland aus – die Ukrainer haben keine andere Wahl, als sich militärisch zur Wehr zu setzen oder sich dem Genozid hinzugeben. Die russischen Truppen haben ihre grenzenlose Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung bereits zur Schau gestellt (Butscha).



    An den Frontlinien ist ohnehin alles verseucht mit Minen und Blindgängern. Wenn man sich die Bilder aus Soledar und Bakhmut anschaut, macht es da noch einen Unterschied, ob Streumunition eingesetzt wird?



    Es ist schlicht unvorstellbar, mit welcher Grausamkeit die russischen Befehlshaber ihre Leute in den Tod schicken. Egal wie aussichtslos das Unterfangen, die Horden werden an die Front geschickt und von den ukrainischen Verteidigern hingemetzelt. Worauf kann man da noch Rücksicht nehmen?



    Die russischen Angreifer schießen, ohne jede Skrupel vor zivilen Opfern, mit Aerosolbomben auf die Ukrainer [1]. Ich verstehe nicht, was es hier noch abzuwägen gibt – die Brutalität der Angriffe ist schier nicht zu überbieten!



    Warum sollte man der Ukraine keine Streubomben zur Verfügung stellen, wenn sie einen militärischen Vorteil bringen und somit helfen, das Leid der Ukrainer zu lindern?



    Wieso sollte man in einer solchen Extremsituation auf ein Abkommen über Streubomben beharren?

    [1] de.wikipedia.org/wiki/Aerosolbombe

    • @Georg Altmann:

      weil wir unsere verträge einhalten sollen.. im übrigen gibt es seit den 2.WK kaum einen tag in der nicht unschuldige, grausam in einen ungerechten krieg gemordet wurden...



      leider scheinen es erst jetzt die europäer wahr zu nehmen...



      aerosolbomben wurden zum beispiel auch im afganistankrieg eingesetzt...



      statt neue waffen braucht es dringen verhandlungen.

    • @Georg Altmann:

      Weil wir Menschen sein wollen und keine Schlächter.

  • Wenn wir nicht wollen, dass solche Munition verwendet wird, sollten wir sie nicht verkaufen.



    Die Ukraine würde sie ja immerhin auf eigenem Territorium einsetzen, also selbst für die Spätfolgen aufkommen...

  • Wie wärs mit ner kleinen Atombombe als Dreingabe? Ist ja auch nicht überall verboten.

    • @Jörg Schulz:

      es gibt ja auch noch vorräte an kampfgas und b-waffen



      lasst uns alle tiere werden...



      achso... tiere tun sowas nicht

    • @Jörg Schulz:

      Dann ist wenigstens eine Ruhe:

      „Der Waffenstillstand



      ist unverbrüchlich

      als Spiegel



      steigt der Mond



      aus den Kratern

      die Opfer



      sind vergessen



      über der Schönheit der Trümmerstädte

      der letzte Krieg



      hatte sein Gutes

      so friedlich



      strahlt das Niemandsland“

      (Ulrich Horstmann)

      • @guzman:

        Danke für die schönen Worte - endlich Frieden..