Fridays for Future: Wo seid ihr jetzt alle?
Nach 5 Jahren Klimastreik: 6 Aktivist:innen erzählen, warum sie noch an FFF glauben, neu dazukommen – oder nicht mehr dabei sind.
Inhaltsverzeichnis
- „Ich wollte schon lange zu Fridays for Future“
- „Ich bin Mittlerin zwischen den Frauen in meiner Nachbarschaft und der Internationalen Gemeinschaft“
- „Fridays for Future ist nicht mehr so richtig mein Ort“
- „Leider ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder für Aktivist:innen“
- „Dann begann die Pandemie und ich habe mich ein bisschen zurückgenommen“
- „In Nordindien ist es jedes Jahr ein Moment des Erwachens, wenn die Luftverschmutzung im Winter dramatisch ansteigt“
„Ich wollte schon lange zu Fridays for Future“
I ch sage immer, ich gehe nebenbei zur Schule. Hauptsächlich mache ich Aktivismus. Mit elf Jahren bin ich zur Grünen Jugend gegangen. Der damalige Kandidat für die Bremer Bürgerschaftswahl hat schon viel über Klima gesprochen, als das noch ein Nischenthema war. Auch wenn ich heute von den Grünen als Regierungspartei enttäuscht bin, hat mich das damals sehr inspiriert.
Deshalb wollte ich von Anfang an zu Fridays for Future und war das teilweise auch online in den überregionalen Strukturen. Als sich die Ortsgruppe Bremen gründete, war ich allerdings gerade über einen längeren Zeitraum im Krankenhaus. Später war die politische Lage in der Gruppe dann leider etwas schwierig. Es gab zu viele Unstimmigkeiten, teilweise auch Vorwürfe von Antisemitismus.
Das war wohl am Ende auch der Grund, weshalb sie sich diesen Sommer aufgelöst hat. Als es dann hieß, dass die Fridays in Bremen neu gegründet werden sollen, bin ich direkt mit eingestiegen. Aktuell sind wir eine sehr kleine Gruppe. Für den Klimastreik haben wir deshalb ein großes Bündnis auf die Beine gestellt, mit anderen Aktivismus- und Umweltverbänden. Die Arbeit im Bündnis ist uns sehr wichtig.
Mit der Übergabe hat alles reibungslos funktioniert. Mich hat aber sehr erschreckt, dass wir über Instagram eine große Welle von Hasskommentaren und teilweise sogar private Nachrichten bekommen haben. Im Hinblick auf den nächsten Streik wurden sehr viele Plakate abgerissen. Ich vermute, dass das von Leuten ausgeht, die mit der Auflösung und Neugründung unzufrieden sind. Das kann ich teilweise nachvollziehen. Diese destruktiven Handlungen haben mich jedoch erschrocken.
Paul-Nikos Günther, 20, Bremen
„Ich bin Mittlerin zwischen den Frauen in meiner Nachbarschaft und der Internationalen Gemeinschaft“
Ich bin in einem Slum aufgewachsen bei meiner alleinerziehenden Mutter. Meine Großmutter hat meine Schulgebühren von den Einnahmen bezahlt, die sie mit dem Verkauf ihrer Ernte gemacht hat. Nach meinem Abschluss begann ich, für die NGO Klimagerechtigkeit in Afrika zu arbeiten. Seitdem bringe ich in den Armenvierteln den Frauen bei, wie sie auf ihren Hausdächern in Plastikbehältern Gemüsegärten anlegen, um ihre Familien damit zu versorgen.
2019 ging aber die Ernte ein, ich war am Boden zerstört und habe online recherchiert, was schief gelaufen war. Da stieß ich auf den Klimawandel. Ich erstellte einen Twitter-Account und startete eine Kampagne. Am Anfang war ich alleine, das war deprimierend. Ich habe die Fridays-for-Future-Aktivistin Vanessa Nakate kennen gelernt. Also habe ich mich entschieden, mich ihr und FFF anzuschließen.
Aber ich arbeite weiter nebenher an meinen eigenen Projekten. Bereits ganz am Anfang bei FFF habe ich darüber nachgedacht, wie wir besser Informationen untereinander austauschen. So habe ich begonnen, Aktivisten überall in Afrika auszubilden. Ich wollte der Bewegung einen Mehrwert geben, weil sie mir ja auch einen Mehrwert gibt. Für mich ist die Klimabewegung ein Zuhause geworden. Ich glaube an die Macht der Masse, wenn es darum geht, eine Krise zu bewältigen.
Ich sehe meine Aufgabe auch darin, Mittlerin zwischen den Frauen in meiner Nachbarschaft und der Internationalen Gemeinschaft zu sein. In den letzten Jahren war ich auf zahlreichen Klimakonferenzen. Dort konnte ich der Welt von den Frauen im Slum erzählen. Das hat mich sehr stolz gemacht. Als ich dann nach Hause kam und die realen Probleme wieder vor Augen hatte, fühlte ich mich wie ein Salzkorn im Ozean, weil ich nur wenig verändern kann. Doch dann versicherten mir die Frauen, dass ich die beste Kandidatin sei, die sie dort auf der Weltbühne hätten. Das hat mir den Mut gegeben, weiter für die Sache zu kämpfen.
Hamira Kobusingye, 28, Kampala (Uganda)
„Fridays for Future ist nicht mehr so richtig mein Ort“
Ich war beim ersten Fridays-for-Future-Streik in München dabei. Das war im Dezember 2018. Ich hatte das Video von Greta Thunberg gesehen, mit dem sie zum Streiken an jenem Freitag aufrief. Wir waren nicht besonders viele, knapp hundert. Wir waren trotzdem entschlossen und motiviert, denn wir wussten, dass wir nicht die Einzigen waren. Dass in diesem Moment überall auf der Welt Gleichaltrige auf die Straße gingen.
Der Schulstreik als Druckmittel war neu, hat uns viel Aufmerksamkeit gebracht. Es waren auch andere aus meiner Schule dabei. Wir wurden immer mehr. Das hat sich sehr, sehr richtig angefühlt. Ich bin in die Orga-Gruppe gegangen, war lange unsere Sprecherin, habe viel Pressearbeit gemacht. Anderthalb Jahre lang habe ich meine Gedanken zur Klimakrise und unserer Bewegung in einer Kolumne aufgeschrieben, die im Online-Magazin klimareporter° und in der Tageszeitung neues deutschland erschien.
Vor zwei Jahren habe ich dann aber die Schule fertig gemacht und hatte das Gefühl: Fridays for Future ist nicht mehr so richtig mein Ort. Schul-streik ging dann ja logischerweise nicht mehr. Aber der hatte sich als Aktionsform sowieso total normalisiert und funktionierte insgesamt nicht mehr so gut.
Wir haben intern auch immer wieder dieselben Diskussionen geführt. Es kamen neue, jüngere Leute nach, die wie wir vorher zum ersten Mal politisch aktiv waren. Das finde ich auch total cool, aber es hat sich eben viel wiederholt. Noch ein Großstreik und noch ein Großstreik. Ich wollte, dass wir uns weiterentwickeln, mutiger sind, radikalere Aktionsformen ausprobieren. Man ist dann aber in einer komischen Rolle, wenn man ein ganz kleines bisschen älter ist und den Neuen erzählt, wie und warum wir dieses und jenes früher gemacht haben.
Es hat mich auch ein bisschen gestört, dass die Deutschen bei Fridays for Future international so viel Raum einnehmen. Das ist mir auf der Weltklimakonferenz in Madrid aufgefallen, wo das andere Aktivist*innen aus stark von der Klimakrise betroffenen Ländern auch kritisiert haben. Darauf ist die deutsche Gruppe auf Bundesebene kaum eingegangen, genau wie auf manche Rassismusvorwürfe. Das finde ich schade, die internationale Vernetzung von Schüler*innen gehört für mich nämlich eigentlich zu den größten Vorteilen bei Fridays for Future.
Mittlerweile bin ich zum Studieren nach Wien gezogen und bin jetzt vor allem bei Ende Gelände aktiv. Gerade erst war ich für die Proteste gegen die Automesse IAA mal wieder in München. Da hab ich auch viele von denen wiedergetroffen, mit denen ich damals bei Fridays for Future war. Die machen jetzt ganz verschiedene Sachen, sind wie ich in anderen Klima-Gruppen oder arbeiten bei den Grünen. Von der aktuellen FFF-Ortsgruppe kenne ich eigentlich niemanden mehr.
Elena Balthesen, 21, Wien (Österreich)
„Leider ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder für Aktivist:innen“
Ich mache seit meiner Kindheit Aktivismus. Mit fünf Jahren sah ich einen Bericht im Fernsehen über die Umweltschäden durch Zigarettenstummel. Ich war schockiert und es hat mich nicht mehr losgelassen. Einige Jahre später startete ich mein erstes Projekt. Ich stellte in meiner Gemeinde leere Dosen auf, damit die Nachbarn ihre Zigaretten dort hinein und nicht mehr auf den Boden warfen. Das wurde gut angenommen.
2019 machte mich meine damals 7-jährige Tochter schließlich auf den ersten Fridays-for-Future-Streik in Mexiko aufmerksam. Gemeinsam nahmen wir an der Demonstration teil. Es waren rund 350 Menschen aller Altersgruppen dabei. Der Streik ging durch alle Medien und wir erreichten, dass die Regierung meines Bundesstaates Jalisco einen Arbeitskreis zum Schutz der Umwelt einrichtete.
Anfang 2020 wurde mir angeboten, die Koordination und Leitung der Ortsgruppe Guadalajara zu übernehmen. Bis vor Kurzem waren wir zu zweit, jetzt mache ich das alleine. Deshalb habe ich für dieses Jahr ein Bündnis mit verschiedenen Kollektiven aus Jalisco zusammengestellt. Gemeinsam streiken wir am Freitag vor dem Parlament in Guadalajara. Wir übergeben eine Petition an den Kongress, in der wir alle Punkte aufzeigen, an denen in unserem Bundesstaat gearbeitet werden muss. Mit Vorträgen wollen wir in der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür schärfen, dass es jede:n Einzelne:n angeht.
Leider ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder für Aktivist:innen. Auch wenn wir das Recht auf freie Meinungsäußerung haben, ist bekannt, dass es geahndet wird, wenn man politische Interessen berührt. Als Frau und Aktivistin habe ich jedoch eine ethische und moralische Verantwortung, denn ich möchte mich für meinen Staat, mein Land, meinen Planeten und mein Volk einsetzen. Meine größte Motivation ist meine Tochter. Der Klimawandel betrifft uns alle, aber wir sind jetzt verantwortlich für die Zukunft der nächsten Generationen.
Jeraldine García Martínez, 31, Guadalajara (Mexiko)
„Dann begann die Pandemie und ich habe mich ein bisschen zurückgenommen“
Im Januar 2019 wurde ich über einen Mailverteiler von der Technischen Universität Braunschweig auf den damals noch wöchentlichen Klimastreik der Fridays for Future aufmerksam. Mit ein paar Kommilitonen beschlossen wir hinzugehen. Vor Ort mussten wir dann feststellen, dass nur sehr wenige Leute von der Uni dabei waren. Deshalb setzten wir uns danach zusammen und überlegten, wie wir auch für Studis eine Gruppe gründen können.
Zu Beginn sind wir erstmal weiter zu den Streiks gegangen, dann haben wir mal an einem Plenum der Ortsgruppe teilgenommen, und im Mai 2019 gründeten wir schließlich die Students for Future Braunschweig. Da gab es dann einmal eine Gruppe an der Uni und eine an der Hochschule für Bildende Künste. Meine Rolle war es, als Delegierter zu den Plena der beiden Gruppen zu gehen und zu berichten, was bei dem jeweils anderen Plenum besprochen wurde. Darüber hinaus habe ich mich noch in verschiedenen Arbeitskreisen engagiert, wo es darum ging, Plena vor- und nachzubereiten und alles ein bisschen zu koordinieren.
Als ich dann 2020 anfing, meine Masterarbeit zu schreiben, habe ich jedoch gemerkt, dass ich mehr Zeit dafür benötige. Gleichzeitig hat ja dann auch die Pandemie begonnen und ich habe mich ein bisschen zurückgenommen. Nach meinem Abschluss bin ich relativ bald für einen Job nach Berlin gezogen. Hier war ich zwar anfangs noch ab und zu beim Plenum meiner Bezirksgruppe, aber es war schwierig, dort Anschluss zu finden. Total aufgehört habe ich aber auch nicht. Mit den Leuten aus Braunschweig habe ich nach wie vor Kontakt. Wenn ich dort bin, übernehme ich meistens ein paar kleine Aufgaben. Und beim globalen Klimastreik bin ich auf jeden Fall dabei. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.
Niklas Wrege, 27, Braunschweig
„In Nordindien ist es jedes Jahr ein Moment des Erwachens, wenn die Luftverschmutzung im Winter dramatisch ansteigt“
Seit meiner Kindheit bin ich naturverbunden. Da ich weiß, was die globale Erwärmung mit unserer Natur macht, habe ich beschlossen, meine Stimme zu erheben und etwas zu tun, um etwas zu verändern. Freunde haben mir von Fridays For Future erzählt. Im März 2020 habe ich an einem Online-Treffen teilgenommen, bei dem es darum ging, wie wir uns gemeinsam dafür einsetzen können, dass die Stadtverwaltung und die Zentralregierung etwas gegen den Klimanotstand unternehmen. 2021 nahm ich an meiner ersten Demonstration in Delhi teil.
Nach der Pandemie hat es eine Weile gedauert, bis wieder Straßenaktionen von FFF stattfanden. Wir waren damals eine kleine Gruppe, aber wir versammelten uns vor dem Regierungsgebäude, um unsere Rechte einzufordern. Heute konzentrieren wir uns mehr auf die Klimabildung. Wir sehen, dass die Klimabewegung in Indien noch sehr elitär ist. Also versuchen wir, Menschen durch Kampagnen und Veranstaltungen wie Open Mics zu erreichen. Wir nutzen soziale Medien, sprechen mit Menschen vor Ort und veranstalten Workshops in Schulen und Universitäten.
Die Regierung kann klimafreundliche Gesetze erlassen, aber Menschen müssen auch verstehen, was der Klimawandel für uns alle bedeutet. Meine Familie versucht jetzt zum Beispiel, mehr öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, und wir trennen Abfall. Doch das Interesse am Umweltschutz muss wachsen, und zwar nicht nur dann, wenn die Luftverschmutzung im Winter in Nordindien dramatisch ansteigt. Das ist jedes Jahr ein Moment des Erwachens, aber sobald die Luft besser wird, vergessen die Menschen das Thema. Das ist bizarr, denn gerade im Sommer spüren wir die Auswirkungen des Klimawandels extrem durch Hitzewellen.
Pratyaksh Ahuja, 21, Delhi (Indien)
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