Frauenrechte in Deutschland: Paragraf 218-Kommission verzögert
Eigentlich sollte im Bundestag längst eine Kommission darüber diskutieren, ob der Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden kann.
Der taz liegt eine schriftliche Anfrage von Linken-Abgeordneten Heidi Reichinnek vor, wonach laut Sabine Dittmar (SPD), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, „ein konkreter Zeitpunkt für die Errichtung der Kommission noch nicht feststeht“.
Begründet wird dies damit, dass „der Austausch innerhalb der Bundesregierung über die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin noch nicht abgeschlossen ist“.
Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der „altruistischen Leihmutterschaft“ sollen in derselben Kommission überprüft werden.
Hinhaltetaktik der Regierung?
„Die Regierung verstrickt sich mal wieder im Kompetenzgerangel und am Ende passiert: nichts“, kritisiert Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Linken. „Es wirkt wie eine Hinhaltetaktik. Es ist Anfang Dezember und die Regierung kann immer noch nicht den Zeitpunkt nennen, wann die Kommission ihre Arbeit aufnehmen soll“, so Reichinnek. Im August hatte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) noch darauf hingewiesen, dass die Kommission nach der Sommerpause „zügig eingesetzt“ werde.
Anfang November lagen der taz Informationen vor, nach denen sich die Kommission im selben Monat zusammenfinden werde. Auch das ist nicht geschehen. „Die Ampel-Koalition wurde besonders von Frauen und Feminist*innen als lange erhoffte Chance wahrgenommen. Die Kommission muss endlich ihre Arbeit aufnehmen, damit Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden kann“, fordert Reichinnek die Koalition auf und weist daraufhin, dass auch noch nicht feststehe, wer an der Kommission teilnehmen wird.
Auch der Deutsche Juristinnenbund (djb), der am Donnerstag ein Papier mit Vorschlägen zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des StGBs vorstellen wird, spricht sich für ein baldiges Einsetzen der Kommission aus: „Die Kommission der Bundesregierung ist ein enorm wichtiges Vorhaben mit einem absehbar dichten Arbeitsprogramm. Ich hoffe sehr, dass sie zeitnah eingesetzt wird“, so Maria Wersig, Präsidentin des djb.
Durch den Paragraf 218 im StGB sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland verboten, lediglich in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft und nach vorheriger Beratung bleibt der Abbruch straffrei. Feminist:innen setzen sich seit Jahrzehnten für die Abschaffung des Paragrafen 218 ein, der Ärzt:innen und Schwangere bei einem Abbruch unter Strafe stellt. Die Urfassung entstand im Jahr 1871. Ob der Paragraf tatsächlich aus dem StGB gestrichen wird, ist unklar: Die Grüne Familienministerin Lisa Paus spricht sich dafür aus, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will an dem Paragrafen festhalten.
Korrektur: In einer vorherigen Fassung war davon die Rede, dass Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sich für eine Streichung des Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch einsetzt. Das ist nicht der Fall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin