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Fluchtreflexe von Reiner HaseloffEs nützt der AfD

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Regierungschef Haseloff denkt darüber nach, Sachsen-Anhalt bei einem AfD-Sieg zu verlassen. Dieses Signal verstärkt eher die Mutlosigkeit.

Ein Ministerpräsident mit Fluchtreflexen: Reiner Haseloff, Sachsen-Anhalts Regierungschef Foto: Carsten Koall/dpa

S achsen-Anhalt wählt im nächsten Jahr einen neuen Landtag. CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte nun der Bild-Zeitung: „Wenn die AfD zur Macht käme, dann wäre für mich wirklich die Grundsatzüberlegung, ob ich nach 72 Jahren meine Heimat verlassen würde“. Das ist ein menschlich verständlicher Gedanke: Wer möchte schon gern in einem Land leben, in dem die AfD Regierungspolitik macht?

Die CDU steht in Sachsen-Anhalt in Umfragen bei rund 30 Prozent, praktisch gleichauf mit der AfD. Ob Grüne und Linke es im Herbst 2026 in den Landtag schaffen, ist nicht ausgemacht. Regierungsoptionen ohne die AfD werden dann dünn. Wenn man angesichts dieser Ausgangslage Fluchtreflexe bekommt, ist das, wie gesagt, aus menschlicher Sicht verständlich. Als amtierender Ministerpräsident sollte man sich die aber nicht leisten.

Das Signal, dass der Kapitän fluchtartig das Schiff „Demokratie“ verlässt, sollte es kommendes Jahr auflaufen, ist kein mutmachendes. Für zivilgesellschaftliche Initiativen, die unter rechten Anfeindungen und Bedrohungen unverdrossen Veranstaltungen organisieren wie zuletzt den CSD in Wernigerode, ist es ein Schlag ins Gesicht. Im brandenburgischen Bad Freienwalde hatte es erst am Sonntag einen Angriff auf das Stadtfest „Freienwalde bleibt bunt“ gegeben.

Im Mai ließ der Generalbundesanwalt junge Neonazis festnehmen, der Vorwurf: Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung. Es gibt eine junge, gewaltbereite Szene, welche offensichtlich die jetzt wieder öfter zitierten Baseballschlägerjahre zurück will. Das ist beängstigend. Umso mehr kommt es nun auf eine gewisse Breitschultrigkeit der demokratischen Parteien und ihrer Ver­tre­te­r*in­nen an. Schwierig genug, dass das schwarz-rote Bekenntnis zu (linken) Demokratieförderprojekten im Koalitionsvertrag kein ganz eindeutiges ist.

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Verzagtheit und Mutlosigkeit, das Gefühl, dass sich ein amtierender Ministerpräsident im Zweifel vor allem für sich selbst interessiert und nicht für sein Bundesland, das nützt am Ende vor allem: der AfD.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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23 Kommentare

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  • Als ob es für Sachsen-Anhalt das Wichtigste wäre, wo genau Hr. Haseloff wohnt - sehr unklug auch noch, die Äußerung.



    Holger, äh: Reiner, der Kampf geht weiter!

  • Mein Respekt den Initiativen gegen Rechts vor Ort.

  • Alle Analysen, die von der Partei AfD ausgehen, die Fragen, was nützt der AfD, wie kann man sie bekämpfen etc., sind im Endeffekt nicht viel wert.



    Wenn man wirklich verstehen will, was gemacht werden kann, damit die AfD nicht immer stärker wird, dann muss man von den Wählern ausgehen. Man muss fragen: Warum wählen so vieleWähler die AfD?

    Und wenn man sich das ernsthaft fragt, dann wird man feststellen, das ein Teil (30-50%) die AfD wählen, weil sie selbst rechtsradikal sind. Dass aber 50-70% früher die etablierten Parteien gewählt haben, von diesen aber so oft enttäu§Chat wurden, dass sie dann angefangen haben, extreme Parteien wie die AfD zu wählen. Z,B nun wählen nun über 30% der Arbeiter dieAfD, während nur noch 12% die SPD wählen.



    Genauso wie Arbeiter in den USA jahrzehntelang die Demokraten gewählt haben, aber nun viele so enttäuscht§Chat von den Demokraten waren, dass sie Trump gewählt haben.



    Der Grund dafür ist, dass selbst bei Wachstum von 2-3% wie in den USA, geschweige denn bei Wachstum von 1-2% hier, die Arbeiterdavon etwas abbekommen. Nur die Reichen werden noch reicher. Wer glaubt, das könne man über Jahrzehnte machen, ohne dass viele Arbeiter anfangen, AfD zu

  • Ich würde auch nicht in Sachsen-Anhalt wohnen wollen und mir ist egal, ob das der AfD hilft. Daher habe ich vollstes Verständnis für Haseloff.

    • @nihilist:

      Was hat Haseloff Ihrer Meinung nach denn konstruktiv geleistet oder unterlassen, um dieser unsäglichen Entwicklung der AFD in den neuen Bundesländern entgegen zu wirken ?

      • @Alex_der_Wunderer:

        Wie erwähnt, hat er sich mehrfach gegen die AfD zur Wahl gestellt. Das ist jedenfalls um Größenordnungen mehr, als jeder Foren-Rambo von sich behaupten kann.

        Was gälte es denn zu leisten oder unterlassen, damit in den neuen Bundesländern der Rechtsradikalismus verschwindet?

      • @Alex_der_Wunderer:

        Immerhin stellt er sich als politische Alternative zur Verfügung.

        Ist nicht nichts.

        Wenn man merkt, dass man gescheitert ist, darf man auch dazu stehen.

        Da kann ein Wegzug konsequent sein.

  • Aus meiner Sicht ein alter Herr der seinen rechtzeitigen Abgang verpasst hat. Und mi seinem Angriff auf die öffentlich rechtlichen Medien hat er selbst noch Öl in das AfD-Feuer gegossen...

    • @Grenzgänger:

      Wäre es denn besser gewesen, wenn er die AfD an die Macht gelassen hätte?



      Ich sehe seine jetzige und letzte Amtszeit als Dient an der Demokratie und möchte ihm hiermit dafür danken.



      Vor fast fünf Jahren war Stahlknecht als Nachfolger auserkoren und erwies sich als nicht tragbar. Schon vergessen?

  • Ich glaube, dass Mutlosigkeit der falsche Begriff ist. Bequemlichkeit trifft eher zu. Ich kenne (zu viele) Leute in Ostdeutschen, die abhauen würden, nur haben sie entweder die ökonomischen Voraussetzungen nicht, oder haben keine Lust oder Kraft für einen Neuanfang. Freunde von mir leben in Ostdeutschland auf dem Land. Sie haben viel Geld (Verschuldung) für die Sanierung ausgegeben. Sie sind eher linksliberal und sehr engagiert. Werden nicht von Nazis oder ähnlichen gewaltbereiten Rechten Gruppen bedroht, sondern von den AfD-Wählern schikaniert und gemobbt, die Journalisten und Politiker gerne als Opfer verkaufen, die sog. "Otto Normalverbraucher". Meine Freunde wollen sich nicht mehr engagieren, nicht mehr zuhören oder miteinander reden, sondern einfach nur weg. Sie können aber nicht. Es würde sie ökonomisch ruinieren. Ich habe sie gefragt, was ihnen helfen könnte? Ihre Antwort: Journalisten und Politiker, aber die Einen interessieren sich nicht für den Alltag und die Anderen für den Alltag derer, die uns täglich schikanieren und mobben.

    • @c. F:

      Ist nicht jeder, der bleibt und nicht AfD wählt, eigentlich schon eine Bereicherung?

  • Er wäre nicht der Einzige und nicht der Erste, der seine Heimat (auch) aufgrund des Rechtsrucks in Ostdeutschland verlässt ... und fraglich, ob fluchtartig. Den rechtsradikalen Dreck müssen wir nun schon viel zu lang ertragen ...

  • Fluchtreflex? Haha. Reiner Haseloff will die Wähler:innen wieder und weiterhin für sich gewinnen. Nach Wilhelm Busch macht er das.



    „Und viertens hoff' ich außerdem



    Auf Widerspruch, der mir genehm." (aus „Selbstkritik")



    --



    Und wooo wurde das Interview veröffentlicht? Aha... „Bild". Die hat ja ein Etappenziel für das Kapital schon erreicht. CDU-Merz ist Bundeskanzler. Die AfD wird nicht mehr gebraucht und kann weg. „Bild" und Merz schaffen das.

    • @starsheep:

      Ähm ...wollen Sie etwa, dass die AfD noch mehr Wähler gewinnt? Was soll daran lustig sein?

      Dass es bei einer Machübernahme der AfD die Biege macht war ein Weckruf. Als en einsames blöckendes Schaaf auf dem Deich wird man nicht wahrgenommen. BLÖD war da schon die richtige Wahl.

      • @Rudolf Fissner:

        „Dass es bei einer Machübernahme der AfD die Biege macht war ein Weckruf." - Ein Weckruf, ein Hilferuf, eine Bitte um Wiederwahl... Sach ich doch.



        --



        Aber da Sie offensichtlich meinen Kommentar nicht verstanden haben, fragen Sie bitte zur Textanalyse eineN Deutschlehrer:in ihres Vertrauens. Kleiner Tipp: Es ist keine Satire. Es ist eine Prognose. Im Zweifelsfalle nochmal fragen. Ich helfe gern.

  • Er wäre besser seinem Redeskript treu geblieben.

  • Ich kann ihn da grundsätzlich gut verstehen. Ich befürchte aber, Haseloff versucht hier den Woidke zu machen, nur mit weniger Geschick.

  • Er ist, genauso wie der allergrößte Teil der Mitte unserer Zivilgesellschaft, hauptverantwortlich für diese Entwicklung!

    • @Dr. Enseleit Jürgen:

      Es gibt exakt zwei Gruppen in der Bevölkerung, die hauptsächlich für das Erstarken der Rechtsradikalen hierzulande verantwortlich sind:



      Die Wähler rechtsradikaler Parteien, sowie jene, die in falsch verstandener Toleranz schweigen, wenn jemand sich rechtsradikal äußert.

      • @Kaboom:

        Was Dr. Enseleit sagt, ist richtig. Die etablierten Parteien haben mit ihrer Politik in den letzten 30-40 Jahren die Hauptschuld daran, dass die AfD nun bei 23% steht.



        Natürlich gibt es Wähler, die die AfD wählen, weil sie selbst rechtsradikal sind und schon immer waren. Dies sind ca. 30-50%.



        Aber 30-70% der AfD Wähler haben irgendwann mal eine der etablierten Parteien gewählt. Und wählen diese jetzt nicht mehr, weil sie zig Mal übel von denen enttäuscht worden sind. Z.B. weil die etablierten Parteien viele Probleme, die für diese Wähler enorm wichtig sind, jahrzehntelang haben lassen, z.B. zu wenig bezahlbare Wohnungen, zu niedrige Löhne und Renten, zu hohe Enerie. Und Lebensmittelpreise, zu schlechtes Gesundheitssystem, zu schlechte Bildung, kaputte Schulen und Infrastruktur etc.



        Sie finden all das offensichtlich nicht so wichtig, dass Sie das davon abhalten würde, eine der etablierten Parteien zu wählen, aber einige Wähler ziehen daraus den Schluss, die etablierten Parteien nicht mehr zu wählen, solange die ihre Politik nicht grundsätzlich ändern, sondern wählen dann extreme Parteien, in der Hoffnung, dass sich dadurch irgendwas ändert. Siehe auch die USA

      • @Kaboom:

        ...und dann gibt es noch eine CDU, die ihren enormen Anteil an CDU Wählern aus dem Osten, auf den Weg in den Neoliberalismus schlicht und einfach vergessen hat.



        Nach dem Mauerfall haben die Wähler in den neuen Bundesländern der CDU und Helmut Kohl doch aus den Händen gegessen. Kurz vor der Wende war die CDU im Westen fast am Ende. Da kamen der CDU die dankbaren ( vielleicht auch noch etwas unkritischen ) Ost-Wähler gerade zur rechten Zeit.

  • Am meisten hat der AfD in die Arme gespielt das alle offen darüber nachdenken was der AfD in die Arme spielt. Das hat letztlich dazu geführt, dass eine Partei, die von einem Anti-Establishment Mythos lebt, in einer Situation ist, in der sie sagen kann "Ja schaut die Opposition zur AfD eint alle anderen Parteien" und dabei auch noch recht hat.

    Einfach mal die AfD vergessen und sich auf Inhalte fokussieren und zwar langfristig.