Fraktionsklausur der Grünen: Klimaschutz mit Absage
Die Grünen beraten, wie sie mehr Klimaschutz in der Ampel durchsetzen können. Sie scheitern bereits an Betriebsräten aus der Lausitz.
Verdeutlichen sollte das eigentlich auch die Auswahl der Gäste, die die Fraktion zu ihrer Klausur eingeladen hatte. Doch zwei Arbeitnehmervertreter des Lausitzer Energiekonzerns Leag machten den Grünen einen Strich durch die Rechnung. Kurz vor Beginn der Klausur sagten am Montag der Betriebsratsvorsitzende Uwe Teubner und sein Stellvertreter ihre Teilnahme ab. Hintergrund ist eine Beschlussvorlage für die Klausur. Darin heißt es, dass die Grünen den Kohleausstieg auch im Osten um acht Jahre auf 2030 vorziehen wollen.
„Leider sehen wir uns gezwungen, von einer Teilnahme an der Fraktionsklausur der Grünen am 21.03.2023 in Weimar Abstand zu nehmen“, schrieben die Betriebsräte am Montag in einem Brief an die Fraktion. Eingeladen worden seien sie ursprünglich zum Thema „Strukturwandel“. Sie hätten berichten sollen, wie dieser „für unsere Kolleginnen und Kollegen gelingen könnte“. Offensichtlich sei in Wahrheit aber Sinn und Zweck der Klausur, ein „willkürliches neues Ausstiegsdatum“ zu setzen – und das gehe gar nicht.
Die Fraktion hatte den Betriebsräten ihren Beschlussentwurf in der vergangenen Woche übermittelt. Betriebsrat Teubner sagte der taz am Dienstag: Als er und seine Kollegen den Text und die Jahreszahl 2030 gelesen hätten, seien sie bereits ins Grübeln geraten. „Wollen wir uns für die Schlagzeile zur Verfügung stellen, dass die Grünen mit Belegschaftsvertretern über einen vorgezogenen Kohleausstieg beraten?“ Übers Wochenende habe man über die Sache nachgedacht. Als sich am Montagmorgen dann erste Medien meldeten, um Interviews zur Klausur anzufragen, habe man die Reißleine gezogen. In ihrer Position sind die Betriebsräte klar: Einen vorgezogenen Ausstieg wie im Rheinland wollen sie nicht. „Wir stehen für solche Deals nicht zur Verfügung“, heißt es in ihrer Absage.
Klimaschutz kommt nicht voran
An Schadensbegrenzung versucht sich in Weimar der Wirtschaftsminister. Es sei ein kluges und starkes Zeichen der Fraktion gewesen, die Betriebsräte einzuladen, sagt Robert Habeck. Er kenne und schätze die beiden Männer als „kluge ausgewogene Vertreter“. Dass die ausgestreckte Hand nicht ergriffen werde, sei schade. Das Gesprächsangebot gelte aber weiter.
Eine Posse, einerseits. Andererseits: An der Anekdote zeigt sich, mit welchen Problemen die Grünen in ihrem zweiten Regierungsjahr auch allgemein zu kämpfen haben. Mit ihren Vorhaben zum Klimaschutz kommen sie momentan nicht wirklich voran. Die öffentliche Meinung und die Koalitionspartner stehen zu häufig im Weg.
Nur drei der vielen Streitthemen: Das Verbot von Verbrennermotoren in Neuwagen ab 2035, für das der Koalitionspartner FDP mehr Ausnahmen fordert; die Beschleunigung von Planungsverfahren in deutschen Behörden, die die Liberalen nicht nur für Windräder und Bahngleise, sondern auch für Autobahnen durchsetzen wollen; und das schrittweise Verbot von Öl- und Gasheizungen, das Wirtschaftsminister Habeck gerade plant und das ebenfalls auf Widerstände stößt.
Drei Tage Weimar
Entsprechend angesäuert klingen die Spitzen-Grünen am Dienstag beim Klausurauftakt. „Es kann nicht sein, dass in einer ‚Fortschrittskoalition‘ nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist“, sagt Habeck. Fraktionschefin Britta Haßelmann mahnt: „Die Bekämpfung der Klimakrise ist die zentrale Menschheitsaufgabe. Es reicht nicht, sie in Sonntagsreden zu beklagen.“
Und ihre Co-Vorsitzende Katharina Dröge drängt auf Fortschritte beim fürs Wochenende angesetzten Koalitionsausschuss, gerade im Bereich Verkehr. Sie kritisiert FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, der nicht liefere – aber auch Olaf Scholz, der sich aus Sicht vieler Grüner zu stark aus den Konflikten heraushält. Am Ende verantworte auch der Kanzler den Klimaschutz, sagt Dröge.
Drei Tage lang tagt die Grünen-Fraktion insgesamt in Weimar; die Klimakonflikte in der Koalition werden dabei die Debatten bestimmen. „Klimaschutz und sozial-ökologische Transformation“, lautet einer der Tagesordnungspunkte. „Das zweite Ampel-Jahr: Ein Blick nach vorne“, ein anderer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken