Fridays for Future in Berlin: Keine Wahl, außer zu demonstrieren
Am Freitag sind Tausende für konsequentere Klimapolitik auf die Straße gegangen. Von den Sondierungsgesprächen sind sie enttäuscht.
Das Motto dieses Mal: Ihr Lasst uns keine Wahl. Sichtbar enttäuscht von den bisherigen Soniderungsverhandlungen ließen die Demonstrierenden in Berlin ihrem Unmut freien Lauf. Davon hielt sie auch der zwischendurch immer wieder einsetzende Regen nicht ab.
„Keine der Parteien bei der Wahl hat ausreichende Klimaziele gehabt, selbst Die Linke nicht“, sagte Grundschullehrer Max. Er lebt seit 8 Jahren in Berlin und brachte seine Tochter mit, die gerade eingeschult wurde. Die vergangene Bundestagswahl war Max' erste als deutscher Staatsbürger. In seiner britischen Heimat bastele man gerade an Mini-Atomkraftwerken, ein Unding, findet er. Einmal im Monat will Max sich freitags frei nehmen. Seine Tochter möchte er zu den Demos mitnehmen und schon früh auf Umweltprobleme hinweisen.
Im Wahlkampf hätten alle Parteien über Klimapolitik gesprochen, sagte die Fridays for Future-Sprecherin Carla Reemtsma. Das vorliegende Sondierungspapier gehe „komplett an der eskalierenden Klimakrise vorbei.“ Es biete stattdessen ein „Mischmasch an Einzelmaßnahmen“. Teilnehmer:innen schwenkten Plakate und Spruchbänder mit Aufschriften wie „Wir sind jung und brauchen die Welt“ und „Wir streiken bis ihr handelt“. Ein kleiner Junge trug den Slogan „Fischers Fritze fischt jetzt Plastik“.
Forderungspapier veröffentlicht
Am Mittwoch hatten Fridays for Future einen Forderungspapier an die zukünftige Bundesregierung veröffentlicht. Darin werden die bisher von SPD, Grünen und FDP im Sondierungspapier festgehaltenen Absichten zur Klimapolitik als unzureichend kritisiert, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. So soll es wohl kein Tempolimit ab 130 geben und Dienstwagenprivilegien bleiben bestehen. Wichtige Punkte wie die CO2-Bepreisung werden in dem Papier noch gar nicht angesprochen.
Unter anderem haben Fridays for Future den Ausstieg Deutschlands aus dem Erdgas bis 2035, den definitiven Kohleausstieg bis 2030 und eine Versiebenfachung des Ausbaus von regenerativen Energien gefordert. Auch die Neubauten von Autobahnen und Bundesstraßen sollen gestoppt werden.
„Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Die Wissenschaft ist so eindeutig wie nie und die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet radikalen Klimaschutz“, sagte Luisa Neubauer am Mittwoch bei der Vorstellung des Forderungspapiers. Die zukünftige Bundesregierung soll diese Forderungen laut Fridays for Future innerhalb der ersten 100 Tage Amtszeit umsetzen.
Parallel zu den Protesten haben die IG Metall und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland zusammen ein Papier vorgestellt, indem sie eine zügige Mobilitätswende fordern, die die Pariser Klimaziele einhält und gleichzeitig die Arbeit von Beschäftigten sichert. Am 29. Oktober werden die Gewerkschafter:innen der IG Metall dafür bundesweit demonstrieren.
Klimastreik ist Auftakt mehrerer Aktionstage
Für die Anreise zur Demo in Berlin organisierten Fridays for Future eigens Busse, die die Demonstrierenden aus gut 50 Orten aus ganz Deutschland nach Berlin brachten. Der vorherige Klimastreik fand vor fast genau einem Monat statt – zwei Tage vor der Bundestagswahl hatten Aktivist:innen in mehr als 470 deutschen Städten als Teil des globalen Klimastreiks protestiert; in Berlin hatte Greta Thunberg eine Rede gehalten.
Der heutige Demonstrationszug war um 12 Uhr am Brandenburger Tor gestartet, lief über das Bundeskanzleramt zum Potsdamer Platz und soll um 18 Uhr wieder am Bundeskanzleramt enden.
Der Klimastreik ist zugleich Auftakt der Aktionstage, zu denen das Bündnis Gerechtigkeit Jetzt! anlässlich der Koalitionsverhandlungen von SPD, Grüne und FDP aufgerufen hat. Bis zum 29. Oktober sind Veranstaltungen und Blockaden geplant, unter anderem von Extinction Rebellion. Am Sonntag soll in Berlin eine Demonstration für eine „soziale und ökologische Transformation“ stattfinden, heißt es auf der Website der Initiative.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen